13. September 2017

Titanoxid in der Atmosphäre eines extrasolaren "heißen Jupiters"

Seit der ersten Beobachtung eines "Exoplaneten" sind inzwischen fast viertausend Planeten an anderen Sternen in unserer Milchstraße identifiziert worden. Nach diesen vielen Entdeckungen wenden sich die Wissenschaftler nun immer stärker Beobachtungen zu, die die Atmosphäre, deren Bestandteile und ihren Aufbau, untersuchen. Schwierig gestaltet sich insbesondere die Bestimmung der Stoffe und Elemente, aus denen diese Atmosphären zusammengesetzt sind: Bisher konnten nur eine gute Handvoll leichter Elemente wie Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff so wie Natrium und Kalium nachgewiesen werden. Nun konnte DLR-Nachwuchswissenschaftler Elyar Sedaghati zum ersten Mal mit dem Molekül Titanoxid ein schwereres Element in der Atmosphäre eines so genannten "heißen Jupiter" identifizieren und dieses Ergebnis in der rennomierten Zeitschrift "Nature" veröffentlichen.

Gemeinsam mit einem Team von neun weiteren Astronomen führte Sedaghati seine Untersuchung des Exoplaneten mit der Bezeichnung WASP-19b mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile durch. Entdeckt und untersucht wurde WASP-19b mit der sogenannten Transitmethode: Wenn der Planet vor seinem Stern vorbeizieht, fällt für diesen Zeitraum messbar weniger Licht auf den Sensor des Teleskops. Tritt diese winzige Lichtabnahme von einem Zehntel bis zu einem Hundertstel Prozent periodisch auf, weiß der Beobachter, dass es sich um einen Planeten handelt, der den Stern umkreist. Umgibt den Planeten eine Atmosphärenschicht, dann wird das Sternenlicht, das durch diesen Bereich tritt, in charakteristischer Weise verändert. Diese Signale sind winzig klein und lassen sich nur mit hochempfindlichen Messungen und raffinierten Auswertemethoden ausfindig machen.

Planet mit Schichtung und "Inversionswetterlage"

"Diese Phase, wenn der Planet vor die Scheibe des Sterns tritt, ist für die Untersuchung seiner Atmosphäre entscheidend", erklärt Dr. Elyar Sedaghati. "Winzige Variationen der Wellenlängen und der Intensität des Lichts, das uns von diesem Stern erreicht, ermöglichen durch einen Vergleich mit Atmosphärenmodellen die Bestimmung von einigen Eigenschaften der Atmosphäre und deren Bestandteile. Zwei Jahre lang haben wir diese Messungen immer wieder durchgeführt". Das Titanoxid (chemisch: TiO) in der Atmosphäre von WASP-19b, eines jupitergroßen Planeten, verriet sich als das Sternenlicht stark streuender Dunst.

Nicht nur die Entdeckung des vergleichsweise schweren Moleküls Titanoxid und Wasser in der Gashülle eines extrasolaren Planeten ist von wissenschaftlicher Bedeutung. "Es ist auch das erste Mal, dass wir etwas über die Struktur der Atmosphäre eines heißen Riesenplaneten an einem anderen Stern erfahren, dass er womöglich eine Schichtung hat, gewissermaßen eine Stratosphäre", erläutert Professor Heike Rauer vom DLR-Institut für Planetenforschung, die an der Studie mitgewirkt und Elyar Sedaghatis Doktorarbeit betreut hat. Ein klein wenig kann man den Titanoxid-Dunst mit der Ozonschicht auf der Erde vergleichen: Eigentlich wird eine Atmosphäre nach oben immer kälter, doch durch eine solche das Sternenlicht absorbierende Inversionsschicht wird es auf der Tagseite auf einmal wieder wärmer. "Diese Beobachtung öffnet die Tür für die Charakterisierung der Chemie von Atmosphären extrasolarer Planeten ein gehöriges Stück", ergänzt Rauer.

Das Team der Wissenschaftler um Sedaghati beobachtete WASP-19b mit dem FORS2-Instrument am VLT der Europäischen Südsternwarte (ESO) und sammelte Millionen von Einzelspektren in allen Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Um die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre herauszufinden, wurden spezielle Algorithmen angewendet, die auch unterschiedliche Temperaturen und die variierenden Eigenschaften von Wolken- und Dunstschichten berücksichtigen. Neben Titanoxid fanden die Astronomen auch Hinweise auf Wasser und Natrium. WASP-19b wurde bereits 2009 entdeckt. Es handelt sich um einen stark "aufgeblähten" Riesen-Gasplaneten ähnlich dem Jupiter mit etwa elf Prozent mehr Masse, aber einem etwa 40 Prozent größerem Durchmesser von an die 200.000 Kilometer. Die Temperatur seiner Atmosphäre dürfte bei mehr als 2000 Grad Celsius liegen. Die Ursache hierfür liegt in einer extrem engen Umlaufbahn von nur 2,4 Millionen Kilometern um den Stern WASP-19 im Sternbild Schiffssegel, den der heiße Gasriese in nur 19 Stunden umkreist. WASP-19 ist mit mehr als 11,5 Milliarden Jahren doppelt so alt wie die Sonne und hat wie diese einen Durchmesser von etwa 1,4 Millionen Kilometer und eine Oberflächentemperatur von über 5000 Grad Celsius.

In Zukunft auch Atmosphärenbestimmung bei erdähnlichen Exoplaneten

Messmethoden und Instrumente, wie sie in Sedaghatis Artikel beschrieben sind, werden in der nächsten Zukunft den Schlüssel dazu liefern, um herauszufinden, wie die Atmosphäre eines erdähnlichen Gesteinsplaneten beschaffen ist, der sich in der lebensfreundlichen Zone um seinen Stern befindet. So eine "zweite Erde" hat man bisher nicht gefunden. Die für 2026 geplante Mission PLATO der Europäischen Weltraumorganisation ESA, an der das DLR beteiligt ist, ist darauf ausgelegt, genau solche Planeten zu finden. Dann ist es natürlich sehr wichtig, dass entsprechende Messmethoden und Instrumente so weit entwickelt worden sind, um verlässliche Nachweise von Molekülen in der Atmosphäre eines erdähnlichen Planeten liefern zu können.

Am Beispiel der Erde wird ersichtlich, wie schwierig dieses Unterfangen ist: Die Atmosphärenschicht der Erde umhüllt den Planeten wie eine dünne Pfirsichhaut nur bis in etwa 100 Kilometer Höhe - bei einem Durchmesser der Erdkugel von über 13.000 Kilometern. Aus der Entfernung eines viele Lichtjahre entfernten hypothetischen Beobachters ist die Erdatmosphäre nur ein hauchdünner Ring, der den Planeten umgibt. Das Sternenlicht, das durch diesen dünnen Ring tritt, wird durch die Moleküle in der Atmosphäre verändert. Wenn es eine Stratosphäre gibt, also eine Luftschicht mit inversem Temperaturverlauf, dann senden bestimmte Moleküle Strahlung aus, die man mit entsprechend empfindlichen Geräten und Analysenmethoden nachweisen kann. Rauer sieht diese Arbeit als Schritt in Richtung eines großen Zukunftsziels: "Wir versuchen, mit vielen kleinen Schritten das Ziel zu erreichen: Die Entdeckung von Planeten, die ähnlich wie die Erde aus Gestein bestehen, Temperaturen haben, bei denen Wasser auf diesen Planeten vorhanden sein kann, und die von Atmosphären umgeben sind, die Leben auf solchen Planeten ermöglichen - eine Erde 2.0 gewissermaßen."

Kontakt

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Prof. Dr. Heike Rauer

Institutsdirektorin
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