Chaos und Wasser auf dem Mars
- Einschlagkrater in der Mars-Region Margaritifer Terra zeigt unterschiedliche geologische Merkmale wie "chaotische Gebiete" und heller Ablagerungen.
- Chaotische Gebiete deuten auf Eis im Untergrund hin.
- Schwerpunkt Raumfahrt
Die aktuellen Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen "chaotische Gebiete" und ungewöhnlich helle Ablagerungen innerhalb eines Einschlagkraters im südlichen Hochland des Mars. Netzwerke ausgetrockneter Flusstäler in der Umgebung deuten auf Oberflächenabfluss von Schmelzwasser in der Marsvergangenheit hin.
Einschlagkrater auf dem Mars können sehr unterschiedlich aussehen. Man findet auf den Kraterböden beispielsweise Sedimentablagerungen, Reste von Hangrutschungen, Sanddünen, von der Seite in den Krater mündende Flussdeltas oder aber auch Auswurfmaterial anderer Krater. Oftmals treten solche geologischen Oberflächenformen auch in Kombination miteinander auf. Mit zunehmenden Durchmesser nehmen Krater auch immer komplexere Formen an - kleine Krater von wenigen Kilometern Durchmesser haben ein einfaches, schüsselförmiges Profil, wohingegen Krater ab etwa 100 Kilometer Größe im Zuge ihrer Entstehung innerhalb weniger Sekunden in ihrem Rand Terrassen und bei noch größerem Durchmesser sogar einen Zentralberg durch das Zurückfedern des Kraterbodens ausbilden.
Ein interessanter Krater im südlichen Hochland
Einige dieser Phänomene können auch an dem Krater, der auf diesen HRSC-Bildern zu sehen ist, beobachtet werden. Er hat einen Durchmesser von zirka 70 Kilometern und liegt in der Region Margaritifer Terra. Sein flacher Boden ist von einem schon recht stark erodierten und deshalb fast eingeebneten Kraterrand umgeben, dessen Innenseite teilweise von Resten alter Hangrutschungen bedeckt ist. Stellenweise sieht man noch terrassenartige Geländestufen im Kraterrand. Der glatte Kraterboden im nordwestlichen Teil geht in ein blockiges, "chaotisches" Material im Westteil über. Im Südostteil fallen insbesondere einige helle Ablagerungen auf. Woraus diese hellen, festen Ablagerungen genau bestehen, ist bisher nicht geklärt.
Chaotische Gebiete deuten auf Eis im Untergrund hin
Auf dem Mars gibt es zahlreiche sogenannte chaotische Gebiete, die sich durch eine regellose Häufung von Gesteinsblöcken unterschiedlichster Größe und tafelbergähnlichen Erhebungen auszeichnen. "Man nimmt an, dass chaotische Gebiete entstehen, wenn unterirdische Eisvorkommen durch vulkanische Wärme schmelzen und das Wasser plötzlich freigesetzt wird", sagt Prof. Jaumann, DLR-Planetenforscher und wissenschaftlicher Leiter des HRSC-Experiments. "Ist das Wasser abgeflossen, kollabiert die Oberfläche über den neu entstandenen Hohlräumen und die Landschaft stürzt in sich zusammen. Zurück bleibt ein chaotisches Landschaftsbild mit den stehen gebliebenen Tafelbergen, die von einem Netzwerk tief eingeschnittener Täler voneinander getrennt sind."
Das chaotische Gebiet im Innern des hier gezeigten Kraters ist durch Plateaus, kleine Restberge und von Furchen durchzogenen Hügeln gekennzeichnet. Man findet es auch nördlich des Kraters (rechts in den Bildern 1, 3, 5), in einem Gebiet, das Erythraeum Chaos genannt wird, und vermutlich einmal einen See beherbergt hat. Sedimente am Boden von Erythraeum Chaos wurden eventuell durch das Talnetzwerk Paraná Valles, das sich weiter im Osten befindet, transportiert und dort abgelagert. Die Paraná Valles bilden zusammen mit den Loire Valles eines der größten durchgängigen Talsysteme auf dem Mars (zu sehen oben rechts in der Ecke der Bilder 1, 3, 5). Die Aktivität dieser Flußysteme und die Existenz des Sees liegen allerdings mehr als 3,5 Milliarden Jahre zurück.
"Generell sind solche chaotischen Gebiete und Talnetzwerke, von denen man heute noch sehr viele findet, Hinweise auf den Transport, die Speicherung und die Freisetzung von Wasser in der Marsvergangenheit", so Prof. Jaumann.
Bildverarbeitung
Das Bildmosaik besteht aus zwei Aufnahmen der HRSC (High Resolution Stereo Camera), die während Orbit 16648 am 22. Februar 2017 mit einer Bildauflösung von 15 Metern pro Bildpunkt (Pixel) und während Orbit 4090 am 13. März 2007 mit einer Bildauflösung von 17 Metern pro Bildpunkt entstanden. Die Bildmitte liegt bei etwa 346 Grad östlicher Länge und 23 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht (Bild 2) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 3), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 5) beruht auf einem digitalen Geländemodell (DGM, oder engl.: digital terrain model (DTM)) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Marskugel. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten die hier gezeigten Ansichten. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mapserver:
Um bereits veröffentlichte Rohbilder und DTMs der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Seit 2004 liefert die Kamera hochauflösende Bilder von dem Roten Planeten.