Woher zum Teufel kommen diese Spuren auf dem Mars?
- Das Gebiet Chalcoporos Rupes befindet sich im südlichen Marshochland etwa 1000 Kilometer westlich des Hellas-Einschlagsbeckens.
- Die Region ist durch eine starke Staubbedeckung und der Aktivität von Marswinden gekennzeichnet. Auffallend sind hier schmale, dunkle Linien, die sogenannte "Staubteufel", kleine Windhosen, auf den Boden gemalt haben.
- Daraus lassen sich die Windrichtungen in dieser Region rekonstruieren.
- Terrestrische Staubteufel werden typischerweise im Sommer in trockenen und Wüstenlandschaften beobachtet, zum Beispiel im Südwesten der USA, in Afrika, Australien oder China.
- Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Planetenforschung, Mars
Neue Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen High Resolution Stereo Camera (HRSC) an Bord der ESA Mission Mars Express von Anfang 2019 zeigen die Region Chalcoporos Rupes in der Südhemisphäre des Mars, die durch eine starke Staubbedeckung und der Aktivität von Marswinden gekennzeichnet ist. Diese "äolischen" Kräfte - nach Aeolus, dem Gott des Windes in der griechischen Mythologie - haben ein markantes Muster auf die Marsoberfläche gezeichnet und außerdem dunkle Dünen hinterlassen. Besonders auffallend sind unzählige schmale, dunkle Linien, die sogenannte "Staubteufel", kleine Windhosen, auf den Boden gemalt haben. Daraus lassen sich die Windrichtungen in dieser Region rekonstruieren.
Mars Express, die erste Planetenmission der Europäischen Weltraumorganisation ESA, umkreist seit mehr als 15 Jahren unseren Nachbarplaneten und wird den Mars bald zwanzigtausendmal umrundet haben. Das Kamerasystem HRSC fotografierte etwa bei jedem dritten bis vierten Marsumlauf einen Abschnitt der Marsoberfläche. Dabei erfolgt die systematische Verarbeitung der Kamera-Bilddaten am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte. Das Gebiet Chalcoporos Rupes befindet sich im südlichen Marshochland etwa 1000 Kilometer westlich des Hellas-Einschlagsbeckens - wenige hundert Kilometer südwestlich des Kraters Neukum, der erst im vergangenen Jahr nach dem Erfinder der HRSC, Gerhard Neukum, benannt ist, der am DLR und der Freien Universität Berlin gewirkt hat.
Wie ein Staubsauger legen kleine Windhosen den Untergrund frei
Bei den fadenartigen, schmalen, dunklen Streifen in den Aufnahmen handelt es sich um Spuren von kleinen Windhosen, sogenannten "dust devils" (zu Deutsch: Staubteufel), die durch atmosphärische Verwirbelungen erzeugt werden. Staubteufel auf dem Mars bilden sich ähnlich wie auf der Erde: Wenn der Marsboden während des Tages durch Sonnenlicht erwärmt wird, steigt die erwärmte Luft auf und erzeugt dabei einen Aufwind. Unter bestimmten Bedingungen beginnt dieser Aufwind dann zu rotieren, wodurch vertikale Luftwirbel entstehen. Durch Luftdruckunterschiede entsteht eine Sogwirkung, durch die Lockermaterial von der Oberfläche angehoben wird. Auf dem Mars ist dieses Lockermaterial Staub, auf der Erde kann es aber auch Sand oder Schnee sein. Wenn ein Staubteufel über die Marsoberfläche wandert, wirbelt er dabei eine dünne Schicht hellen Staubes vom Boden auf und das darunterliegende, dunkle Material kommt zum Vorschein. So entstehen diese feinziselierten, dunklen Spuren, die den zurückgelegten Weg der Staubteufel markieren.
Spuren von "dust devils" auf dem Mars können bis zu einige hundert Meter breit und mehrere Kilometer lang werden. Sie bilden sich hauptsächlich in den Nachmittagsstunden während der warmen Jahreszeiten (Frühling und Sommer), wenn die Oberfläche länger vom Sonnenlicht beschienen und dadurch stärker aufgeheizt wird. Es wurden aber auch schon Staubteufel in Wintermonaten beobachtet. Die Staubteufelspuren können gerade, kurvige oder gewundene Wege markieren und sich gegenseitig schneiden und überlagern. Ihre Lebensdauer ist relativ kurz, da sie insbesondere nach Staubstürmen im Zeitraum von einigen Tagen bis Monaten wieder von hellem Staub bedeckt werden und dadurch verschwinden.
Auf dem Mars sind Staubteufelspuren fast überall zu sehen. Besonders gut sind sie in den Ebenen Amazonis Planitia, Argyre Planitia und in Hellas Planitia, der Tiefebene im größten Einschlagsbecken auf dem Mars, Hellas, dokumentiert. Man findet sie aber auch in den Einschlagskratern Proctor und Russel in der Nähe des hier gezeigten Gebiets und in vielen anderen Regionen des Mars. Auch aktive Staubteufel wurden schon zufällig von den Marsrovern der NASA beobachtet, noch häufiger auch auf Satellitenbildern von der Marsoberfläche festgehalten. Werden solche Bilder in kurz aufeinanderfolgenden Abständen aufgenommen, kann man ihre Bewegung sogar in kleinen Animationen darstellen und ihre Geschwindigkeit berechnen. Beeindruckend sind beispielsweise die 21 Aufnahmen, die der Mars Exploration Rover Spirit am 15. Mai 2005 nahe seiner Landestelle im Krater Gusev in einem Kilometer Entfernung im Verlauf von fast zehn Minuten festgehalten hatte und die von der NASA zu einem "Daumenkino" zusammengefügt wurden.
Berechnungen ergaben, dass dieser Staubteufel eine Geschwindigkeit von zirka 17 Kilometern pro Stunde und einen Durchmesser von rund 35 Metern hatte. Messungen aus dem Orbit zufolge bewegen sich Staubteufel auf der Mars sehr viel schneller als solche auf der Erde. Auf der Erde gibt es dagegen nur sehr wenige aufgezeichnete Spuren, allerdings sind dafür direkte Beobachtungen von "dust devils" sehr viel häufiger. Terrestrische Staubteufel werden typischerweise im Sommer in trockenen und Wüstenlandschaften beobachtet, zum Beispiel im Südwesten der USA, in Afrika, Australien oder China.
Höhere Temperaturdifferenzen durch intensive Erwärmung während des Tages führen auf dem Mars dazu, dass "dust devils" sehr viel größer werden können als auf der Erde. Auf dem Mars können sie sich bis zu einer Höhe von acht Kilometern auftürmen und somit sehr effektiv Staub in die Marsatmosphäre einbringen. Abschätzungen gehen davon aus, dass alle Staubteufel auf dem Mars zusammengenommen genauso viel Material aufwirbeln können, wie ein globaler Staubsturm und somit wesentlich zu einem erhöhten Staubanteil in der Atmosphäre beitragen.
Bei den dunklen Ablagerungen in den beiden Einschlagskratern im Norden und Süden des Bildes 1 (rechts und links) handelt es sich um Sanddünenfelder. Diese bestehen auf dem Mars zum Großteil aus alter, vulkanischer Asche und sind deshalb dunkel. In diesem kontrastverstärkten Bild erscheinen sie leicht bläulich, sind aber in der Natur schwarz bis grau. Dunkle Dünenfelder kommen sehr zahlreich auf dem Mars vor und befinden sich häufig auf dem Boden von Einschlagskratern. Anders als anfangs vermutet, werden die Sande allerdings nicht in die Krater eingeweht und bleiben dort "gefangen", sondern haben ihren Ursprung im Krater selbst: Sie entspringen häufig an dunklen Lagen verschütteter Vulkanasche, die erst durch die Einschlagskrater wieder freigelegt wurden. Ein anschauliches Beispiel bietet der südliche (linke) Krater im Bild 1, dessen Kraterwand dunkle Erosionsrinnen (engl. gullies) zeigt. Die dunklen Sande rieseln aus einer Schicht in der Kraterwand heraus und werden entlang der Erosionsrinnen ins Kraterinnere transportiert, wo sie schlussendlich vom Wind zu Dünen aufgetürmt werden.
Die Farbe der Dünen und die Farbe des Marsbodens, der durch die Staubteufelspuren freigelegt wurde, ähneln sich sehr. Das liegt daran, dass nahezu die gesamte Marsoberfläche aus Vulkangestein besteht, das viel Eisen und Magnesium enthält und sehr dunkel ist - genau wie die Vulkanasche der Dünen. Der hellere Staub, der weite Teile der Marsoberfläche bedeckt, ist ockerfarben bis rötlich, weil er durch den Prozess der Oxidation sozusagen verrostet ist: Das ursprünglich dunkle Eisen in dem Staub reagierte mit dem wenigen Sauerstoff der Marsatmosphäre zu Eisenoxid und verfärbte sich dadurch rötlich. Die meisten Dünen auf dem Mars sind nicht staubbedeckt, weil ihr Material ständig verlagert wird und sich somit keine Staubschicht auf ihnen ablagern kann.
- Bildverarbeitung
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 3. Januar 2019 während Orbit 18.983 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt 13 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 23 Grad östlicher Länge und 53 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodelldaten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). - Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 51 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.