7. November 2019

Merkur vor der Sonne

  • Nach dreieinhalb Jahren findet am 11. November 2019 wieder ein Merkurdurchgang, auch Merkurtransit genannt, vor der Sonne statt. Dieses Ereignis setzt voraus, dass sich Erde, Merkur und Sonne auf einer Linie befinden!
  • Das Naturschauspiel kann in Mitteleuropa ab 13:35 Uhr MEZ bis Sonnenuntergang verfolgt werden
  • Auf geeignete Schutzmaßnahmen (geprüfte Sonnenfilter) ist bei jeder Sonnenbeobachtung mit oder ohne Gerät unbedingt zu achten!
  • Der darauffolgende Merkurtransit wird sich erst wieder in 13 Jahren am 13. November 2032 ereignen und in Europa je nach Standort entweder vollständig oder von Sonnenaufgang an zu sehen sein.
  • Die viel selteneren Durchgänge der Venus dienten früher dazu, die Distanz Erde-Sonne absolut zu bestimmen und das Planetensystem zu skalieren. Heute lassen sich Planeten ferner Sterne durch solche Transits aufspüren.
  • Merkurdurchgänge lieferten das Datenmaterial um auf eine Besonderheit der Periheldrehung des Planeten aufmerksam zu werden, die erst mit Einsteins Raumzeitkrümmung zutreffend erklärt werden konnte.

Nach dreieinhalb Jahren ist es nun wieder soweit: Am 11. November dieses Jahres wird der "Götterbote" Merkur in den frühen Nachmittagsstunden als winziges schwarzes Scheibchen vor der Sonnenscheibe einher ziehen - ein astronomisches Naturschauspiel, das sich in 46 Jahren fünf- bis siebenmal wiederholt, in einem ganzen Jahrhundert nur 13 bis 14 Mal.

"Damit wir Merkur vor der Sonne überhaupt sehen können, muss sich der Planet sehr nah am erdzugewandten Schnittpunkt seiner Planetenbahn mit der Erdbahnebene aufhalten und gleichzeitig mit Erde und Sonne annähernd auf einer Linie stehen", erläutert DLR-Astronom Dr. Manfred Gaida. "In 46 Jahren wiederholt sich diese besondere Konstellation immerhin fünf bis siebenmal und dann können wir beobachten, wie Merkur als winziges schwarzes Scheibchen über die helle Sonnenscheibe hinwegzieht. Während der Neumond bei einer totalen Sonnenfinsternis die Sonnenscheibe gänzlich bedeckt, sind es bei einem Merkurtransit nur vier Hunderttausendstel der leuchtenden Fläche. Dass wir nicht jedes Mal einen Merkurtransit beobachten, wenn der knapp 5000 Kilometer große Planet in Blickrichtung zur Sonne kommt, liegt daran, dass seine Bahn gegenüber der Erdbahn etwas geneigt ist, nämlich um 7 Grad. Er wandert dann also - für uns unsichtbar - meist ober- oder unterhalb an der Sonne vorbei."

Die ersten Beobachtungen

Bereits Johannes Kepler (1571 – 1630) glaubte im Mai des Jahres 1607 den Planeten Merkur vor der Sonne entdeckt zu haben, bis er im Nachhinein einsah, dass es sich in Wirklichkeit um einen Sonnenfleck gehandelt hatte, den er irrtümlich für das Merkurscheibchen hielt. Die allererste echte, wenngleich unvollständige Beobachtung eines Merkurdurchgangs wird dem französischen Mathematiker, Theologen und Astronomen Pierre Gassendi (1592 – 1655) sowie drei weiteren Beobachtern zugeschrieben, die am 7. November 1631 anhand der Berechnungen Keplers den vor der Sonne entlangziehenden Merkur auffanden. Allerdings ließ sich mit den Methoden und Linsen der damaligen Zeit der Vorgang noch nicht hinreichend scharf abbilden, sondern der innerste Planet des Sonnensystems erschien in der Projektion bloß als ein diffuser, schwarzer Fleck vor der hellen Sonnenscheibe. Doch war man nun in der Lage, die Bahn des ansonsten schwierig zu beobachtenden Planeten Merkur genauer zu berechnen, denn man hatte einen weiteren, verlässlichen Bezugspunkt gewonnen. Außerdem überraschte die geringe Größe des Merkurscheibchens.

Die erste gute und vollständige Beobachtung erzielte 46 Jahre später der junge englische Astronom Edmond Halley (1656 – 1742), als er, 21 Jahre alt, am 7. November 1677 während einer astronomischen Expedition auf der Insel St. Helena einen Merkurdurchgang beobachtete. In der darauffolgenden Zeit warb er intensiv dafür, dass der erdnähere Transit des größeren Planeten Venus es ausgezeichnet gestatten würde, die Astronomische Einheit, den Abstand Erde-Sonne, zu bestimmen, worauf schon sein Zeitgenosse James Gregory 14 Jahre zuvor in seinem mathematischen Buch Optica promota hingewiesen hatte. Mit seinem Vorschlag schuf Halley die experimentelle Grundlage, die Entfernungen im Sonnensystem absolut zu bestimmen und somit eine uralte Fragestellung der Astronomie zu lösen. Noch heute erinnert auf St. Helena eine Steinplatte an Halleys zweijährigen Aufenthalt zur Vermessung des südlichen Sternenhimmels, kaum etwas mehr als einen Kilometer weit von Napoleon Bonapartes späterer, erster Grabstätte entfernt.

Der Ablauf am 11. November

Sofern am 11. November das Wetter mitspielt, tritt in Köln, der Hochburg des karnevalistischen "Elften-Elften", Merkur um 13:35 Uhr MEZ und 33 Sekunden in den linken östlichen Rand der Sonne ein. Etwa eindreiviertel Minuten später ist das Merkurscheibchen bereits ganz in die Sonnenscheibe eingetaucht. Zu diesem Zeitpunkt steht die Spätherbstsonne knapp 20 Grad im Südsüdwesten über dem Horizont. Das Merkurscheibchen selber ist mit ca. 10 Bogensekunden Durchmesser allerdings zu klein, als dass man es mit dem unbewaffneten Auge sehen könnte.

Daher ist in jedem Fall ein Fernrohr oder Fernglas mit mindestens einer 50fachen Vergrößerung für die Beobachtung erforderlich, um das winzige Planetenscheibchen als dunklen Punkt vor der hellen Sonnenscheibe ausmachen zu können. Doch aufgepasst: Weder mit dem bloßen Auge noch mit einem Fernglas, Fernrohr oder anderen optischen Geräten darf man ohne geeignete Schutzmaßnahmen direkt in die Sonne schauen! Auch Sonnenfilter am Okular sind tabu, denn sie können aufgrund der gebündelten Hitzewirkung platzen und die Retina (Netzhaut) wäre dem intensiven Sonnenlicht schutzlos ausgeliefert. Eine sichere, ungefährliche und zugleich bequeme Beobachtungsmethode des Transits ist nach wie vor die Projektion der Sonnenscheibe auf eine Leinwand oder eine ähnliche Fläche, was zudem erlaubt, dass mehrere Personen gleichzeitig die Bewegung des Merkurscheibchens auf der Sonne verfolgen können. Links für Live-Beobachtungen via Internet will u.a. die Wiener Kuffner-Sternwarte zusammenstellen.

Die Mitte des Durchgangs wird deutschlandweit gegen 16:20 Uhr MEZ erreicht. Merkur hat dann nur noch eine Distanz von knapp 1¼ Bogenminute zum Mittelpunkt der Sonnenscheibe; der Durchgang ist fast zentral und mit 5 Stunden und 29 Minuten von nahezu maximaler Dauer für einen Novembertransit. Die Sonne steht zu diesem Zeitpunkt in Köln allerdings nur noch dreieinhalb Grad Richtung Westsüdwest über dem Horizont, bevor sie eine halbe Stunde später zusammen mit Merkur untergeht. In Berlin fällt die Mitte des Durchgangs um 16:20 Uhr allerdings mit dem Sonnenuntergang zusammen. Erst am 12. November 2190 wird Merkur noch näher am Mittelpunkt der Sonnenscheibe vor der Sonne vorbeiziehen.

Für Astrofotographen wäre es hierzulande eine günstige Gelegenheit, die horizontnahe, ins rötlich-orangefarbene Licht hineingetauchte Sonnenscheibe mit dem Planeten Merkur davor zu fotografieren, eine freie Sicht bis zum Horizont vorausgesetzt. Doch auch hierbei sei - und das besonders weil die horizontnahe Sonne dem Betrachter eine gewisse Ungefährlichkeit vorgaukelt - eindringlich vor einer visuellen Beobachtung ohne ausreichende Schutzvorkehrungen gewarnt. Wer das Glück hat, sich außerhalb Deutschlands in einer weiter westlich befindlichen Zone, beispielsweise auf einer Insel im Atlantischen Ozean, an der amerikanischen Ostküste oder in Südamerika, aufzuhalten, wo der der Merkurdurchgang komplett, d.h. vom Eintritt in bis zum Austritt aus der Sonnenscheibe zu sehen ist, kann das Naturschauspiel noch bis 19:04 Uhr MEZ am Himmel verfolgen – und das auch bei einer größeren Sonnenhöhe. Für weltweite Standorte lassen sich genaue Einzelheiten zu Zeiten, Höhe und Richtung unter folgendem Link finden.

Vom Merkurdurchgang zu den Transits der Exoplaneten

Planetentransits oder Planetendurchgänge, wie wir sie in unserem Sonnensystem von der Erde aus bei Merkur und Venus beobachten, dienen heute den Astronomen dazu, extrasolare Planeten, kurz Exoplaneten genannt, bei anderen Sternen aufzuspüren. Denn wenn die Bahnebene eines solchen fernen Planeten genau in der Sichtlinie des Beobachters liegt, lässt sich mit hochempfindlichen Detektoren nachweisen, wie im Turnus der Umlaufperiode die Helligkeit des Zentralsterns kurzzeitig abnimmt, wenn der Planet vor ihm entlang unserer Sichtlinie vorbeizieht. Die sogenannte Transit- oder Durchgangsmethode, einen Exoplaneten aufgrund stellarer Helligkeitsänderungen "sichtbar" zu machen, ist ein effektives Nachweisverfahren, die sich diejenigen Wissenschaftssatelliten zunutze machen, die mit einem weltraumtauglichen Teleskop aus der Erdumlaufbahn (CoRoT, TESS), von einer sonnensynchronen Bahn (Kepler, Cheops [Start: Dez. 2019]) oder von einem Lagrangepunkt aus (PLATO [Start: 2026]) nach Exoplaneten such(t)en oder künftig suchen werden. Astronomisch hat sie sich aus der Beobachtung helligkeitsveränderlicher Sterne entwickelt.

Das zweite wirkungsvolle Verfahren, Exoplaneten zu detektieren, beruht auf der Messung der radial auf uns zu oder weg gerichteten Geschwindigkeitskomponente eines Sterns, um den ein oder mehrere Planeten ihre Bahn ziehen und ihn in eine Bewegung um den Massenschwerpunkt des Gesamtsystems versetzen. Diese Bewegung des Sterns spiegelt sich im Spektrum seines Lichts wider: Die Spektrallinien verändern periodisch ihre Position mal etwas mehr zum langwelligen, mal etwas mehr zum kurzwelligen Spektralbereich hin. Die Auslenkung und ihr zeitlicher Verlauf erlauben sichere Rückschlüsse auf die Existenz nichtleuchtender Körper um den Stern, auf unbekannte Planeten. Auf diese Weise wurde 1995 der allererste Exoplanet um den sonnenähnlichen Stern 51 im Sternbild Pegasus aufgefunden. Nach 14 Jahren wird den beiden Entdeckern, Michel Mayor und Didier Queloz, dafür am 10. Dezember der diesjährige Nobelpreis für Physik in Stockholm verliehen. Astronomisch hat sich diese Radialgeschwindigkeitsmethode aus der Vermessung und Charakterisierung von Doppel- und Mehrfachsternsystemen entwickelt.

Merkurdurchgänge, der Planet Vulkan und die Relativitätstheorie

Merkurdurchgänge dienen aber nicht nur dazu, die Transitmethode bei der Exoplanetensuche zu veranschaulichen, sondern sie ermöglichen in Kenntnis der genauen Kontaktzeiten bei der Sonnenpassage eine genaue Bahnbestimmung und Vorhersage künftiger Positionen des Planeten. Im Jahre 1859 vertiefte sich der französische Astronom Urbain Le Verrier (1811 – 1877), dessen Störungsrechnungen 1846 zur Entdeckung des Planeten Neptuns an der Berliner Sternwarte geführt hatten, gründlich in die Theorie der Bahnbewegung des Planeten Merkur. Dazu analysierte er unter anderem die Verläufe aller bis 1848 beobachteten Merkurdurchgänge zusammen mit einigen hundert Meridianbeobachtungen und konnte zeigen, dass seine Rechnungen nur dann mit den Beobachtungen Merkurs in Einklang zu bringen waren, wenn man dessen sogenannte Periheldrehung um 38 Bogensekunden pro Jahrhundert nach oben korrigiert. Le Verrier folgerte daraus, dass ein bislang unentdeckter, noch sonnennäherer Körper den kleinen Merkur auf seinem Bahnumlauf stört und bezeichnete diesen hypothetischen Planeten nach dem römischen Gott des Feuers als Vulcan. Im Jahre 1882 korrigierte der berühmte Astronom Simon Newcomb (1835 – 1909) Le Verriers Wert von 38 auf 43 Bogensekunden pro Jahrhundert.

Dass Merkurs elliptische Bahn nicht raumfest ist, sondern sich langsam dreht und dabei eine Rosettenbahn beschreibt, wusste man schon früh. Und auch der Grund war klar: Zogen doch alle anderen Planeten mit ihrer Schwerkraft an Merkurs Lauf, so dass sich dadurch allmählich der sonnennächste Punkt der Bahn, das Perihel, drehte und damit die Bahnellipse als Ganzes sukzessive ihre Orientierung änderte. Doch der gemessene Wert stimmte nicht mit der gängigen Theorie überein; mit Newtons bewährter Himmelsmechanik blieb eine Differenz von 43 Bogensekunden übrig. Doch einen dafür verantwortlichen Planeten Vulcan auf einer innermerkurischen Bahn oder einen sonnennahen Asteroidengürtel hatte man trotz intensiver Suche nicht entdecken können. Auch der Staub des Zodiakallichtes und die leichte Abplattung der Sonne infolge ihrer Eigenrotation schieden als Erklärungen aus. Erst Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie lieferte im Jahr 1915 die richtige Begründung: Das Gravitationsfeld der Sonne "verbeult" gewissermaßen den Raumbereich, in dem Merkur um die Sonne zieht und pfropft der klassischen Periheldrehung von 8,85 Bogenminuten pro Jahrhundert einen kleinen, aber zusätzlichen Anteil auf. Dieser Effekt, das relativistische Vorrücken des Perihels, der alle Planeten betrifft, wird umso stärker, je geringer der Sonnenabstand ist. Bei der Erde beträgt er lediglich nur noch vier Bogensekunden pro Jahrhundert.

Ausblick

Die ungewohnte, komplexe Metrik der einsteinschen Raumzeit muss auch notwendigerweise berücksichtigt werden, wenn man Raumsonden zum "Götterboten" Merkur und in die Nähe der Sonne schickt. Im Dezember 2025 wird der innerste Planet unseres Sonnensystems von der europäischen Raumsonde BepiColombo Besuch bekommen. Nach einer siebenjährigen Flugzeit und zahlreichen Swingby-Manövern soll die Raumsonde dann im Jahr 2025 in eine Umlaufbahn um den kleinen, sonnennahen heiß-kalten Planeten einschwenken, ihn mindestens anderthalb Jahre lang vor Ort erforschen und dabei auch den relativistischen Anteil der Periheldrehung überprüfen. Zu diesem Zeitpunkt müssen wir Erdbewohner dann nur noch sieben Jahre bis zum nächsten Merkurtransit warten.

Kontakt
MEZ
Sonnenhöhe
Sonnenazimut
Ereignis
1. Kontakt
13:35:33
19.5°
200° (SSW)
Merkur berührt den östlichen Sonnenrand
2. Kontakt
13:37:14
19.5°
201° (SSW)
Merkur befindet sich nun komplett vor der  Sonne
Transitmitte
16:19:46 
3.5°
237° (WSW)
Kürzeste Distanz zum Sonnenmittelpunkt
Sonnenuntergang
16:51
243° (WSW)

Merkur 80% des Sonnenradius vom Sonnenrand entfernt,
rötliche Verfärbung der Sonnenscheibe setzt ein

Kontakt

Melanie-Konstanze Wiese

Kommunikation Berlin, Neustrelitz, Dresden, Jena, Cottbus/Zittau
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof
Tel: +49 30 67055-639

Dr. Manfred Gaida

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Extraterrestrik
Königswinterer Str. 522-524, 53227 Bonn

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin