Atmosphärenforscherin Prof. Dr. Christiane Voigt berichtet von den Forschungsflügen der Mission BLUESKY
Schwerpunkt: Luftfahrt, Klimawandel
Weltweit wurden in diesem Frühjahr aufgrund der CoViD19-Pandemie die Aktivitäten in Ballungszentren heruntergefahren. Noch immer bewegen sich nur wenige Flugzeuge in der Luft. Die Erdatmosphäre ist daher deutlich weniger mit anthropogenen Emissionen aus Verkehr und Industrie belastet. Wissenschaftler erforschen in der Mission BLUESKY wie sauber die Luft in Zeiten der Corona-Pandemie ist und ob der Himmel wirklich blauer erscheint. Prof. Dr. Christiane Voigt vom Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist hautnah dabei und leitet den wissenschaftlichen Einsatz der DLR-Falcon 20E. Im Interview spricht sie über diese besondere Chance für die Atmosphärenforschung, Anflüge drei Meter über dem Boden, aus dem Homeoffice gesteuerte Instrumente und erste Tendenzen der Messungen.
Interview von Falk Dambowsky
Seit vielen Jahren sind Sie bei Forschungsflügen rund um die Welt unterwegs. Wie fühlt es sich an mit einer Flugkampagne in der Luft zu sein, wo derzeit die meisten Flugzeuge am Boden stehen?
Es ist gerade für die Atmosphärenforschung eine sehr spannende Zeit. Durch die Regelungen aufgrund von Corona gelangen derzeit weniger anthropogene Schadstoffe in die Atmosphäre. Weltweit erstmals mit Forschungsflugzeugen die Zusammensetzung der Atmosphäre unter diesen besonderen Bedingungen zu untersuchen, ist eine besondere Chance für die Wissenschaft und ich jeden Tag eine tolle Motivation für unsere Arbeit.
Was waren die Herausforderungen bei der Missionsvorbereitung in dieser besonderen Zeit der Pandemie?
Zunächst waren wir ja weitestgehend an das Homeoffice gebunden und es mussten neue Wege gefunden werden, Zulassungstätigkeiten für die Instrumente und die Flugzeuge abzuschließen. Der DLR Flugbetrieb hat hier großartiges geleistet. Wir hatten das Glück, dass viele wichtige Instrumente bereits für andere Kampagnen an Bord von HALO und Falcon integriert waren und nur einige modifiziert und neu installiert werden mussten. Um die Flugzeuge trotz der Einschränkungen möglichst schnell in die Luft zu bringen und gleichzeitig die Anzahl der anwesenden Personen möglichst gering zu halten, arbeiteten wir in einem täglichen Schichtbetrieb. Und auch jetzt in der aktiven Kampagnenphase arbeiten wir weiter in Minimalbesetzung. Eine der innovativen Weiterentwicklungen durch Corona ist sicher die verstärkte Automatisierung der Instrumente. Durch Corona gab es den dringenden Bedarf, Instrumente während der Vorbereitung und der Forschungsflüge vom Homeoffice zu monitoren und zu steuern.
Als wissenschaftliche Leiterin der Falcon-Flüge tragen Sie bei dieser Mission Verantwortung und planen die Flugrouten und das Messprogramm. Welche Aspekte fließen in die Planungen ein?
Zuerst mussten die vielversprechendsten Ziele gefunden werden, die Orte an denen besonders große Änderungen der Zusammensetzung der Atmosphäre durch die CoViD-19 Regelungen erwartet werden. Den Luftverkehr betreffend, hat die Anzahl der Flüge über Europa im April 2020 im Vergleich zum Vorjahr um fast 90 Prozent abgenommen. Die daraus entstehenden Änderungen an Aerosol und Stickoxiden möchten wir in Reiseflughöhen über Deutschland und dem Nordatlantischen Flugkorridor messen und richten unsere Routen danach. Außerdem interessieren uns die Effekte der verringerten Emissionen durch Industrie und Straßenverkehr am Boden. Hierzu haben wir Satellitendaten bei der Planung genutzt, um die Flugzeuge direkt in die Grenzschicht von bislang stark verschmutzten Regionen wie zum Beispiel dem Ruhrgebiet und der Region um Mailand zu schicken. Die Flüge in die Grenzschicht unterhalb von zwei Kilometer sind eine besondere Herausforderung für die Piloten und die Crew. Extrem spannend sind auch die niedrigen Anflüge in 3 Metern Höhe an den weitgehend freien Flughäfen in Berlin und Frankfurt. Zu normalen Zeiten können wir dort nicht so gezielt tief fliegen.
Einige Flüge über Deutschland bis nach Norditalien und Westeuropa sind bereits absolviert. Was für Tendenzen zeigen sich bereits jetzt in den Messungen?
Die ersten Messungen der Falcon zeigen einen leichten Rückgang der Aerosole in der oberen Troposphäre über Deutschland. Die Aerosolkonzentration ist dort derzeit ähnlich niedrig wie in der unbelasteten Luft der Südhalbkugel. Neben verschiedenen anderen Parametern lassen die niedrigeren Aerosolkonzentrationen in der Luft den Himmel momentan blauer erscheinen, passend zum Namen der Mission BLUESKY. Aerosole entstehen unter anderem bei der Verbrennung fossiler Energieträger sind kleine fein verteilte Partikel in der Luft. Sie beeinflussen die Strahlungsbilanz unserer Atmosphäre, denn sie streuen und absorbieren Sonnenstrahlung und haben so auch einen Einfluss auf die Wolkenbildung, auf unser Klima und das Blau des Himmels. Außerdem zeigt sich, dass es deutlich weniger Kondensstreifen als im Vorjahr gibt. Das sehen wir auch sehr deutlich in Satellitendaten und die Experimentatoren berichten es von den Flügen.
Mit Falcon und HALO sind weltweit erstmals zwei Flugzeuge im Forschungseinsatz, um die Besonderheiten der Atmosphäre unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie zu untersuchen. Wie ergänzen sich beide Flugzeuge bei dieser Mission?
Beide Flugzeuge unterscheiden sich zunächst in ihrem Einsatzspektrum. Die Falcon ist sehr robust und kann besonders gut in der Troposphäre und bei Tiefflügen in die Grenzschicht eingesetzt werden. Sie ist mit Instrumenten zur Messung von Aerosolen und Wolkeneigenschaften ausgestattet und besitzt eine kleinere Spurengasinstrumentierung. HALO kann größere Distanzen zurücklegen und bis hinauf in die Stratosphäre in 15 Kilometern Höhe fliegen. Die Instrumentierung an Bord von HALO ist stärker auf die Atmosphärenchemie ausgerichtet.
Mit dem Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, der Goethe-Universität Frankfurt sowie dem Forschungszentrums Jülich und dem Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sind mehrere namhafte deutsche Partner an der Mission wissenschaftlich beteiligt. Wie fördert die Zusammenarbeit die gemeinsame Mission?
Das Max-Planck-Institut für Chemie um Jos Lelieveld leitet wissenschaftlich die Flüge des Forschungsflugzeugs HALO, wie das MPIC betreiben auch die Universität Frankfurt, das Forschungszentrum Jülich und das KIT verschiedene Aerosol und Spurengasinstrumente auf HALO. Unsere wissenschaftlichen Expertisen ergänzen sich hervorragend und die BLUESKY-Mission profitiert sehr von der Kooperation der beiden Flugzeug-Teams. Gemeinsam stimmen wir uns bei der Flugplanung eng ab und auch bei der Auswertung der umfangreichen Datensätze planen wir zusammenzuarbeiten. Jeder Partner hat Zugriff auf frühere Messreihen, die zusammen eine umfassende Charakterisierung der Atmosphäre heute und zu Zeiten vor Corona erlauben.
Auf welche der noch geplanten Flüge freuen Sie sich besonders und wie verläuft die weitere Auswertung der Messungen?
Besonders freue ich mich auf die Strecke Richtung Nordatlantik. Zum einen sind diese Flüge eine größere logistische Herausforderung mit einer Zwischenlandung der Falcon in Shannon/Irland, zum anderen bietet der aktuell wenig beflogene Nordatlantische Flugkorridor die interessante Möglichkeit, die Emissionen des Luftverkehrs besser zu verstehen. Hier erwarten wir eine noch sauberere Hintergrundluft als über dem europäischen Kontinent, um den Rückgang der Luftverkehrsemissionen durch das geringere Luftverkehrsaufkommen im Detail zu erfassen. In den nächsten Monaten werden wir dann gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Chemie und den weiteren Partnern ausführliche quantitative Analysen vornehmen, in denen Unterschiede der heute weniger belasteten Atmosphäre zu früheren Messungen herausgearbeitet werden soll. Mit Ergebnissen dieser Auswertungen rechnen wir bis etwa Ende 2020. Zudem sind im kommenden Jahr weitere Vergleichsmessungen geplant, um die Zunahme der Emissionen nach dem Corona-Lockdown zu verfolgen.