Digitalisierung für zukünftige Kampfflugzeuge
- Schwerpunkte: Sicherheit, Luftfahrt, Digitalisierung
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt mit seinen Partnern aus Industrie und wehrtechnischer Forschung die Bundeswehr seit Jahrzehnten in der materiellen Weiterentwicklung. Die Digitalisierung zukünftiger Kampfflugzeuge rückt hier zunehmend in den Fokus. Ende 2020 konnte die siebte Phase des Leitkonzept „Fortschrittliche Flugzeugstrukturen“ (FFS) erfolgreich abgeschlossen werden und die nächste Phase beginnen.
Die Luftstreitkräfte in Europa werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ihre Flugzeugflotten erneuern oder ersetzen müssen. Dies reicht von der Modernisierung bestehender fliegender Waffensysteme, wie dem Eurofighter, bis hin zur Einführung des deutsch/französisch/spanischen Gemeinschaftsprogramms Next Generation Weapon System (NGWS) im Zeitraum 2040+. Gleichzeitig entwickelt sich die Digitalisierung und Einführung neuartiger Instandsetzungsmethoden in der zivilen Luftfahrtbranche sehr dynamisch.
In Zukunft werden sich die Luftstreitkräfte auf eine Kombination von digital vernetzten bemannten und unbemannten fliegenden Plattformen zur Erfüllung ihres Auftrages stützen. Neben den hierfür zu erwartenden Entwicklungs- und Beschaffungskosten bilden die Aufwände für den Betrieb die wesentlichen Kostentreiber. Hier kann auf aktuelle Forschungen und Entwicklungen im Bereich der zivilen Luftfahrt zurückgegriffen werden.
Ein Schlüsselelement zum Erreichen hoher Verfügbarkeit unter gleichzeitiger Beherrschung der Kosten stellen sogenannte Maintenance, Repair and Overhaul (MRO) Prozesse dar. Heute etablierte MRO-Prozesse basieren auf klassischen Systemen, zyklischen Verfahren und papierbasierten Dokumentationen. Im Kontext zunehmender „System-of-System“ Beziehungen stößt dieses Vorgehen an seine Grenzen und eine Überwindung verlangt neuartige Ansätze der Bewirtschaftung zukünftiger Waffensysteme.
Wehrtechnische Forschung - interdisziplinär und partnerschaftlich
Hier setzten die aktuellen wehrtechnischen Forschungsarbeiten im Leitkonzept „Fortschrittliche Flugzeugstrukturen“ (FFS) der DLR-Institute für Faserverbundleichtbau und Adaptronik und für Instandhaltung und Modifikation an. Das DLR bindet hier Partner aus Industrie und Bundeswehr - AIRBUS Defence & Space, AIRBUS Central Research and Technology und dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr (WIWeB) – ein.
Innovative MRO-Ansätze zur Überwachung und Gewährleistung der Strukturintegrität, digitalisierten Prozessen und robusten Technologien können so interdisziplinär bearbeitet werden. Langfristig wird so der Technologietransfer gefördert und die Bereitschaft der Luftfahrzeuge der Bundeswehr erhöht.
Im Leitkonzept FFS werden dabei zielgerichtet kosteneffiziente Faserverbundleichtbaustrukturen und Technologien entwickelt. Damit soll eine verstärkte Durchsetzungsfähigkeit unter Einsatz multifunktioneller und insbesondere elektromagnetischer Strukturen für aktuelle und zukünftige Kampfflugzeuge erreicht werden. Dies wird ergänzt durch Arbeiten an angewandten Methoden und Technologien für individuelle minimalinvasive Strategien zur Instandsetzung. Zum Erzeugen und Nutzen virtueller, digitaler Zwillinge kommen umfangreiche Sensor- und Systeminforationen aus zukünftigen Structural-Health-Monitoring (SHM)-Systemen sowie automatisierten Strukturanalysen und Schadensbewertungen zum Einsatz.
Gemeinsame Lösungen – ganzheitlich und digital
Die im Leitkonzept FFS entwickelten Technologien, Verfahren und Prozesse bieten die Möglichkeiten den Grad der Digitalisierung in den Streitkräften schrittweise zu erhöhen. Anfangs lassen sich durch die technischen Weiterentwicklungen in MRO-Prozessen und SHM-Systemen Synergien heben. Darauffolgend bieten sich durch die Einbindung von Augmented-Reality-Systeme (AR) auch die Möglichkeiten zum Erzeugen echtzeitfähiger Kommunikationsschnittstellen und Entscheidungsplattformen für technisches Personal vor Ort, vergleichbar bestehender Systeme im zivilen Luftfahrtbereich.
So können über AR-System zusätzlich Bauteilinformationen, Ergebnisse durchgeführter Analysen, fusionierte Ergebnisse von SHM-Systemen und Echtzeit-Schadensanalysen in die Entscheidung einbezogen werden. Diese sind besonders bei der Anwendung auf Strukturbauteile aus Faserverbunden vor Vorteil. Denn diese Materialien neigen dazu, bei Stoßbelastung kaum sichtbaren Schadensmustern zu zeigen. Solche können bei einer reinen Sichtkontrolle nicht zuverlässig erkannt werden. Zurzeit führt das noch zu aufwändigen Untersuchungen oder dem kostenintensiven Austausch ganzer Baugruppen.
Technologietransfer schaffen – anwendungsorientiert und nachhaltig
Der erste Nachweis der technischen Umsetzbarkeit wurde an einer Eurofighter-Luftbremse, dem Air Brake Demonstrator EF2000T des Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik, aus Faserverbundmaterial auf der Industriemesse JEC 2019 gezeigt. Weitere gemeinsame MRO/SHM-Forschungsarbeiten fokussieren zu Demonstrationszwecken auf eine Laminarflügelkomponente anhand derer der gesamte innovative Struktur-Instandhaltungsprozess in den nächsten Jahren validiert werden soll.
Die im Leitkonzept FFS gewonnenen Erkenntnisse, Kompetenzen und Technologien sollen die Industrie und die unterstellten Bereiche des Bundesministeriums der Verteidigung dazu befähigen, Ausbildungs-, Einsatz- und Wartungskonzepte zu bewerten und zielgerichtet weiterzuentwickeln. Die Institute des DLR und die Programmkoordination Sicherheitsforschung gewährleisten hierbei durch ihre angewandte Forschung einen wesentlichen Beitrag zur nationalen Analyse- und Bewertungskompetenz sowie zur Stärkung des Industriestandortes Deutschland.