Mehr Sicherheit im maritimen Schiffsverkehr
Globale Satellitennavigationssysteme (und hier insbesondere GPS) dienen Schiffen weltweit zur Bestimmung der genauen Position. Was aber ist zu tun, wenn die Signale der Satelliten gestört werden und keine zuverlässige Navigation mehr möglich ist? Eine Lösung besteht darin, mindestens ein weiteres unabhängiges Positionierungssystem zur Verfügung zu haben. In diesem Kontext entwickeln Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit internationalen Partner das R-Mode-System und konnten nun erstmals die Position eines Schiffes auf See mit Mittelwellen-Ranging-Mode-Signalen unter realen Bedingungen nachweisen.
Bodengebundene Funktechnologie bietet unabhängige Positionsinformationen
Navigationsempfänger für globale Satellitennavigationssysteme, wie GPS, Galileo, GLONASS oder Beidou lassen sich aufgrund ihrer geringen Signalstärke relativ leicht stören. Dies geschieht entweder durch Jamming, bei dem im gleichen Frequenzband Störsignale abgestrahlt werden, oder durch Spoofing, bei dem gezielt manipulierte Signale zu einer falschen Positionsschätzung führen sollen.
Falsche oder fehlende Positionsangaben können gravierende Auswirkungen auf die sichere Schiffsführung haben.
Im Projekt "R-Mode Baltic" haben DLR-Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit internationalen Partnern die Ranging Mode Technologie - kurz R-Mode - weiterentwickelt, die der Schifffahrt zusätzlich zu globalen Satellitennavigationssystemen eine unabhängige Signalquelle zur Bestimmung der Position bereitstellt. Das R-Mode System ist ein bodengebundenes Ersatzsystem, das bestehende Funkstationen im Mittel- und Ultrakurzwellenbereich nutzt. Dabei wird die Entfernung eines Schiffs zu den verschiedenen R-Station gemessen und so seine geographische Position berechnet. "Dieses System stellt ein alternatives terrestrisches Navigationssystem dar, welches als Backup fungiert und damit eine verlässlichere Positionierung eines Schiffs ermöglicht", sagt Stefan Gewies vom DLR-Institut für Kommunikation und Navigation. Da hierfür bereits existierende Funkstationen einfach erweitert werden, sind die Kosten der Bereitstellung deutlich geringer als bei einem völlig neuem System. Somit können im länderübergreifenden Verbund eine alternative Positionsbestimmung sichergestellt werden, die mit denen von globalen Navigationssatellitensystemen verglichen werden kann. Fallen Satellitensignale aus oder werden gestört, so muss eine nahtlose Umschaltung auf das neue System möglich sein. "Dies ist wichtig, da sich in absehbarer Zukunft auch hochautomatisierte Steuerungssysteme zur Führung eines Schiffes auf die Funktion der elektronischen Brückensysteme verlassen müssen," erklärt Stefan Gewies.
Weltweit erstes großflächiges Testfeld in der Ostsee
Für den Praxistest arbeiten die DLR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit internationalen Partnern zusammen und bauen das weltweit erste großflächige R-Mode Testfeld auf. Hierzu wurden bisher sieben Funkbarken (Mittelwellen R-Mode Stationen) entlang der Küsten in Deutschland, Schweden und Polen umgerüstet. Sie senden hochgenaue zeitlich synchronisierte R-Mode Signale in den Ostseeraum ab, wo sie von Schiffen genutzt werden können. Für die Echtzeitverarbeitung der Signale entwickelten die Forscherinnen und Forscher eine Empfängerplattform.
Anfang September 2020 testete das Forscherteam erstmals erfolgreich das System in der südlichen Ostsee. "Uns ist es damit zum ersten Mal gelungen, in Echtzeit eine R-Mode unterstützte Entfernungsschätzung und Positionierung auf See durchzuführen," erklärt Stefan Gewies. Bei den Tests verfolgten die Forscherinnen und Forscher in einem Zeitraum von 90 Minuten den Routenverlauf eines Schiffes unter Nutzung der Signale von drei bis vier Stationen. Dabei konnte die Position des Schiffs auf 20 Meter genau bestimmt werden.
Weitere Entwicklungen und Tests sind geplant
Die Messfahrten haben gezeigt, dass sich die Position eines Schiffs auch beim Ausfall des primären Satellitennavigationssensors durch R-Mode bestimmen lässt. Zudem wurden bei der Kampagne wertvolle Daten aufgezeichnet, die in den kommenden Monaten weiter ausgewertet werden. Im weiteren Verlauf des Projektes wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren, wie sich die Positionsergebnisse weiter verbessern lassen und in welchen Bereichen R-Mode genutzt werden kann. Darüber hinaus wird bis März 2021 das Versuchsfeld mit insgesamt acht Mittelwellen-R-Mode Sendern komplettiert.