Alexander Gerst - Mission "horizons": Schutz vor Strahlenbelastung und Indoor-Tracking auf der ISS
- Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst testete mit Wireless Compose ein DLR-System zur Indoor-Ortung.
- Das System kann Menschen oder auch Geräte in Bereichen ohne GPS-Signal orten.
- Die Strahlungsmesser DOSIS 3D messen ununterbrochen die Teilchenstrahlung, der die Astronauten ausgesetzt sind.
- Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Digitalisierung, Gesundheit
Seit über einem Monat ist der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS und führt Experimente durch, die ihm Wissenschaftler mit ins All geschickt haben. In dieser Woche legte er unter anderem zwei kleine Tracking-Geräte an, mit denen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) seine Bewegungsspur verfolgen können. Eine Technologie, mit der Menschen im All aber auch in Bergwerken und anderen schwer zugänglichen Bereichen, geortet werden können. Zudem hat Gerst Strahlungsmessgeräte mit ins All genommen. Sie überwachen die Belastungen, denen die Astronauten ausgesetzt sind und warnen gegebenenfalls.
Die Spur des Astronauten auf der ISS
30 Minuten lang verfolgt das Experiment Wireless Compose am 12. Juli 2018 den deutschen ESA- Astronauten Alexander Gerst bei seinen Bewegungen im Columbus-Labor auf der Internationalen Raumstation ISS. Das autonom arbeitende System zur Indoor-Ortung bietet Möglichkeiten, Menschen oder auch robotische Systeme an schwer zugänglichen Orten oder bei Langzeitmissionen in der Raumfahrt zu verfolgen, um sie bei Gefahren schnell zu orten und zu retten. Auf der ISS schaltet Gerst für das Experiment zunächst alle fünf sogenannten Anchor-Motes im Columbus-Labor ein. Die kleinen, zirka zehn Zentimeter großen Kästchen empfangen das Signal des mobilen Trackingeräts und sind die Fixpunkte (Anchor) für die Berechnung der Position.
Indoor-Ortung in Extremen Umgebungen
Dann folgt eine kurze Schrecksekunde für Christian Strowik vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen, einem der beiden PIs (Principal Investigator) des Experiments: Zwei Anchor-Motes zeigen eine Fehlfunktion an. "Gut möglich, dass die Photovoltaikzellen nicht genügend Storm bieten, dann schaltet das Gerät auf Batteriebetrieb, das dauert einige Sekunden", hofft er. Alexander Gerst schwebt ein zweites Mal zu den Anchor-Motes und gibt Entwarnung: Alle Geräte zeigen grünes Licht an. Jetzt legt der Astronaut das mobile Trackinggerät an, eines ans Fußgelenk und eines an den Oberarm. Für zirka 30 Minuten werden die Wissenschaftler nun seine Bewegungsdaten erfassen, Gerst arbeitet in dieser Zeit seinen normalen Aufgabenplan ab, in diesem Fall Wartungsarbeiten im Columbus-Labor. "Unser Ziel ist es, die Bewegungen von Alex Gerst auf der ISS im dreidimensionalen Raum genau nachzuvollziehen. Mit unserem Experiment verfolgen wir nicht nur den Ort, an dem er sich befindet, wir kennen auch die Beschleunigung und Rotation seiner Bewegungen", beschreibt Strowik das Experiment.
Hilfe bei automatischer Inventarisierung
Für die drahtlose Datenübertragung auf der ISS nutzen die Forscher das sogenannte Ultrawideband, das einen sehr breiten, insgesamt 500 Megahertz weiten Frequenzbereich abdeckt. Das Ultrawideband wird häufig für Indoor-Kommunikation genutzt, weil es aufgrund seiner geringen spektralen Leistungsdichte andere Frequenzbereiche nicht stört und innerhalb der ISS unempfindlich gegenüber Reflektionen ist. Nach 35 Minuten legt Gerst das Trackinggerät wieder ab und schwebt zu allen fünf Anchor-Motes, um sie wieder umzuschalten.
Mit dem nächsten Datenpaket werden die Daten von der ISS zur Erde gefunkt und für die beiden DLR-Wissenschaftler beginnt die Auswertung. Neben dem Tracking von Menschen oder Gegenständen kann das System langfristig auch als Inventarisierungshilfe eingesetzt werden: "Die Entwicklung steht noch am Anfang, zukünftige Geräte werden viel leichter und kleiner sein. Gegenstände, die damit ausgestattet sind, können ihre Position senden und automatisch inventarisiert werden", sagt Martin Drobczyk, ebenfalls PI des Experiments. Neben der ISS wird das System derzeit auch im EDEN-ISS-Gewächshaus des DLR in der Antarktis getestet.
DOSIS-Messgeräte behalten Strahlungsdosis im Auge
Mit dem Experiment DOSIS 3D überwachen Dr. Thomas Berger und sein Team vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin kontinuierlich die Dosis kosmischer Strahlung, denen die Astronauten auf der ISS ausgesetzt sind. Alexander Gerst hat die insgesamt elf Päckchen mit den Strahlungsmessgeräten für seine Mission mit seinem Soyus-Raumschiff am 8. Juni 2018 zur ISS gebracht. Bereits drei Tage später, am 11 Juni, verteilte er die fünf Mal fünf Zentimeter großen, orangefarbenen Messgeräte im Columbus-Labor, die hier mit Klettverschlüssen an Ort und Stelle gehalten werden.
Zweihundert mal höhere Strahlenbelastung
Die Strahlenbelastung im All ist um ein Vielfaches höher als auf der Erde. Um die Dosis der hochenergetischen Teilchenstrahlung bei Langzeit-Mission besser einschätzen zu können, wird die Strahlung im Columbus-Labor seit 2009 durchgängig gemessen, so dass Berger bereits auf einen Langzeit-Datensatz zurückgreifen kann: "Im Durchschnitt messen wir in Columbus eine Strahlenbelastung von 700 μSievert pro Tag, das ist mehr als das Zweihundertfache im Vergleich zu der Dosis am Boden. Dabei ist die Abschirmung auf der ISS schon wesentlich besser als in der Vergangenheit bei Space-Shuttle-Missionen oder auf der russischen MIR-Station."
Warnung, wenn Gefahr besteht
Seit den Anfängen der Raumfahrt ist die Erfassung der Strahlenbelastung vor allem bei bemannten Missionen unverzichtbarer Bestandteil jedes Wissenschaftsprogramms. In den vergangenen Jahrzehnten wurden für die Raumfahrt unterschiedliche passive und aktive Strahlungsmessgeräte entwickelt. Die langjährige Erfahrung des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin hat bei diesen Entwicklungen eine entscheidende Rolle gespielt. Passive Dosimeter liefern einen über die Zeit summierten Wert der Strahlung, aktive messen aktuelle Expositionsraten. "Die aktiven Messgeräte warnen die Crew im Falle eines solaren Teilchenereignisses, bei dem die Strahlungsbelastung plötzlich stark ansteigen kann. Dann müssten sich die Astronauten für eine bestimmte Zeit in besser abgeschirmte Bereiche der ISS zurückziehen", beschreibt Berger.
Google Street View für die Wissenschaft
Gemeinsam mit der Firma ThinkSpace haben Berger und sein Team ein Tool entwickelt, mit dem auf einer Website die Werte der einzelnen DOSIS-Messgeräte interaktiv - ähnlich wie bei Google Street View - abgerufen werden können. "Wir sind das erste Experiment, das seine Messergebnisse so einer breiten Öffentlichkeit leicht zugänglich macht. Ziel ist, dass noch viel mehr Daten zu Experimenten auf der ISS auf diese Weise abgerufen werden können."