Pluto "hautnah" - NASA-Sonde New Horizons am Ziel
DLR fördert deutsche Wissenschaftler beim Radioexperiment REX
Nach einer neuneinhalb Jahre langen Reise ist die NASA-Raumsonde New Horizons am 14. Juli 2015 um 13.50 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit und etwa 4,8 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt am Zwergplaneten Pluto vorbeigeflogen. Es war das erste Mal, dass der ehemals "neunte Planet" des Sonnensystems Besuch bekam und aus der "Nähe" - sprich aus rund 12.500 Kilometern Distanz, das ist weniger als ein Erddurchmesser - erforscht werden konnte.
Während der Vorbeiflugphase werden sieben wissenschaftliche Experimente Fotos, Spektren und physikalische Messwerte aufzeichnen: Neben drei optischen Geräten - dem UV-Spektrometer Alice sowie den hochauflösenden Kamerasystemen LORRI und Ralph -, befinden sich zwei Plasma-Instrumente (PEPSSI und SWAP), ein Staubdetektor (Venetia) und ein Radioexperiment (REX) an Bord. REX wird mit Radiowellen die Atmosphären sondieren, die Oberflächentemperaturen und die Einzelmassen von Pluto und Charon bestimmen. Es ist das einzige Instrument auf New Horizons, an dem mit den Planetenforschern des Rheinischen Instituts für Umweltforschung an der Universität zu Köln deutsche Wissenschaftler beteiligt sind.
Das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die Beteiligung von Dr. Martin Pätzold an dem REX-Experiment mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert. "Als so genannter Co-Investigator führen wir zwei Experimente während des Vorbeiflugs von New Horizons an Pluto durch", berichtet Pätzold, der die heiße Phase der Mission am Applied Physics Laboratory (APL) der Johns-Hopkins-Universität in Laurel (Maryland) in den USA erlebt, das die Mission für die NASA durchführt und steuert. "Wir messen Oberflächentemperaturen von Pluto und seinem Mond Charon im Mikrowellenbereich. Und wir wollen die individuellen Massen und Dichten von Pluto und Charon direkt bestimmen. Masse und Dichte geben wichtige Hinweise auf den inneren Aufbau von planetaren Körpern und ihre Entstehung", so Pätzold weiter.
Mit REX wird auch erstmals ein Experiment durchgeführt, bei dem Radiosignale von der Erde zur Raumsonde gesendet werden - üblicherweise werden Signale analysiert, die von einer Sonde zur Erde gefunkt wurden. Dieses Mal soll eine Ablenkung und Schwächung der Signale, die von der Erde durch eine möglicherweise dünne Atmosphäre von Pluto und Charon beeinflusst und dann von REX aufgezeichnet werden, Aufschluss über Temperatur und Druck der Atmosphäre in der Nähe der Oberflächen geben.
Eisige Körper, Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt
"Der etwa 2310 Kilometer große Pluto sowie sein naher und etwas kleinerer Begleiter Charon stellen für die Planetenforschung eine noch fast unbekannte Welt dar. Aus diesem Grund werden die Bilder und Messungen von New Horizons von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt mit Spannung erwartet", verdeutlicht Prof. Tilman Spohn, Direktor des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin.
Mit den Fotos erhoffen sich die Wissenschaftler, die Geologie von Pluto und Charon sowie die zugrunde liegenden Prozesse zu verstehen. Außerdem werden die Bestandteile der Oberfläche geochemisch und mineralogisch analysiert und die hauchdünne Atmosphäre aus verdampfenden Eisverbindungen untersucht. Aus geophysikalischen Messungen soll der innere Aufbau des Doppelkörpersystems Pluto-Charon entschlüsselt werden.
"Dies macht Pluto sogar zu einem Objekt für die Suche nach ökologischen Nischen, in denen die Entwicklung von einfachen Lebensformen vorstellbar wäre", sagt DLR-Planetenforscher Spohn, und ergänzt: "Pluto ist das größte bekannte Objekt des so genannten Kuiper-Edgeworth-Gürtels, einer Zone von eisigen Körpern jenseits der Bahn des Neptun in fünf bis zehn Milliarden Kilometern Entfernung zur Sonne. Ähnlich den Asteroiden und Kometen sind diese 'Eiszwerge' seit ihrer Entstehung vermutlich kaum durch geologische Prozesse verändert worden. Wie der Komet 67P 'Tschuri', den wir im Moment mit der Sonde Rosetta untersuchen, könnte uns Pluto also viel über die früheste Zeit des Sonnensystems verraten!"
Ein Einschwenken in eine Umlaufbahn ist allerdings wegen der extrem hohen Geschwindigkeit von rund 50.000 Stundenkilometern, mit der sich New Horizons Pluto nähert, technisch nicht möglich.
Das APL geht davon aus, dass die ersten Bilder von Pluto und Charon aus nächster Nähe am 15. Juli 2015 zur Verfügung stehen. Wegen der langen Signallaufzeit im Funkverkehr mit der Sonde von fast viereinhalb Stunden für die einfache Wegstrecke wird es aber noch über ein Jahr dauern, ehe alle wissenschaftlichen Aufzeichnungen aus dem Bordcomputer zur Erde übertragen sind.
Die schnellste Raumsonde, die je unterwegs war
New Horizons startete am 19. Januar 2006 von Cape Canaveral (Florida). Am 28. Februar 2007 wurde die knapp 500 Kilogramm schwere Sonde durch einen Nahvorbeiflug am Jupiter auf ihre endgültige Reisegeschwindigkeit beschleunigt: Danach entfernte sie sich mit 83.600 Kilometern von der Sonne. Der Vorbeiflug an Pluto und Charon wird mit einer relativen Geschwindigkeit von 50.400 Stundenkilometern erfolgen - damit ist New Horizons die schnellste Raumsonde, die je im Sonnensystem unterwegs war. Pluto ist von der Erde wie die ebenfalls weit entfernten Planeten Uranus und Neptun mit dem bloßen Auge nicht zu sehen. Die Internationale Astronomische Union ordnete 2006 das Planetensystem neu und stufte Pluto als Zwergplanet ein, hauptsächlich wegen des Arguments, dass sich auf seiner Bahn möglicherweise noch weitere Körper befinden, die Pluto mit seiner Schwerkraft noch nicht "aus dem Weg" geräumt hat, wie es bei den anderen acht "klassischen" Planeten der Fall ist. Bereits im Januar 2015 hat New Horizons mit den Beobachtungen von Pluto und Charon begonnen. Der Zwergplanet hat insgesamt fünf Monde - von dem gesamten Pluto-System gibt es bislang allerdings nur wenige aussagekräftige Teleskopbeobachtungen und einige Bilder des Hubble-Weltraumteleskops.