Digitalisierung der Luftfahrt: DLR-Institut für Test und Simulation für Gasturbinen in Augsburg eröffnet
- Interdisziplinäre Entwicklung von Triebwerken für Flugzeuge der Zukunft.
- „Virtuelles Triebwerk": weltweit einmalige digitale Forschungs- und Entwicklungsplattform im Aufbau.
- Kopplung von virtuellen Simulationen und realen Versuchen zur Prüfung und Validierung neuer Triebwerkslösungen
- Schwerpunkte: Luftfahrt, Digitalisierung, Industrie 4.0
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat am 31. Oktober 2018 in Augsburg eine neue Forschungseinrichtung eröffnet: Das Institut für Test und Simulation für Gasturbinen widmet sich speziell der Entwicklung von Triebwerken für die Flugzeuggeneration von morgen. Hierzu wird die digitale Forschungs- und Entwicklungsplattform „Virtuelles Triebwerk" aufgebaut sowie ein einzigartiges Prüfzentrum zur Validierung neuer Triebwerkslösungen. So sollen Flugzeuge künftig nicht nur sicher und leistungsstark sein, sondern auch möglichst umweltfreundlich, effizient und leise. Ein Schlüssel dazu bieten innovative Triebwerkstechnologien.
„Mit der Eröffnung des Instituts für Test und Simulation für Gasturbinen treibt das DLR die Digitalisierung in der Luftfahrt konsequent voran. Entsprechend der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen leisten wir mit der Luftfahrtforschung am DLR-Standort Augsburg einen strategisch bedeutenden Beitrag für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland", sagt Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR.
Die feierliche Eröffnung des neuen Luftfahrtforschungsinstituts des DLR fand im Technologiezentrum Augsburg statt, gemeinsam mit Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt im Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie (BMWi), Franz Josef Pschierer, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Energie und Technologie sowie weiteren angesehenen Vertreten aus Politik, Forschung und Industrie.
"Die Triebwerke der Zukunft müssen leiser, sauberer und ökoeffizienter werden, denn auch die Luftfahrt muss ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Das neue DLR-Institut in Augsburg für Test und Simulation für Gasturbinen ermöglicht hier innovative Forschung, die Zeit und Geld spart. Das Institut wird ein wichtiger Stützpfeiler der neuen Flugzeuggeneration sein", sagt Luft- und Raumfahrtkoordinator Jarzombek anlässlich der Institutseröffnung.
Aus Landessicht ergänzt Staatsminister Pschierer: "Die Region hat ein klares technologisches Profil und zeichnet sich durch innovative und technisch hoch spezialisierte Firmen aus. Durch das neue DLR-Institut gewinnt der Wirtschaftsstandort Augsburg weiter an Bedeutung. Zusammen mit Technologiezentrum und Innovationspark beheimatet Augsburg ein exzellentes Kompetenznetzwerk. Hier arbeiten Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammen."
„Virtuelles Triebwerk" weltweit einmalig
Europa hat seine Luftfahrtziele mit dem „Flightpath 2050" klar abgesteckt: So sollen Flugzeugtriebwerke zwischen 75 und 90 Prozent weniger Kohlendioxid und Stickoxide ausstoßen, der wahrgenommene Fluglärm soll um 65 Prozent reduziert werden. Auch ist angestrebt, die Kosten sowie die Dauer für die Entwicklung neuer Flugzeuge zu halbieren. Um diese ambitionierten Ziele erreichen zu können, müssen innovative Triebwerkstechnologien und Konzepte entwickelt werden. Das DLR-Institut für Test und Simulation für Gasturbinen baut dazu ein „Virtuelles Triebwerk" auf - eine digitale Plattform zur Optimierung von Triebwerkskomponenten und -bauteilen bis hin zu ganzen Triebwerken auf Basis von gekoppelten Simulationen.
"Triebwerksmodelle gibt es viele, aber das vom DLR konzipierte ‚Virtuelle Triebwerk‘ ist weltweit einmalig: Geplant ist die skalenübergreifende Darstellung eines kompletten Triebwerks und seiner Durchströmung im Rechner, in beliebiger Genauigkeit, mit Umkehrschub und zahlreichen weiteren Spezifikationen. Ich freue mich, dass wir mithilfe der neuen Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten unsere Führungsposition in der digitalen Luftfahrt künftig festigen und weiter ausbauen können", erklärt Prof. Rolf Henke, DLR-Vorstand für Luftfahrtforschung.
Im „Virtuellen Triebwerk" werden alle Teildisziplinen zu einer Einheit verbunden und bilden so einen digitalen Zwilling von Triebwerken. Damit ist es möglich, alle wesentlichen Leistungsparameter eines Triebwerkes, zum Beispiel Leistung, Gewicht, Wirkungsgrad, Lebensdauer und Zuverlässigkeit, genau zu berechnen. Die Experten in Augsburg arbeiten dabei mit anderen DLR-Instituten fachübergreifend und in enger Kooperation mit Industriepartnern zusammen.
Synchronisiert - reale und virtuelle Umgebung
Die digitalen Modelle werden in realen Versuchen maßstabsgetreu validiert. Hierfür entsteht am DLR-Institut für Test und Simulation für Gasturbinen ein einzigartiges MTC-Prüfzentrum, mit dem es weltweit erstmalig möglich sein wird, mechanische, thermische und chemische Lasten (Abgas) bei Turbinenkomponenten gleichzeitig zu prüfen. So können die Entwickler feststellen, ob die neuen Turbinenwerkstoffe oder innovativen Herstellungsverfahren den realen Anforderungen hinsichtlich Lebensdauer und Zuverlässigkeit auch gerecht werden. Darüber hinaus wird eine Schädigungsanalyse aufgebaut und ein Rasterelektronenmikroskop in Betrieb genommen, das nochmals einen kritischen Blick auf die Bauteile ermöglicht.
Ein weiteres Augenmerk gilt der Verarbeitung der Daten, die durch die Simulationen und Experimente gewonnen werden. Zur Auswertung nutzen die DLR-Wissenschaftler verschiedene lernende Methoden. Um Trends besser sichtbar zu machen, sollen die Ergebnisse künftig dreidimensional und interaktiv auf den jeweilige Prüfkörper projiziert werden, etwa durch „augmented reality". Ziel ist es, Simulation und Versuch so miteinander zu verknüpfen, dass Daten in Echtzeit zwischen virtuellen und realenen Versuchen ausgetauscht werden können. Die Validierung der Ergebnisse lässt sich dann im laufenden Versuch durchführen.
Das DLR-Institut für Test und Simulation für Gasturbinen ist derzeit im Technologiezentrum Augsburg (TZA) angesiedelt. Dort werden auf einem Rechencluster die ersten Lösungen für das „Virtuelle Triebwerk" aufgebaut und die dazu notwendigen numerischen Methoden entwickelt. In der großen Technikumshalle werden außerdem die ersten großen MTC-Versuchsstände für mehrachsige Belastung unter Turbinenbedingungen aufgestellt und in Betrieb genommen. Der Umzug in ein eigenes Institutsgebäude ist für 2022 vorgesehen, das unweit des DLR-Zentrums für Leichtbauproduktionstechnologe (ZLP) und des TZA auf dem Gelände des Augsburg Innovationspark errichtet werden soll.
Über das TZA
Das Technologiezentrum Augsburg (TZA) gehört zum sogenannten "Augsburg Innovationspark", der vom Freistaat Bayern, der Stadt Augsburg und vom Landkreis Augsburg unterstützt wird. Ziel ist es, einen führenden Entwicklungsstandort für Leichtbau, Ressourceneffizienz und Mechatronik aufzubauen. Bis zu 5.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze sollen hier entstehen. Das Herz des TZA ist eine 3.000 Quadratmeter große und 14 Meter hohe Technikumshalle mit zwei 20-Tonnen-Kränen. Derzeit haben sich dort 33 Unternehmen und Einrichtungen mit etwa 300 Mitarbeitern angesiedelt.