Sichere Vorhersagen für das Weltraumwetter
- Sonnenstürme können Satelliten im All und Technik auf der Erde stören.
- Neues DLR-Institut analysiert die Wechselwirkungen zwischen Sonnenaktivität und Erdatmosphäre.
- Entwicklung von Methoden zum Schutz vor Weltraumwetter-Schäden.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Sicherheit
An Polarlichtern ist sie besonders leicht zu erkennen: die Teilchenstrahlung der Sonne. Doch die Plasma-Ausbrüche der Sonne lassen nicht nur das Naturschauspiel in den Polarregionen entstehen. Sie können auch Satelliten empfindlich stören. Im Extremfall beeinträchtigt das Weltraumwetter sogar die Infrastruktur auf der Erde. Das Institut für Solar-Terrestrische Physik im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beobachtet das Weltraumwetter und forscht daran, die Wechselwirkungen besser verstehen und vorhersagen zu können. Das DLR-Institut in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) wurde am 26. Mai 2021 eröffnet.
„Unsere hochtechnisierte Gesellschaft hat ein hohes Schutzbedürfnis. Deshalb muss Vorsorge getroffen werden, um nachteilige Effekte des Weltraumwetters auf unsere Infrastruktur am Boden, in der Luft und im Erdorbit zu vermeiden“, betont Prof. Anke Kaysser-Pyzalla, die Vorstandsvorsitzende des DLR. „Mit der Gründung unseres neuen Institutes in Mecklenburg-Vorpommern möchten wir einen Beitrag leisten zum Aufbau eines nationalen Weltraumwetter-Dienstes.“
Das DLR-Institut für Solar-Terrestrische Physik betreibt sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung. Ziel ist, die technologischen Infrastrukturen im All und auf der Erde vor Schäden durch das Weltraumwetter zu schützen. Dazu wird ein Weltraumwetter-Service aufgebaut.
DLR-Institut plant mit 80 Mitarbeitenden
Das neue Institut befindet sich am schon seit 1992 bestehenden DLR-Standort in Neustrelitz. Der Fokus liegt hier auf den Themen Satellitendatenempfang, Satellitenfernerkundung, Navigation, maritimer Verkehr und maritime Sicherheit sowie Weltraumwetter. Das Institut für Solar-Terrestrische Physik hat aktuell etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, langfristig sollen es bis zu 80 werden.
„Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern, sondern deutschlandweit ein Leuchtturm in der Spitzenforschung", sagt Wissenschaftsministerin Bettina Martin. „Mit dem neuen Institut für Solar-Terrestrische Physik wird der Wissenschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern weiter enorm aufgewertet. Das Land unterstützt diesen wichtigen Schritt mit rund 10 Mio. Euro und wird sich künftig mit rund 670.000 pro Jahr an den Sach- und Betriebskosten beteiligen.“
Starke Sonnenstürme durchbrechen das schützende Magnetfeld der Erde
Die Strahlungs- und Plasma-Ausbrüche der Sonne, die auch Sonnenstürme genannt werden, haben unterschiedliche Intensität und Häufigkeit. Grundsätzlich bietet das Erdmagnetfeld einen Schutz vor Sonnenstürmen. Bestimmte Sonnenaktivitäten jedoch, wie sogenannte solare Flares oder ein koronaler Massenauswurf, schleudern elektromagnetische Strahlen oder ein riesiges Ensemble ionisierter Teilchen in den Orbit. Sie überwinden den Schutzschild der Erde.
„Weltraumwetter und seine Folgen sind nicht nur auf den Weltraum beschränkt. Je nach Intensität kann es auch zu Störungen in der Stromversorgung oder im Funkverkehr auf der Erde führen“, sagt Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. „Wir sind uns dieses möglichen wirtschaftlichen Schadens bewusst, der durch Weltraumwetter ausgelöst werden kann und wir nehmen diese Gefährdung ernst. Daher freue ich mich sehr über das neu gegründete Institut am Standort Neustrelitz und den enormen wissenschaftlichen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung, der dort geleistet wird.“
In unserer hochtechnisierten Zeit führt ein ausgeprägter Sonnensturm zu hohen wirtschaftlichen Schäden und Satellitenausfällen. Elektrische Versorgungsnetze können zusammenbrechen. Außerdem werden die Bordelektronik und die Navigation von Flugzeugen, Schiffen und Autos gefährlich gestört. Darüber hinaus behindert ein Sonnensturm die Übertragung von Fernseh-, Radio- und Handysignalen. Bei einer ausreichenden Vorwarnzeit sind rechtzeitig Gegenmaßnahmen möglich. Schon jetzt werden Satelliten zeitweise ausgeschaltet. Passagierflugzeuge, die bei Sonnenstürmen die Polregionen überfliegen, wechseln in tiefere Bereiche der Atmosphäre oder ändern den Kurs.
Besseres Verständnis der komplexen Zusammenhänge
Im Mittelpunkt der Forschung des neuen DLR-Instituts für Solar-Terrestrische Physik steht das Ionosphären-Thermosphären-Magnetosphären (ITM) -System. Dabei handelt es sich um Atmosphärenbereiche der Erde mit besonderen Eigenschaften und Wechselwirkungen, die von den Sonnenstürmen beeinflusst sind. Ein besseres Verständnis der komplizierten Zusammenhänge sorgt dafür, dass die negativen Folgen des Weltraumwetters vorhergesagt und vermieden werden können.
Die Erforschung der Ionosphäre hat in Neustrelitz eine lange Tradition: Seit 1913 gibt es hier empfangsbereite Antennen, zuerst für die Versuchsfunkstelle des Kaiserlichen Telegraphenversuchsamts. Das Signal reichte bis zu 100 Kilometer hoch, also gerade bis in die Ionosphäre. Das Gas dort lädt sich wegen der Sonnenstrahlung elektrisch auf - es wird ionisiert. Für Funkwellen wirkt die Ionosphäre als eine Art Spiegel.
Weltraumwetter-Ereignisse
Im Jahr 1859 beobachtete der englische Astronom Richard Christopher Carrington erstmals nachweislich eine riesige Explosion auf der Sonne. 20 Stunden später wurde auf der Erde ein magnetischer Sturm registriert. Ursache war das in Richtung Erde geschleuderte Sonnenplasma. Der Sonnensturm beeinflusste die Ausrichtung von Kompassnadeln. Es gab Schäden an Stromleitungen sowie am Telegraphensystem. Polarlichter waren sogar auf Kuba zu sehen.
1989 fiel im kanadischen Québec für neun Stunden die Energieversorgung aus. Verursacht durch einen heftigen Sonnensturm gab es starke elektromagnetische Induktionen in Überlandleitungen, was zu Ausfällen und teilweisen Zerstörungen von Transformatoren führte.