Kräne intelligenter steuern. Den Borkenkäfer bekämpfen - Neue Ideen in der Satellitennavigation und Erdbeobachtung
Herausragende und innovative Nutzungsideen zur Satellitennavigation und zur Erdbeobachtung aufzeigen und voranbringen – das ist das Ziel der beiden Ideenwettbewerbe"European Satellite Navigation Competition (ESNC)"und Copernicus Masters". Das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) kürt auch in diesem Jahr je einen Spezialpreis-Gewinner.
Schneller am Bau – wie man Kräne gezielter steuern kann
Der DLR-Spezialpreis des European Satellite Navigation Competition (ESNC) geht nach Polen. Piotr Krystek hat eine Idee eingereicht, die die sechsköpfige Jury überzeugt hat: Augmented Crane Navigationssystem (ACNS) heißt seine Innovation. ACNS hat den neuartigen intelligenten Betrieb von Turmkränen auf Baustellen zum Ziel - durch die Integration von hochgenauen Navigationsempfängern und einer leistungsstarken Prozessor-Einheit. Dadurch wird die Effizienz und die Sicherheit auf Baustellen erhöht.
Moderne Turmkräne können eine Höhe von mehr als 200 Metern erreichen und agieren in einer sehr komplizierten, unübersichtlichen und sich ständig verändernden Umgebung. Diese schafft Hindernisse für den Kranführer: schlechte Sichtverhältnisse und "Tote Winkel" – also Orte, die vom Kranführer nicht einsehbar sind.
ACNS will dieser Herausforderung in drei Stufen begegnen: Durch vier bis fünf preiswerte und doch hochpräzise Galileo- beziehungsweise Satellitennavigations (GNSS)- Empfänger kann die Position der Kranelemente bestimmt und Orientierung geschaffen werden. Dabei berechnet der zentrale Prozessor die bestmögliche Route zur Lastenführung; neben den Positionswerten der verschiedenen Satellitennavigationsémpfänger wird hier auch das digitale Modell der baulichen Struktur, das sogenannte Building Information Modell (BIM), eingerechnet. Die Visualisierung erfolgt direkt auf dem Head-Up Display, sprich die Informationen werden direkt in das Sichtfeld des Kranführers projiziert. So kann er einfach und präzise navigieren.
ACNS ist modular aufgebaut und kann leicht auf dem Kran montiert werden; das schließt die Nachrüstung bestehender Kräne mit ein. Das Projekt steckt derzeit noch in der Konzeptionsphase. Um die Idee umsetzen zu können, müssen der Markt sondiert und Machbarkeitsstudien mit Kränen in Zusammenarbeit mit Kranherstellern durchgeführt werden. Heute ist der Kranbetrieb eine höchst fordernde Aufgabe – es besteht Bedarf an neuen Technologien und Lösungen. ACNS ist damit ein Schritt zur Automatisierung von Turmkränen und ließe sich auf andere Baumaschinen und Nutzfahrzeuge übertragen. Die Bauwirtschaft als eine der volkswirtschaftlichen Leitbranchen kann von GNSS-basierten Lösungen immens profitieren.
Dem Borkenkäfer auf der Spur – die Copernicus Masters Gewinnerinnen jagen einen Waldschädling
Auf Basis von Satellitendaten Gefährdungskarten für Forstwirte erstellen – diese Idee der Studentinnen Lisa Broekhuizen und Wendy Mensink begeisterten dieses Jahr die DLR-Jurymitglieder des Copernicus Masters. "Viridian Raven",übersetzt "Grüner Rabe", nennen sie ihr Projekt und gründeten die gleichnamige Firma. Im Fokus: Wälder mit potenziellem Borkenkäferbefall. Angesichts des Klimawandels verändern sich langfristig die Lebensbedingungen vieler Insekten in Mitteleuropa. Auch der Baumbestand reagiert auf diese Veränderung. Da Insekten wechselwarme Tiere sind, ist ihre Aktivität und ihre Anzahl abhängig von den klimatischen Bedingungen. Von milden Wintern und warmen Sommern profitieren sie besonders. Für die Forstwirtschaft relevant sind hauptsächlich Insekten mit Schädigungspotenzial für Wald und Holz. Bekanntermaßen gehören Borkenkäfer zu den hartnäckigsten Schädlingen innerhalb der Forstwirtschaft. Der wirtschaftliche Schaden kann dabei mehrere 100 Millionen Euro pro Jahr betragen. Ganze Areale können entwaldet werden. Durch die von Viridan Raven erstellten Karten ist ein effizienteres Überprüfen des Waldes auf Befall und ein frühzeitiges Eingreifen im Sinne der Prävention möglich.
Vom Boden aus ist es schwierig und arbeitsintensiv zu ermitteln, welche Bereiche am ehesten von den Käfern und ihren Larven betroffen sind. Mit der Verwendung von Satellitendaten können große Flächen beobachtet werden, regelmäßige Aktualisierungen erstellt und insbesondere auch die räumliche Nachbarschaft mit berücksichtigt werden. Die produzierten digitalen Karten zeigen verschiedene Vegetationsmerkmale und ermöglichen den Forstwirten auf die neuesten Daten zu zugreifen und erweiterte Risikobetrachtungen für ihren Waldbestand vorzunehmen sowie rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Viridian Raven verwendet neben den Sentinel-2-Daten des Copernicus Programms auch solche von der NASA sowie hochauflösenden Satelliten und lokale Bodendaten. Die Messungen von Wetterstationen und die bestehenden Waldkarten sowie frühere Befallsverläufe werden auf einer Web-Plattform kombiniert. Diese einfach zu bedienende Plattform hilft, die gefährdeten Areale im Vorfeld zu identifizieren, zu überprüfen und bei einem Befall dann effizient und gezielt vorzugehen. So sollen großflächige Ausbrüche verhindert werden. Die Karten werden derzeit etwa alle zehn Tage aktualisiert. In den nächsten Jahren wird dies alle zwei bis fünf Tage passieren.
Gewinner des BMVI Spezialpreises
In diesem Jahr vergibt des Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) nicht nur Spezialpreise, es nimmt selbst einen mit nach Hause. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vergibt seit 2016 beim Copernicus Masters ebenfalls einen Spezialpreis. Dieser geht an die DLR-Idee RETRIEVE von Hartmut Runge, Institut für Methodik der Fernerkundung, Achim Dreher, Institut für Kommunikation und Navigation und Robert Klarner, Technologiemarketing. RETRIEVE ist ein Dienst, um Güter wie Container oder Fahrzeuge auf der ganzen Welt zu identifizieren, zu lokalisieren und zu verfolgen. Zum ersten Mal nutzt man Erdbeobachtung als logistisches Werkzeug – völlig unabhängig von Navigationssatelliten und Mobilfunk. Die DLR-Idee ermöglicht es Spediteuren ganze Flotten von LKWs mit ihren Ladungen zu überwachen und sogar verloren gegangene oder gestohlene Objekte wieder aufzufinden.
Spezielle Etiketten, sogenannte Tags mit einer codierten Identität, werden von außen unsichtbar auf der Oberfläche des Objektes angebracht. Diese Tags sind kostengünstig, benötigen als passive Reflektoren keinen Strom und sind gegen Störungen gesichert. Jedes zu transportierende Gut bekommt so seine eigene Identität – wie eine Art DNA oder die bekannten Strich-Codes im Supermarkt. Anhand dieser Tags werden die Güter durch Radarsatelliten, allen voran Sentinel1-A/B erfasst, räumlich verortet und identifiziert.
Und noch ein Gewinner
Gewinner des "Regional Winner" Bayern ist dieses Jahr der DLR-Wissenschaftler Hartmut Runge. Mit seiner App "Night Watch" müssen die Benutzer nur ihr Smartphone in die Richtung halten, in der sie ein Street View Bild suchen, um dieses automatisch auf dem Bildschirm angezeigt zu bekommen. Basierend auf dem GNSS-Empfänger des Smartphones wird die Position bestimmt und auf Datenbanken mit dem passenden Bild zugegriffen. Diese neue App bietet ein benutzerfreundliches Mittel zur Erkundung der Umgebung bei Dunkelheit oder schlechter Sicht, beispielsweise durch Nebel. Dadurch unterstützt die App bestehende Navigationssysteme. Darüber hinaus ist es mit der Night Vision App möglich, die Straßeninformationen von Geschäften und Restaurants einfach herunterzuladen, indem der Nutzer mit dem Telefon darauf zeigt. Aus einem Flugzeug kann man den Boden betrachten, auch wenn es bewölkt ist oder man keinen Fensterplatz hat.
In einem Interview erzählen Piotr Krystek, Lisa Broekhuizen und Wendy Mensink wie sie auf ihre Ideen gekommen sind, was sie erwarten und wer sie besonders unterstützt hat. Dr. Rolf Dieter Fischer, Leiter des DLR-Technologiemarketings erklärt im Interview, wie die Gewinner der beiden Wettbewerbe ausgewählt werden und warum sich das DLR an diesen Wettbewerben beteiligt. Alle Interviews sind als Download verfügbar.