Auf den Spuren der Methanquellen in Skandinavien
- Methan ist nach CO2 das bedeutendste anthropogene Treibhausgas.
- Forschungsflugzeuge und -ballons starten zu koordinierten Messflügen rund um das nordschwedische Kiruna.
- Eine weltraumtaugliche Variante des DLR-Lidars CHARM-F soll ab 2027 auf der Satellitenmission MERLIN zur globalen Methandetektion eingesetzt werden.
- Schwerpunkte: Luftfahrt, Raumfahrt, Klimawandel
Die Arktis erwärmt sich deutlich schneller als andere Teile der Erde. Dabei tauen in den Regionen nördlich des Polarkreises unter anderem Permafrostböden auf und setzen das gegenüber CO2 vielfach wirkungsvollere Klimagas Methan frei. Ebenso gasen subpolare Feuchtgebiete Methan aus. Vom 14. bis 27. August 2021 findet die internationale Forschungskampagne MAGIC 2021 statt. Ausgehend von Kiruna/Schweden erfassen die rund 80 Forschenden Klimagas-Quellen und -senken in Skandinavien. Drei Messflugzeuge, 20 Ballons und drei Erdbeobachtungssatelliten liefern Daten zur Region. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt sich mit in-situ-Messungen auf der DLR eigenen Cessna Grand Caravan und mit CHARM-F (CH4 Atmospheric Remote Monitoring) einem neuentwickelten Flugzeug getragenen LiDAR-Instrument zur Methan- und CO2-Detektion. Eine weltraumtaugliche Variante des Lidars soll ab 2027 bei der Satellitenmission MERLIN zur globalen Methan-Detektion aus dem All eingesetzt werden. Der bei MAGIC 2021 verwendete Demonstrator unterstützt die Vorbereitung dieser deutsch-französischen Mission. An MAGIC 2021 sind insgesamt 17 Forscherteams aus sieben Nationen unter Leitung der französischen Raumfahrtagentur CNES und Forschungseinrichtung CNRS beteiligt.
Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) sind die beiden bedeutendsten anthropogenen Treibhausgase. Insbesondere der Eintrag von Methan in die Erdatmosphäre ist noch zu wenig erforscht. In Skandinavien gibt es verschiedene Methan-Quellen, die entweder menschlichen Aktivitäten entspringen (Förderung und Verteilung von Gas und Öl) oder natürlichen Ursprungs sind (Feuchtgebiete, Torfmoore, Seen). In diesen feuchten Regionen finden organische Abbauprozesse unter Ausschluss von Luft statt, wobei Methan natürlich entsteht.
„Für die Klimaforschung sind diese Daten enorm wichtig. Denn diese Emissionen sind nur unzureichend quantifiziert“, erläutert Dr. Susann Groß, Leiterin der DLR-Programmdirektion für Raumfahrtforschung und -technologie. „Kontinuierliche Messungen in der Region sind aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte, des langen Winters und der Wetterbedingungen eher selten. Die Forschenden wollen verstehen, welchen Einfluss die natürlichen Methanquellen haben und wie sie sich mit der Erderwärmung verändern.“
Die hohen geografischen Breiten gelten zudem als Senke für atmosphärisches CO2. Hier ist von Interesse, ob sich die Aufnahme des CO2 in der Biosphäre durch die starke Erwärmung der Arktis verringert und sich das arktische Ökosystem von einer Senke zu einer Quelle entwickelt.
Von der bodennahen Grenzschicht bis in die Stratosphäre
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfassen die Klimagaskonzentrationen von der bodennahen Grenzschicht bis hinauf in die Stratosphäre in 3 Ebenen. In der Stratosphäre lassen sie im Rahmen der Kampagne Ballons bis in Höhen von 40 Kilometer aufsteigen, die mit Fernerkundungs- und in-situ Instrumenten die Konzentrationen erfassen. Das französische Forschungsflugzeug ATR-42 fliegt in rund sechs Kilometern Höhe und trägt erstmals das DLR-Lidar CHARM-F an Bord. Dieses misst die Methan- und CO2-Konzentrationen mittels Laser zwischen Flugzeug und Boden. Im Tiefflug entlang der bodennahen Grenzschicht fliegt die Cessna des DLR und misst direkt die Konzentration in rund 500-1.500 Meter Höhe. Eine Twin Otter des Britischen Polarforschungsinstituts (BAS) ergänzt diese Messungen durch Sondierung der Landoberfläche und dessen Temperatur, mithilfe eines passiven Fernerkundungsinstruments des Jet Propulsion Laboratory der NASA. Die koordinierten Messungen sollen im Rahmen der AMPAC-Initiative gemeinsam ausgewertet werden.
Kleinste Konzentrationsunterschiede verraten Methan-Quellen
„Wir wollen herausfinden, wo in Nordskandinavien die Methanemissionen herkommen und wohin sie transportiert werden“, erläutert Dr. Andreas Fix vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. „Gleichzeitig erproben wir unser hochpräzises Lidar. Dessen Technologie wird zukünftig auf dem deutsch-französischen Klimasatelliten MERLIN für eine kontinuierliches Methan-Monitoring aus dem All eingesetzt werden.“ Diese Technik erlaubt es, Methan und CO2 mit eigener Lichtquelle, dem Laser, unabhängig vom Sonnenlicht aus großer Entfernung und mit hoher Genauigkeit zu messen. Besonders vielversprechend ist die erstmalige Kombination aus dem Treibhausgas-Lidar mit einem Lidar der französischen Forschungsorganisation ONERA, das gleichzeitig vom Bord der ATR-42 das Windfeld misst. Die Forschenden hoffen auf diese Weise, die Treibhausgasflüsse vom Flugzeug aus direkt bestimmen zu können.
Eine generelle Herausforderung bei der Messung von Treibhausgasen sind deren äußerst geringe Konzentrationsunterschiede.Denn auch nahe starker Quellen sind die Werte meist nur weniger als ein Prozent gegenüber der Hintergrundkonzentration erhöht. Eine äußerst sensitive und präzise Messung ermöglichen in-situ Methanmessungen nahe über dem Boden. „Über die Lufteinlässe der DLR-Cessna erfassen wir mit unseren Geräten die Konzentration der Klimagase Methan und CO2 direkt am Ort des Flugzeugs“, erklärt Dr. Anke Roiger vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. „Dazu messen wir gleichzeitig den dreidimensionalen Wind. Das erlaubt uns, erhöhte Konzentrationen und Quellen am Boden zu verbinden sowie deren Quellstärke abzuschätzen.“
Rund um das nordschwedische Kiruna kann die DLR-Cessna in einem Radius von 300 Kilometern eingesetzt werden. „Für die Messflüge im Sichtflug über die weiten Waldgebiete Nordskandinaviens benötigen wir eine ausreichend hohe Wolkenuntergrenze und gute Sicht, um abgestimmt mit den anderen Maschinen der Forschungskampagne zu fliegen“, sagt Testpilot Dr. Marc Puskeiler von den DLR-Flugexperimenten. „Herausforderungen für die Flugplanung sind die oft sehr kurzfristig, teilweise noch im Flug modifizierten Flugmuster sowie die wenigen Flugplätze für Ausweichlandungen und Tankstopps in diesem sehr dünn besiedelten Gebiet.“ Nach Möglichkeit der Wetterbedingungen fliegt die DLR-Cessna koordiniert mit der französischen ATR-42 und der britischen Twin Otter. Erste Ergebnisse der Mission werden für 2022 erwartet.
Forschungskampagne Magic 2021
Um ihre Verteilung der beiden bedeutendsten anthropogenen Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Atmosphäre und die damit verbundenen Emissionen besser verstehen zu können, wurde 2017 die Initiative MAGIC (Monitoring Atmospheric composition and Greenhouse gases through multi-Instrument Campaigns) gestartet. Nach drei vorbereitenden Kampagnen in den letzten Jahren auf dem französischen Festland findet die Kampagne 2021 in Nordnorwegen, Schweden und Finnland statt mit besonderem Fokus auf den natürlichen und anthropogenen Methanemissionen statt. In die Forschungsarbeiten fließen auch Beobachtungen der Satelliten OCO-2 (NASA), Sentinel-5P (ESA) sowie MetOp (ESA-EUMETSAT) ein.
In der großangelegten internationalen Forschungskampagne arbeiten die französischen Einrichtungen CNRS, CNES und Onera gemeinsam mit dem Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Swedish Space Corporation, dem Finnischen Meteorologischen Institut, der Universität Groningen, dem King's College London, dem British Antarctic Survey sowie dem Jet Propulsion Laboratory der NASA zusammen. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch CNES, CNRS und ESA, mit einem Beitrag von Eumetsat sowie dem DLR.
Deutsch-Französische Klimamission MERLIN
Der deutsch-französische Kleinsatellit MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission) ist eine Klimamission, die das Treibhausgas Methan in der Erdatmosphäre beobachten soll. Mit Hilfe eines Lidar-Instruments (Light Detecting and Ranging) wird MERLIN ab dem Jahr 2027 aus einer Höhe von rund 500 Kilometern das Treibhausgas in der Erdatmosphäre aufspüren und überwachen. Ziel der dreijährigen Mission ist unter anderem die Erstellung einer globalen Weltkarte der Methankonzentrationen. Außerdem soll die Mission Aufschluss darüber geben, in welchen Regionen der Erde Methan in die Atmosphäre eingebracht wird (Methanquellen) und in welchen Gebieten es ihr wieder entzogen wird (Methansenken).