REXUS 21/22: Studierende schicken acht Experimente in den Weltraum
- An Bord von zwei REXUS-Raketen befanden sich insgesamt fünf deutsche Experimente.
- Die Experimente stammen aus der Satellitenkommunikation, Erdbeobachtung, Klimaforschung und Technologieerprobung.
- Die REXUS-21-Rakete erreichte eine Flughöhe von rund 85 Kilometern und REXUS 22 eine Höhe von rund 84 Kilometern.
Wie kann Weltraummüll eingefangen werden? Wie können Studierende die Drehung der Forschungsrakete in Schwerelosigkeit reduzieren? Am 16. März 2017 startete um 14 Uhr mitteleuropäischer zeit (MEZ) vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden die REXUS-22-Forschungsrakete mit Experimenten von Studierenden an Bord, um diese und weitere Fragen zu klären. Bereits einen Tag zuvor, am 15. März 2017, war REXUS 21 erfolgreich gestartet. Rund 50 Studierende aus Deutschland, Schweden, Polen und Italien nahmen an der gemeinsamen Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der schwedischen Raumfahrtbehörde SNSB teil. Etwa zehn Minuten dauerten die Flüge der knapp sechs Meter langen einstufigen Raketen vom Start bis zur Landung der Nutzlast.
Weltraummüll effektiv aufspüren und einsammeln
An der Doppelkampagne nahmen fünf deutsche Experimente teil: Die Studenten der Universität Bremen und der Hochschule Bremen testeten in ihrem Experiment UB-SPACE (University of Bremen - Image Processing for Determination of relative Satellite Motion) eine Software, welche die relative Bewegung eines Satelliten mithilfe von Bildaufnahmen erkennen soll. Um dieses Szenario nachzustellen, wurde ein würfelförmiger Kleinstsatellit aus der REXUS-22-Rakete geworfen und von mehreren Kameras, die in der Rakete befestigt waren, gefilmt. Mit dieser Technik könnten später autonome Satelliten ausgerüstet werden, die den Weltraummüll selbstständig einsammeln. Das Einfangen von Weltraummüll stand auch im Fokus des Teams GRAB (Gecko-Related Adhesive testBundles). Die Studenten der Technischen Universität Braunschweig wollen mit ihrem Experiment das Andocken an einem Zielobjekt, wie zum Beispiel einem defekten Satelliten, erleichtern. Dafür testeten sie sogenannte adhäsive "Gecko-Materialen" an raumfahrttypischen Oberflächen in Schwerelosigkeit. Diese Materialien weisen aufgrund ihrer Struktur aus feinen Härchen und Stempeln eine gute Haftkraft an glatten Flächen auf.
Mit RaCos die Drehung der Rakete reduzieren
Da im Weltraum ein Vakuum herrscht, führt das Ablassen von Gas zu einem Rückstoß. Dadurch kann zum Beispiel eine Rakete gebremst und deren Drehimpuls reduziert werden. Um die Flugbahn der REXUS-Rakete zu stabilisieren, dreht sich die Rakete während des Anstiegs um die eigene Achse mithilfe einer besonderen Einstellung der Finnen, die am Raketenmotor befestigt sind. Allerdings benötigen einige Experimente Schwerelosigkeit, daher muss die Drehung auf ein Minimum reduziert werden. Mit RaCoS (Rate Control System Experiment) sollte die Drehung der REXUS-22-Rakete mithilfe eines Kaltgasantriebs reduziert und kontrolliert werden. Dafür entwarfen die Studierenden der Universität Würzburg einen Kontrollalgorithmus, um die Öffnungszeiten der Ventile zu berechnen, die den Gasfluss steuert. Dieses System könnte zur Lageregelung von Satelliten eingesetzt werden.
Entfaltbare Antennen in der Satellitenkommunikation nutzen
Entfaltbare Strukturen sind besonders zur Erforschung des Weltraums interessant, da sie aufgrund ihrer geringen Masse und des Materials aus Dünnfilmen und gasdichten Textilien platzsparend und leicht sind. Das Team der Technischen Universität Dresden testete mit DIANE (Dipole Inflatable Antenna Experiment) eine rund sieben Meter lange, stabförmige Antenne, die sich während des REXUS-21-Flugs in Schwerelosigkeit entfalten sollte. Die Antenne war zusammen mit ihrem Equipment, Entfaltungsmechanismus, Gaserzeugungssystem, Sender und Steuerplatine in einem würfelförmigen Kleinsatelliten (CubeSat) verstaut. Während des Einsatzes wurde das dynamische Flugverhalten und die Signalübertragung der Antenne untersucht und mithilfe einer Kamera beobachtet.
AtmoHIT- ein Experiment zur Erdbeobachtung
Das Experiment AtmoHIT (Atmospheric Heterodyne Interferometer Test) hatte das Ziel, das AtmoCube-1-Instrument zur Erdbeobachtung unter Weltraumbedingungen zu testen. Dieses sollte während des REXUS-22-Flugs mithilfe eines speziellen Spektrometers Temperaturen in der mittleren Atmosphäre messen. Das Instrument zeichnet sich durch eine hohe Lichtempfindlichkeit und geringe Größe aus, wodurch es für wissenschaftliche Fernerkundungsmessungen mit einem würfelförmigen Kleinsatelliten (CubeSat) geeignet ist. Das Experiment wurde innerhalb der Initiative für Kleinsatelliten zur Klimaforschung durch Tomographie entwickelt, die von Studierenden der Bergischen Universität Wuppertal in Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich entstand.
Die Experimente der anderen europäischen Teams auf REXUS 21/22
Die Untersuchung von Mars-typischen Salzproben stand im Fokus der Studierenden der Technischen Universität Luleå, Schweden. Das Experiment SALACIA (Saline Liquids And Conductivity In the Atmosphere) könnte eine spätere Mars-Mission unterstützen, da in einigen Flughöhen der BEXUS-21-Rakete ähnliche Umweltbedingungen wie auf dem Mars existieren. Während des Raketenflugs erforschte das Team die Eigenschaften der Absorption, also die Aufnahme von Wasser und die Reaktion von Salzen mit Wasser, indem die Leitfähigkeit gemessen wurde. In Abhängigkeit der Flughöhe änderten sich Zusammensetzung, Feuchtigkeit und Temperatur der Salzproben.
Das Team der Universität Pisa untersuchte in ihrem Experiment U-Phos (Upgraded Pulsating heat pipe Only for Space), wie sich eine Flüssigkeit in Abhängigkeit der Temperatur in Schwerelosigkeit verändert. Hierfür entwickelten die Studierenden ein passives Temperaturkontrollsystem aus Kapillarröhrchen, die mit Lösungsmittel gefüllt waren. Ziel war es herauszufinden, inwieweit ein Temperaturmanagementsystem unter Weltraumbedingungen funktioniert und Anwendung finden kann.
DREAM (DRilling Experiment for Asteroid Mining) hieß das Experiment des Teams der Technischen Universität Breslau, Polen. Es dient zur Vorbereitung für das sogenannte Asteroid Mining, damit sind Abbauverfahren von Rohstoffen und Bohrungen im Weltraum gemeint. Während des Flugs der REXUS-21-Rakete testeten die Studierenden die Verteilung und das Verhalten von Bohrspänen in Schwerelosigkeit.
REXUS und BEXUS: ein Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre Vorschläge für Experimente können jährlich im Oktober eingereicht werden. Der diesjährige Aufruf dazu wird im Juni 2017 veröffentlicht. Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.
Auf deutscher Seite erfolgt die Projektleitung mit der Betreuung der Experimente durch das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnik (ZARM) in Bremen. Die Flugkampagnen führt EuroLaunch durch, ein Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA), die für die Bereitstellung der Raketensysteme zuständig ist, und des Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC, das über die Startinfrastruktur verfügt. Die Programmleitung liegt beim DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.