27. Juni 2019

Klimaauswirkungen von Wolken aus Flugzeugkondensstreifen können sich bis 2050 verdreifachen

  • Aus Flugzeugen emittierte Rußpartikel führen bei kalten und feuchten Bedingungen zur Bildung von Eiskristallen und bilden Kondensstreifen.
  • Diese anthropogenen Kondensstreifen-Zirren nehmen Einfluss auf das globale Klima.
  • Wichtige Gegenmaßnahmen sind die Verwendung von alternativen Treibstoffen mit  reduzierten Rußpartikel-Emissionen und die Entwicklung emissionsärmerer Flugzeugtriebwerke.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, Atmosphärenforschung, Klimawandel, emissionsarmes Fliegen

Unter feuchtkalten Bedingungen können Kondensstreifen von Flugzeugen und die sich aus ihnen entwickelnden Kondensstreifen-Zirren viele Stunden am Himmel verweilen. Ihre Auswirkungen auf das globale Klimasystem wurden in Emissionshandelsabkommen, die die Flugzeugemissionen beschränken sollen, bislang noch nicht erfasst. Dabei tragen Kondensstreifen in ähnlichem Ausmaß zur Erwärmung der Atmosphäre bei wie die gesamten CO2-Emissionen von Flugzeugen seit Beginn der Luftfahrt. Die Studie "Atmospheric Chemistry and Physics" des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die am 24. Juni 2019 in der Zeitschrift der European Geosciences Union (EGU) veröffentlicht worden ist, ergab, dass die Klimaauswirkungen von Kondensstreifen in Zukunft deutlich zunehmen - und sich bis 2050 verdreifachen werden.

Das Klimaschutzinstrument Corsia (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) der Vereinten Nationen, das ab 2020 als CO2-Kompensationssystem für die internationale Luftfahrt eingesetzt wird, ignoriert CO2-unabhängige Klimaauswirkungen des Luftverkehrs. "Es ist aber wichtig, die signifikanten Auswirkungen von Nicht-CO2-Emissionen wie den Kondensstreifen-Zirren auf das Klima zu untersuchen. Auch diese Effekte müssen bei der Einrichtung von Emissionshandelssystemen wie dem Corsia-Abkommen berücksichtigt werden", sagt Dr. Lisa Bock vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre und Hauptautorin der Studie. Dr. Ulrike Burkhardt, Co-Autorin und ebenfalls Atmosphärenforscherin am DLR, ergänzt: "Diese Effekte werden voraussichtlich sogar schneller zunehmen als die CO2-induzierten Auswirkungen, da CO2-Emissionen pro Personenkilometer bereits sinken und weiterhin an Maßnahmen zur Kraftstoffeinsparung geforscht wird".

Die Forscherinnen schätzen, dass der Effekt der Kondensstreifen-Zirren im Jahr 2050 dreimal größer sein wird als im Jahr 2006. In der Zeit wird der globale Flugverkehr voraussichtlich auf das Vierfache gegenüber 2006 anwachsen. Über Nordamerika und Europa werden die Klimaauswirkungen durch Kondensstreifen - den verkehrsreichsten Luftverkehrsgebieten der Welt - weiterhin mit Abstand am größten ausfallen, aber auch in Asien deutlich zunehmen.
DLR-Wissenschaftlerin Bock betont: " Die Kondensstreifen-Wolken selbst, sowie ihre Einflüsse auf die Erdoberfläche, sind laufende Forschungsthemen. Bisher gibt es noch große Unsicherheiten über die Gesamtklimaauswirkungen dieser Wolken insbesondere bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Oberflächentemperatur. Aber eines ist klar: Sie erwärmen die Atmosphäre."

Emissionsarmes Fliegen

Die Anzahl und Größe der Eiskristalle zum Zeitpunkt der Kondensstreifen-Bildung hängt von den Rußpartikelemissionen der Flugzeugtriebwerke ab. Werden sie reduziert, sinkt die Anzahl der Eiskristalle in neu gebildeten Kondensstreifen, was die Eigenschaften, Lebensdauer und Klimawirkung dieser menschenverursachten Höhenwolken verringert. Die Reduktion von Rußemissionen ist daher ein wichtiger Schritt zur Verringerung der Klimawirkung - allerdings ist dies vermutlich nicht genug. "Selbst wenn ein 90-prozentiger Rückgang der emittierten Partikel gelingt, wird es wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Klimaauswirkung von Kondensstreifen auf das Niveau von 2006 zu begrenzen", sagt Ulrike Burkhardt.
Eine weitere oft diskutierte Idee ist, Flüge durch die Regionen durch Umleitungen zu vermeiden, in denen sich Kondensstreifen mit hoher Klimawirkung bilden können. Bock und Burkhardt warnen jedoch vor Maßnahmen, die zu einem Anstieg der langlebigen CO2-Emissionen führen, insbesondere angesichts der aktuell noch bestehenden Unsicherheiten der Klimawirkung von Kondensstreifen-Zirren. Maßnahmen, die Rußemissionen reduzieren, sollten stattdessen vorgezogen werden.

DLR-Forschung an der Klimawirkung von Kondensstreifen

Im April 2011 veröffentlichten die Forscher des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre im Journal ‚Nature Climate Change‘, dass sich Kondensstreifen-Zirren etwas stärker auf das Klima auswirken als die gesamten, globalen CO2-Emmissionen der Flugzeuge seit Beginn des Luftverkehrs.

Die Auswirkung verschiedener Zusammensetzungen alternativer Treibstoffe auf die Partikelanzahl-Emissionen und die Eiskristallbildung wurde vom DLR, in Kooperation mit der NASA, im Frühjahr 2018 in der gemeinsamen Flugmesskampagne ND-MAX/ECLIF 2 (NASA/DLR-Multidisciplinary Airborne eXperiments/Emission and CLimate Impact of alternative Fuel) über Deutschland untersucht.
Im Januar 2019 veröffentlichten die DLR-Atmosphärenforscherinnen Ergebnisse aus Klimamodellrechnungen. Sie ergaben, dass reduzierte Rußanzahl-Emissionen aus Triebwerken die Eigenschaften und Lebensdauer von Kondensstreifen-Zirren stark verändern. Erst bei einer starken Reduktion dieser Emissionen ist auch die Klimawirkung stark verringert.

Wie Kondensstreifen entstehen und wirken

In Höhen von acht bis zwölf Kilometern - typischen Reisehöhen von Verkehrs- und Frachtmaschinen - wirken die Rußpartikel aus dem Abgasstrahl der Triebwerke als "Kondensationskeime" für Wassertropfen. Die Tropfen gefrieren zu Eiskristallen und bilden Kondensstreifen am Himmel. Diese menschenverursachten Wolken haben je nach Sonnenstand, also dem Winkel der Sonneneinstrahlung, Bodenbeschaffenheit und natürlicher Wolkenbedeckung einen kühlenden oder wärmenden Effekt. Ein Teil der Solarstrahlung wird von der Zirrus-Wolkendecke reflektiert. Das kühlt die Atmosphäre. Die Wärmestrahlung der Erde wird dagegen von der anthropogenen Wolkenschicht abgeschirmt und führt zur Erwärmung wie in einem Treibhaus. Forschungsarbeiten zeigen, dass die wärmende Wirkung die kühlende im Mittel überwiegt.

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