11. Dezember 2020

VESTEC – Interaktives Supercomputing für schnelle Entscheidungen in Notfallsituationen

  • DLR entwickelt komplexe Supercomputing Technologie zur Unterstützung von Einsatzkräften
  • Visualisierung von Brandverläufen
  • Schwerpunkte: Erdbeobachtung, Digitalisierung, Visualisierung, Sicherheit, Super Computing, Umwelt

Die Zahl der Waldbrände ist weltweit seit 2018 stark angestiegen. Allein in Deutschland gab es in den vergangenen drei Jahren jeweils mehr als 1500 Waldbrände. Welche Dimensionen solche Feuer annehmen können, haben 2020 die verheerenden Brände in Australien und Kalifornien gezeigt. In solch einer dynamischen Lage den Überblick zu bewahren, stellt die Einsatzkräfte vor große Herausforderungen. Per Supercomputing generierte, aktuelle und interaktive Lagebilder sollen die Entscheidungsfindung in den Einsatzzentralen zukünftig erleichtern und helfen Hilfe dort bereitzustellen, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus einer Vielzahl von EU-Ländern bringen ihr Wissen in das Projekt „VESTEC- Interaktives Supercomputing für schnelle Entscheidungen in Notfallsituationen“ ein. Die Koordination des Großprojekts liegt beim Institut für Softwaretechnologie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das Institut für Softwaretechnologie mit VESTEC eine Softwarelösung für viele Bereiche, in denen es trotz einer Fülle von Informationen, um schnelle Entscheidungen geht. Dies geschieht auf der Basis von Datensätzen, die in Echtzeit gesammelt und ausgewertet werden. VESTEC ermöglicht es, mehrere Datenquellen zu kombinieren und wesentliche Funktionen effizient zu extrahieren. Durch das interaktive Supercomputing ist eine stets flexible und lageabhängige Planung möglich. In Form von 3D-Visualisierungen der ausgewerteten Daten können zeitkritische Phänomene akkurat abgebildet werden.

Die Software soll für eine große Bandbreite von Krisen- und Notfallsituationen einsetzbar sein. Für die Entwicklung eines flexiblen und umfassenden Tools wurden drei unterschiedliche Testszenarien ausgewählt:

  • Überwachung und Vorhersage von Waldbränden
  • Risikoanalyse der durch Moskitos übertragenen Krankheiten
  • Auswirkungen des Weltraumwetters auf die Erde (u.a. auf technische Lieferketten)

Nah an der Realität

Der Projektstart erfolgte im Jahr 2018. Im Herbst 2020 wurde die Technologie am ersten Test Szenario (Pilot Use Case) „Überwachung und Vorhersage von Waldbränden“ ausgeführt und demonstriert. Dafür wurden auch die realen Informationen aus einem Waldbrand im Juli 2020 bei La Jonquera, in Spanien eingebunden.

Anhand dieses Anwendungsfalls wird das Verhalten von Waldbränden analysiert und ausgewertet: die Entstehung in kleinen lokalen Hotspots, die Ausbreitung zu Flächenbränden und der Einfluss von Wettergegebenheiten auf den Verlauf des Brandes.

Auf Basis aktueller Messdaten werden schnell alle wahrscheinlichen Ausbreitungsszenarien mithilfe von Supercomputern berechnet und den Krisenmanagern in den Einsatzzentralen zur Verfügung gestellt. Dabei bleibt es nicht bei der einmaligen Berechnung. Vielmehr werden die Berechnungen immer sofort angepasst, sobald sich Eingangsdaten verändern. Neben der Variantenberechnung möglicher Krisenausbreitung können mit Hochleistungsrechnern auch viel bessere Vorhersagen getroffen werden. So werden hochkomplexe Algorithmen beispielsweise für eine hoch präzise Wettervorhersage eingesetzt. Zu wissen wohin sich das Feuer ausbreitet ist unter anderem für die Evakuierung von gefährdeten Personen, aber auch für das rechtzeitige Anlegen von Brandschneisen wichtig.

Visualisierung der Informationen

Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist auch die Visualisierung der berechneten Daten. Eine große Menge an Informationen wird hierfür aufbereitet und leicht verständlich dargestellt. Hiermit lassen sich unterschiedliche Varianten schnell und intuitiv analysieren um letztendlich fatale Fehlentscheidung bei der Steuerung der Krisenreaktionskräfte während dynamischer Lageentwicklungen zu vermeiden.

Zunächst ruft die VESTEC Software in Echtzeit Satellitendaten eines vordefinierten Areals ab. Durch Auswertung der Bilder werden kleine lokale Brände erkannt. Diese Information wird kombiniert mit globalen Wetterdaten der NASA. Eine bessere Auflösung des Gebietes mit lokalen Informationen, wie zum Beispiel der Windrichtung, wird von der Universität Toulouse auf Basis von Daten des französischen Wetterdienstes geliefert. Diese aktuellen Daten fließen zusammen und werden zu einer Waldbrandsimulation an dem Supercomputer ARCHER der Universität Edinburgh verarbeitet. Unterschiedliche Szenarien können in kürzester Zeit berechnet werden. Zuletzt fließen alle Daten in eine Visualisierung ein. Mithilfe einer verständlichen visuellen Darstellung sind Entscheidungsträger in der Lage, schnell auf Basis der Echtzeitdaten zu agieren und Maßnahmen einzuleiten. In dem demonstrierten Fall kann der Feuerwehreinsatz gezielt und schnell erfolgen, um verheerende Folgen eines Flächenbrandes zu verhindern.

Aufgabenverteilung im Projekt VESTEC

Zwei Abteilungen des DLR-Instituts für Softwaretechnologie sind an dem Projekt beteiligt. In der Abteilung „High-Performance Computing“ findet das Performance Monitoring statt. Um einen erfolgreichen Einsatz in einer Krisensituation zu ermöglichen, muss die eingesetzte Software in kürzester Zeit auswertbare Ergebnisse liefern. Prozesse wie die Datenabholung z.B. der globalen Wetterdaten und die Datenübertragung auf einen geeigneten Supercomputer, werden auf ihre Effizienz überprüft und neuralgische Punkte in den Prozessen erkannt.

Bei der Abteilung „Software für Raumfahrtsysteme und interaktive Visualisierung“ wird das Visualisierungstool für zukünftige Einsatzfälle von VESTEC erstellt. Sie ist zudem für die Projektleitung verantwortlich. Auf Basis der DLR-eigenen CosmoScout VR-Software wird das Tool weiterentwickelt, sodass parallele Szenarien berechnet und visualisiert werden können.

Zusätzlich ist noch das DLR-Datenfernerkundungszentrum (DFD) Teil des Projekts, das die interaktive Krisenbekämpfung im Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) für den tatsächlichen Einsatz bewerten soll.

Die Projekt-Partner:

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

(DLR), Köln, Deutschland
EPCC at the University of Edinburgh, Edinburgh, UK
Kungliga Tekniska Hoegskolan (KTH), Stockholm, Sweden
Sorbonne Université, Paris, France
Kitware SAS, Villeurbanne, France
INTEL Deutschland Gmbh, Feldkirchen, Germany
Fondazione Bruno Kessler, Trento, Italy
Université Paul Sabatier, Toulouse, France

Kontakt

Michel Winand

Kommunikation Köln, Bonn, Jülich, Aachen, Rheinbach und Sankt Augustin
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-2144

Dr. Andreas Gerndt

Stellv. Institutsleitung
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Softwaretechnologie
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig