25. Juni 2018

Reiche Ernte im Antarktis-Gewächshaus EDEN-ISS: Tomaten und Gurken aus der Polarnacht

  • Gewächshaus in vollem Betrieb.
  • Halbzeit für Antarktisgärtner Paul Zabel.
  • Rund 100 Kilogramm Frischgemüse sind bisher geerntet und bereichern den Speiseplan der Überwinterer.
  • Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Biosysteme

Seit knapp sechs Monaten steht das Gewächshaus EDEN-ISS in der Antarktis, seit vier Monaten betreut Paul Zabel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Gewächshaus allein. Nun hat es den vollen Betrieb erreicht. Paul Zabel erntet dabei pro Woche im Schnitt 740 Gramm Tomaten, 1,8 Kilogramm Gurken und 400 Gramm Kohlrabi. Dazu verschiedene Kräuter, Salate und Radieschen. Die extremen Bedingungen in der Polarnacht bis minus 45 Grad Celsius fordern die Technik und liefern wertvolle Erkenntnisse für die zukünftige Pflanzenzucht auf Mond- und Mars sowie für die zukünftige Nahrungsmittelproduktion in klimatisch anspruchsvollen Regionen der Erde. Das frische Gemüse bereichert den Speiseplan der zehn Überwinterer auf der vom Alfred Wegener Institut betriebenen Neumayer-Station III und war auch ein Highlight zum Mittwinterfest.

"Die Arbeit im und am Gewächshaus ist sehr intensiv", sagt Paul Zabel. "Etwa die Hälfte meiner Zeit bin ich mit der Aussaat, Pflanzenpflege und der Ernte beschäftigt, die andere Hälfte der Zeit kümmere ich mich um die technischen Systeme des Gewächshauses sowie um die Ausführung der rund 40 Experimente und Validierungsprozeduren. Eine besondere Herausforderung für die Forscher ist immer wieder das Wetter berichtet EDEN-ISS Projektleiter Dr. Daniel Schubert. "Mitte Juni hatten wir einen tagelangen Sturm. In dieser Zeit mussten wir drei Tage lang das Gewächshaus aus Bremen steuern und überwachen". Am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme ist das Kontrollzentrum des Antarktisgewächshauses eingerichtet. Von dort aus können die Forscher per Videokonferenz mit Paul Zabel im Gewächshaus sprechen und bekommen die Bilder und technischen Daten aller Pflanzenpopulationen im Gewächshaus übermittelt, darunter die bisherige Ausbeute des wegweisenden Versorgungsexperiments. Auf einer Anbaufläche von insgesamt etwa 13 Quadratmetern sind mittlerweile 35 Kilogramm Gurken, 39 Kilogramm Salat, 17 Kilogramm Tomaten, sieben Kilogramm Kohlrabi und vier Kilogramm Radieschen gewachsen und abgeerntet. "Besonders gut gedeihen Gurken", erklärt Projektleiter Dr. Daniel Schubert. "Paprika und besonders die Erdbeeren sind anspruchsvoller in der Pflege."

Autark unter Extrembedingungen

Das EDEN-ISS Gewächshaus zeichnet sich im Unterschied zu bisherigen Pflanzenzucht-Experimenten in der Antarktis durch einen geschlossenen Kreislauf aus, in dem analog zu einer späteren Nutzung in der Raumfahrt oder in Wüsten auf der Erde alles Wasser, das nicht in den Früchten und Pflanzen steckt, wiederverwendet wird. Zudem analysieren die Forscher die Produktion von Sauerstoff durch die Pflanzen, die unter optimiertem künstlichen LED-Licht und mit Nährmittellösung besprüht (Aeroponik) ohne Erde und Sonnenlicht gedeihen. Einzige externe Unterstützung ist die Stromversorgung, die über die Neumayer-Station III bereitgestellt wird.

Auch der Härtetest der Gewächshaustechnik im antarktischen Winter ist wesentlicher Bestandteil des Gemüsezuchtexperiments. In den vergangenen Wochen hatte Paul Zabel etwa den Ausfall eines Regelungsventils im Kühlsystem, den Ausfall einer LED Lampe oder Unstimmigkeiten im komplexen Steuerungssystem zu meistern. "Oft musste ich nachts oder am Wochenende reagieren, was die Behebung teilweise erheblich erschwert hat. Immerhin steht das Gewächshaus 400 Meter entfernt von der Neumeyer Station III", erklärt er und sieht dabei die Anstrengungen als Dienst für die Wissenschaft: "Ein zukünftiges Gewächshaus auf einem anderen Planeten soll auch durchgehend in Betrieb sein. Daher sind die technischen Ausfälle und deren Reparatur wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse für uns."

Polarnacht, Halbzeit und Mittwinterfest

Bei all den Anstrengungen war es eine willkommene Abwechslung, dass die Überwinterungscrew auf der Station das Mittwinterfest feierte. "Die Wintersonnenwende, auch Mittwinter genannt, war ein ganz besonderer Tag für mich in der Antarktis", sagt Paul Zabel. "Dieser Tag markiert den Mittelpunkt der Polarnacht und auch die Halbzeit meines Aufenthalts in der Antarktis". Und Stationsleiter Bernhard Gropp berichtet: "An der Neumayer-Station haben wir Mittwinter mit einem gemeinsamen Festmahl gefeiert. Aber nicht nur dort, sondern auch im Alltag sind frisches Gemüse, Salat und Kräuter aus dem Gewächshaus eine echte Bereicherung, die wir nicht mehr missen möchten. Deshalb helfen auch alle Crewmitglieder gerne mit. Unsere Stationsköchin und Paul Zabel stimmen sich zudem eng zur optimalen Zubereitung des erntefrischen Gemüses ab."

In der Polarnacht kommt die Sonne nicht über den Horizont und es ist für die Forscher der Neumayer-Station III gegen 12 Uhr mittags nur ein heller Schein am Horizont zu sehen. Nach der Wintersonnenwende dauert diese Mittagsdämmerung von Tag zu Tag länger, bis Ende Juli die Sonne wieder über den Horizont steigt. Für die Forscher ist die wochenlang andauernde Dunkelheit der Polarnacht eine große Herausforderung. "Es fühlt sich schon etwas wie auf einem anderen Planeten an, wenn man aufgrund des fehlenden Tageslichtes nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden kann", sagt Zabel. "Dazu bezaubert die Antarktis in dieser Jahreszeit mit beeindruckenden Naturschauspielen. Die stundenlang andauernden Sonnenuntergänge zu Beginn der Polarnacht bleiben unvergesslich, genauso wie der beeindruckende Sternenhimmel und die Polarlichter."

Mittwintergrüße 2018 von der Neumayer-Station III
Während im antarktischen Sommer bis zu 50 Menschen an der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Institutes leben und arbeiten, wird es im Winter leerer: Dann sind nur noch ein Koch, drei Ingenieure, ein Arzt und vier Wissenschaftler vor Ort. Sie bilden das sogenannte Überwinterungsteam. Das aktuelle Überwinterungsteam 2018 sendet mit diesem Video Mittwintergrüße aus der Antarktis in die Welt...

Internationale Zusammenarbeit bei EDEN-ISS

Das Projekt EDEN-ISS wird in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Rahmen einer Überwinterungsmission auf der deutschen Neumayer-Station III in der Antarktis realisiert. Damit das Gewächshaus in der Antarktis funktioniert, arbeiten unter der Leitung des DLR zahlreiche weitere internationale Partner in einem Forschungskonsortium zusammen: Wageningen University and Research (Niederlande), Airbus Defense and Space (Deutschland), LIQUIFER Systems Group (Österreich), National Research Council (Italien), University of Guelph (Kanada), Enginsoft (Italien), Thales Alenia Space Italia (Italien), AeroCosmo (Italien), Heliospectra (Schweden), Limerick Institute of Technology (Irland), Telespazio (Italien) sowie die University of Florida (USA). Finanziert wird das Projekt aus Mitteln des Europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020 unter der Projektnummer 636501.

Neuigkeiten zum Projekt direkt aus der Antarktis gibt es über die EDEN-ISS-Kanäle auf Facebook und Instagram, sowie über den Hashtag #MadeInAntarctica auf Twitter. Gesammelte Informationen zum Projekt finden sich unter: www.DLR.de/EDEN-ISS.

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Paul Zabel

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Raumfahrtsysteme
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Dr. Daniel Schubert

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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Robert-Hooke-Str. 7, 28359 Bremen

Sebastian Grote

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