Wie kam die Mission Cassini-Huygens zu ihrem Namen? - Ein historischer Streifzug durch die Saturnforschung
Nach 20 Jahren wird die erfolgreiche NASA/ESA-Mission Cassini nun am 15. September 2017 ihr Ende finden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war und ist an der Mission Cassini-Huygens von Anfang an technisch, wissenschaftlich und als im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) projektförderndes Raumfahrtmanagement beteiligt. In einer kleinen Serie von Beiträgen stellen wir noch einmal die Mission, ihre Experimente, den wissenschaftlichen Kontext, ihre wichtigsten Ergebnisse und die dabei geleisteten Beiträge des DLR und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen in Deutschland vor. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen historischen Abriss der Saturnforschung bis hin zur Cassini-Mission - die Namensgeber dieser Doppelmission spielten dabei eine bedeutende Rolle.
Der Planet Saturn ist seit alters her bekannt, gehört er doch zu den fünf Wandelsternen, die das "unbewaffnete" menschliche Auge am Firmament erkennen kann. In der Antike wurde ihm, benannt nach dem griechischen Gott der Zeit (gr. chronos) und dem römischen Gott des Ackerbaus (lat. satus = Saatkorn), der Wochentag Samstag (engl. Saturday) zugeschrieben, über den er als Tagesregent zu wachen hatte. Als langsamster der sichtbaren Planeten am Himmel erinnerte er die Menschen an den gemächlichen Gang pflügender Ochsen.
Bereits zu Zeiten des griechischen Philosophen Sokrates (469-399 v. Chr.) kannte man recht genau Saturns Umlaufszeit von 10.759 Tagen, was knapp 29,5 Jahren entspricht, und eine geringe periodische Veränderung seiner scheinbaren Helligkeit. Doch erst dem Fernrohr ist es zu verdanken, dass seit gut 400 Jahren der zweitgrößte Planet unseres Sonnensystems von seinem antiken Mythos befreit und wissenschaftlich systematisch erforscht werden konnte.
Saturn - ein Dreifachplanet?
Der erste, der Saturn durch ein Fernrohr sah, war der italienische Physiker und Universalgelehrte Galileo Galilei. Da sein Teleskop nur eine geringe Auflösung besaß, erschien ihm Saturns Ringsystem wie zwei Trabanten, "wie zwei Diener, die einen alten Herrn stützten", sodass er glaubte, einen dreikugeligen Planeten vor sich zu haben. Bei weiteren Beobachtungen stellte Galilei im Jahr 1612 fest, dass die beiden vermeintlichen Monde verschwunden waren - so, als habe Saturn wie in der Sage seine eigenen Kinder verschlungen - und dass sie einige Jahre später aber wieder auftauchten.
Der sonderbare Dreifachplanet zog nun die Aufmerksamkeit der Astronomen auf sich: Galileis Zeitgenossen, Christoph Scheiner (1573-1650) und Pierre Gassendi (1592-1655), sahen die beiden Nebenkörper als henkelartige Gebilde an, die mit Saturn verbunden waren. Der Jesuit Francesco Maria Grimaldi (1618-1663) erkannte dann um 1645 im Fernrohr eine ausgeprägte Abplattung des Planetenkörpers, was auf eine schnelle Eigenrotation hindeutete.
Christiaan Huygens löst das Rätsel
Der erste, der die sonderbaren Nebenkörper und Anhängsel richtig deutete, war der geniale niederländische Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens (1629-1695). Bei seinen umfangreichen, genauen Beobachtungen im Jahr 1655 stellte er fest, dass "der Planet von einem dünnen flachen Ring umgeben ist, der ihn nirgends berührt und zur Ekliptik geneigt ist."
Am 25. März jenes Jahres entdeckte Huygens auch den ersten 'echten' Saturnmond und verfolgte dessen Bewegung einige Monate lang, solange Saturn hoch am nächtlichen Himmel stand. Die Beobachtungen ergaben für diesen neuen, ersten Saturnmond eine Umlaufszeit von 16 Tagen, und schon ein Jahr darauf erschien in Den Haag eine Veröffentlichung mit dem Titel "De Saturni luna observatio nova", über den neubeobachteten Mond des Saturn, wie ihn Huygens schlicht bezeichnete. Erst 1847 sollte er seinen endgültigen Namen 'Titan' bekommen, als John Herschel, der Sohn des deutsch-britischen Astronomen und Musikers William (Wilhelm) Herschel (1738-1822), die zu dieser Zeit bekannten sieben Monde nach den Geschwistern Saturns, den Titanen und Titaniden, benannte. Da Saturn der Mythologie zufolge seine eigenen Nachkommen bis auf Jupiter verschlungen hatte, blieben eben nur seine Geschwister als Namensgeber übrig.
Mit der Entdeckung Titans war 1655 die Zahl der um die Sonne kreisenden Himmelskörper auf zwölf angewachsen: Die vier inneren Planeten mit dem Mond der Erde, Jupiter mit den vier 'Galileischen Monden', sowie Saturn und Titan. Ob diese im biblischen Sinne vollkommene Zahl zwölf für Huygens ein Grund war, nicht nach weiteren Monden Ausschau zu halten, steht bis heute buchstäblich in den Sternen.
Giovanni Domenico Cassini ist der frühe "Herr der Ringe"
Bald darauf machte sich der französische Astronom italienscher Herkunft und erste Direktor des Pariser Observatoriums, Giovanni Domenico Cassini (1625-1712), dessen Todestag sich am 14. September 2017 zum 205. Mal jährt, daran, Saturns Rotationszeit zu bestimmen. Zwar sah er mit seinem Beobachtungsinstrument Wolkengürtel auf dem Planeten, jedoch so schwach, dass er mangels irgendwelcher Strukturen außerstande war, einen Wert für die Rotationsdauer zu ermitteln. Dies sollte erst mehr als hundert Jahre später 1794 Friedrich Wilhelm Herschel gelingen.
Auch wenn sein Versuch, die Rotationszeit Saturns zu bestimmen, fehlschlug, war Cassini ein überaus erfolgreicher Saturnbeobachter. Nachdem man nun erkannt hatte, dass der Planet weder Nebenkugeln noch Henkel besaß, sondern von einem dünnen flachen Ring umgeben war, wurde dieser eifrig beobachtet und studiert. Cassini vermutete als erster, die Ringe würden aus einzelnen Partikeln bestehen, und entdeckte im Jahr 1675 die nach ihm benannte "Cassinische Teilung" - eine auffallende Lücke, die den Ring in einen helleren inneren und einen etwas dunkleren äußeren Ring teilt. Ferner entdeckte er die Monde Iapetus (1671), Rhea (1672), Tethys (1684) und Dione (1684) und bemerkte zu Iapetus, dass "es den Anschein hat, als ob ein Teil seiner Oberfläche unfähig ist, das Sonnenlicht, das ihn sichtbar macht, so gut zu reflektieren wie der andere Teil". Erst mit Hilfe der Cassini-Raumsonde konnte das Iapetus-Rätsel einigermaßen befriedigend gelöst werden.
Es sollten noch gut einhundert Jahre vergehen, bis - angeregt durch die auf Mondabstände angewandte Titius-Bodesche Regel (mit der die immer größer werdenden Abstände zwischen den damals bekannten sechs Planeten mathematisch zu erklären versucht wurde) - zwei weitere Saturnmonde, Mimas und Enceladus, im Jahr 1789 von Friedrich Wilhelm Herschel aufgespürt wurden. Bis heute ist die Zahl der Saturnmonde auf 62 angewachsen.
Im Fokus: die Beschaffenheit der Saturnringe
Die Struktur der Saturnringe auch theoretisch zu verstehen, galt als große Herausforderung für die Astronomen, Physiker und Mathematiker des 18. und 19. Jahrhunderts. Cassinis Sohn, Jaques Cassini (1677-1756), wies schon im Jahr 1705 als Erster darauf hin, dass die Ringe nicht fest sein konnten. Der große französische Naturforscher Pierre Simon de Laplace (1749-1827) folgerte schließlich anhand seiner himmelsmechanischen Analysen zutreffend, dass nur ein System aus vielen schmalen konzentrischen Ringen stabil sei, wohingegen ein starres, festes Gebilde schon bei einer kleinen Störung zerbrechen und auf den Saturn stürzen würde. Sein Landsmann Édouard Albert Roche (1820-1881) nahm 1849 an, das Ringsystem sei einst durch einen von Gezeitenkräften zerrissenen Mond entstanden, wofür James Clerk Maxwell (1831-1879) zwei Jahrzehnte später den theoretischen Beweis erbrachte. Maxwells Annahme über die physikalische Struktur der Ringe wurde 1895 von James Edward Keeler (1857-1900) bestätigt. Im Jahr 1911 sprach Henri Poincaré dann den gegenseitigen Kollisionen der Ringteilchen eine wesentliche Rolle für die Entwicklung des Ringsystems zu. Zunehmend fotografische und spektroskopische Untersuchungen des Ringsystems, von der Erde und von Raumsonden aus, haben bis heute eine schier unfassbare Fülle an Erkenntnissen geliefert und gleichzeitig viele neuen Fragen aufgeworfen.
Saturn - ein gescheiterter Stern?
Erste Überlegungen über die physikalischen Eigenschaften des Ringplaneten finden sich schon bei Isaac Newton (1643-1727) in seinem dritten Buch der Mathematischen Prinzipien. Darin berechnet Newton Saturns Masse anhand der Umlaufszeit des Titan zu 1/3021 der Sonnenmasse und seine mittlere Dichte zu 2/3 der mittleren Sonnendichte an - Werte, die zwar nach heutigen Verständnis nicht exakt, aber qualitativ durchaus brauchbar waren. Doch es dauerte lange, bis man mehr über Saturns Aufbau und die Zusammensetzung seiner riesigen Gasatmosphäre herausbekam. Weitere Ansätze gehen auf den schottischen Ingenieur James Nasmyth (1808-1890) zurück, der die thermisch ablaufenden Prozesse mit denen verglich, wie sie auf der frühen heißen Erde mit ihrer ausgeprägten Wasserdampfatmosphäre vorgekommen sein sollten. Allerdings ging man zu seiner Zeit von einem Erdalter von höchstens einigen bis einigen zehn Millionen Jahren aus. Andere wiederum waren der Ansicht, Saturn sei, wie auch der Jupiter, ein gescheiterter Stern, ein Körper, der das stellare Stadium nicht erreicht hatte, und zudem gegenüber der Entwicklung Jupiters zurückgeblieben war. Doch beide Planeten bringen hierfür noch deutlich zu wenig Masse auf die Waage, als dass das stellare Feuer für eine Fusion von Wasserstoff zu Helium in ihnen zünden könnte.
Harold Jeffreys (1891-1989) war es dann, der in einer Reihe von Arbeiten zeigte, dass alle vier Gasplaneten des Sonnensystems kalte Körper sind. Auch stellte er erste Überlegungen über den inneren Aufbau von Saturn an, die einige Jahre später von dem deutsch-amerikanischen Astronomen Rupert Wildt weiterentwickelt wurden. Wildt ging davon aus, dass die meiste Masse Saturns in einem zentralen Gesteinskern steckt, wenngleich sein größtes Volumen von Wasserstoff und Helium erfüllt ist. Auf einem felsigen Kern von 44.800 Kilometern Durchmesser lastete seinen Berechnungen zufolge eine 9.800 Kilometer dicke Eishülle, die Saturns Atmosphäre mit einer Tiefe von 25.600 Kilometern vollständig umgab. Gewissermaßen war damit die Stunde der Planetologie gekommen und die Saturnforschung nahm im jungen 20. Jahrhundert verstärkt Fahrt auf, auch wenn sie in der Zeit des 2. Weltkriegs weitgehend zum Erliegen kam.
Ein Mond wie kein zweiter: geheimnisvoller Titan
Immer mehr setzte sich auch die Idee eines gemeinsamen Ursprungs aller äußeren Gasplaneten durch, was sich in den Modellierungen des inneren Aufbaus der Planeten widerspiegelte. Hinzu kam, dass man sich auch mehr dem sonderbaren allerersten Saturnmond widmete, den Huygens 1655 entdeckt hatte: Titan. Dieser Mond von der Größe des Planeten Merkur besaß eine selbst mit irdischen Großteleskopen undurchdringbare Atmosphäre, die sich aufgrund der Sonnenferne am Mondkörper halten konnte. Entdeckt hatte diese Atmosphäre der katalanische Astronom Josep Comas i Solá (1868-1937) im Jahr 1908 anhand der sogenannten Randverdunklung des Titanscheibchens. Auch wenn Solás Beobachtungen im Nachhinein einige Zweifel aufwarfen, waren sie doch ein Grund für James Jeans (1877-1946), Titan in seine Untersuchungen über Planetenatmosphären einzubeziehen. Der berühmte Planetenforscher Gerard Peter Kuiper (1905-1973), nach dem später der Kuipergürtel benannt wurde, konnte im Winter 1943/44 am amerikanischen McDonald Observatorium die Titanatmosphäre spektroskopieren und darin Methan und Ammoniak nachweisen.
Das Raumfahrtzeitalter: Pioneer 11, Voyager 1 und 2
Die Saturnforschung geriet schließlich auf einen Höhenflug, als im Zuge des Raumfahrtzeitalters die Raumsonden Pioneer 11 (1979), Voyager 1 (1980) und Voyager 2 (1981) am Saturnsystem vorbeiflogen und dabei den Planeten, seine Monde und sein Ringsystem aus allernächster Nähe studierten. Bei diesen Passagen entstanden einzigartige Bilder, die nicht nur die Wissenschaftler begeisterten. Vor allem zeigte sich die detaillierte Ringstruktur in ihrem wahren Ausmaß, und die unterschiedlichen Oberflächen der Monde ließen auf eine bewegte Vergangenheit schließen. Die Vorbeiflüge dieser Raumsonden selber waren sehr kurz, lieferten aber eine Fülle an neuen Erkenntnissen, ohne die die am 15. September 2017 zu Ende gehende Cassini-Huygens-Mission weder denkbar noch machbar gewesen wäre.
Das Projekt Voyager, bei dem mit zwei nahezu baugleichen Sonden die Planeten des äußeren Sonnensystems zum ersten Mal umfangreich erforscht wurden, gilt als einer der großen Meilensteine der Raumfahrtgeschichte. Nach ihrem Start im August und September 1977 nahmen zunächst Voyager 2 und dann Voyager 1 auf fast identischen Bahnen Kurs auf den Jupiter, den sie nach nur knapp zwei Jahren Flugzeit erreichten. Anschließend spreizten sich die Bahnen beider Sonden etwas stärker auf, sodass Voyager 1 am 10. und 11. November 1980 am Saturn vorbei flog, gefolgt von der Schwestersonde Voyager 2, die am 25. August 1981 den Ringplaneten passierte (von wo die Reise mit der legendären "Grand Tour" weiter zum Uranus und Neptun ging). Auch wenn es in beiden Fällen schnelle Vorbeiflüge waren, die Beobachtungen und Messungen nur für wenige Tage gestatteten, so bekamen doch insbesondere die erstmals aus der Nähe fotografierten Eismonde ein "Gesicht" und konnten wissenschaftlich untersucht werden.
Voyager 1 und 2: Die ersten detaillierten Ansichten
Anhand von Foto-Zeitreihen konnten erstmals die hohen Windgeschwindigkeiten in der Saturnatmosphäre von bis zu 1800 Kilometern pro Stunde gemessen werden. Am Nordpol des Planeten entdeckte Voyager 2 das "Hexagon", eine stabile, sechseckige Wolkenstruktur in der Hochatmosphäre des Planeten, deren Ursprung noch heute nicht vollständig geklärt ist. Als Voyager 1 den größten Saturnmond, Titan, untersuchte, war die Enttäuschung zunächst groß: Obwohl bereits bekannt war, dass in der Gashülle des Mondes Methan vorhanden ist, hatte die optische Kamera keine Chance, durch die, wie sich nun herausstellte, extrem dichte Atmosphäre hindurch Strukturen auf der Oberfläche zu erkennen. Damals hielt man es noch für möglich, dass die Titanatmosphäre, deren Hauptbestandteil Stickstoff (ebenfalls von Voyager entdeckt) einen Treibhauseffekt bewirkt, sodass sogar Leben auf Titan für möglich gehalten wurde. Doch die Messungen zeigten eindeutig, dass die Temperaturen für Leben auf Titan viel zu niedrig waren.
Außerdem gelangen wichtige Untersuchungen der beim Vorbeiflug "nahe gelegenen" Monde Mimas, Dione und Rhea sowie der Planetenringe. Letztere waren überhaupt nicht homogen, wie vermutet, sondern es zeigte sich, dass sie aus unzähligen Einzelringen bestehen. Dabei wurden auch einige neue, kleine Monde an den Rändern der Ringe entdeckt, sowie weitere Begleiter an den Langrangepunkten des Planeten, an denen sich die gegenseitigen Anziehungskräfte von Sonne und Saturn aufheben. Voyager zeigte, dass sowohl der Jupiter als auch der Saturn gewissermaßen "Sonnensysteme im Kleinen" darstellen. Ihre genauere Erforschung durch Orbitermissionen war nach Voyager der drängendste Wunsch der Planetenforscher: Mit den großen Raumsonden Galileo (von 1995 bis 2003 am Jupiter) und Cassini-Huygens (2004 bis 2017 in einer Umlaufbahn um den Saturn) ging dieser Wunsch in Erfüllung - und brachte in beiden Fällen fundamental neue Erkenntnisse.