Dem "Klang" unseres Universums lauschen: Hochempfindliches Kernstück von LISA Pathfinder fertiggestellt
Nach mehr als zehnjähriger intensiver Entwicklungsarbeit ist nun das Kernstück der hochempfindlichen Nutzlast der DLR LISA Pathfinder bei der Firma Airbus Defence & Spacein Friedrichshafen fertiggestellt worden - das LTP Core Assembly. LISA Pathfinder wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Wissenschaftsprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA unterstützt. Die Mission soll nach ihrem Start voraussichtlich im Oktober diesen Jahres im Weltraum wichtige Technologien erproben, deren Funktions- und Leistungsfähigkeit am Erdboden nicht oder nur eingeschränkt getestet werden können. Damit ebnet die Mission den Weg für das Gravitationswellen-Observatorium eLISA (evolved Laser Interferometer Space Antenna), das nach seinem für 2034 geplanten Start den energiereichsten und heftigsten astrophysikalischen Ereignissen unseres Universums auf der Spur sein wird.
Dem "Klang" unseres Universums auf der Spur
Fällt ein Stein ins Wasser, so breiten sich von seinem Aufschlagspunkt Schwingungen in Form von Wellen über die Wasseroberfläche aus. Ähnlich wie der Stein auf dem Wasser erzeugen auch große Massen, die sich sehr schnell und ungleichförmig beschleunigt im Weltall bewegen, Wellen. Sie breiten sich im Raum aus und sollten sich als winzige Längenänderungen der Raum-Zeit bemerkbar machen. Diese Gravitationswellen - vom deutschen Physiker Albert Einstein bereits 1916 auf der Grundlage seiner allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt - lassen uns den "Klang" des Universums "hören" und öffnen so ein neues und unmittelbares Beobachtungsfenster für exotische Himmelsobjekte.
Dazu zählen zum Beispiel Supernovae, enge Doppelsternsysteme bestehend aus Weißen Zwergen, Kollisionen von Neutronensternen und Pulsaren und Zusammenstöße von Schwarzen Löchern mit einigen Sonnenmassen bis hin zu den zentralen Objekten in Galaxienkernen mit der milliardenfachen Masse der Sonne. Gravitationswellensignale aus der Zeit unmittelbar nach dem Urknall können uns mehr über die Entstehung unseres Universums verraten. Wegen der äußerst geringen Wirkung von Gravitationswellen zweifelte Einstein allerdings daran, dass sie jemals nachweisbar wären. Bisher ist es auch nicht gelungen, sie direkt zu messen. Heute - nahezu 100 Jahre nach Einsteins Vorhersage - stehen wir jedoch kurz davor, ihre "extrem leisen" Schwingungen "hörbar" zu machen. Ein Nachweis wird in den nächsten Jahren zunächst vom Erdboden, später aber auch mit eLISA aus dem All erwartet.
LISA Pathfinder ebnet den Weg für eLISA
Das Weltraumobservatorium eLISA wird aus drei Raumsonden bestehen. Sie werden ein gleichseitiges Dreieck mit ungefähr zwei Millionen Kilometern Seitenlänge aufspannen. Das gesamte Dreieck rotiert und wird der Erde auf ihrer Bahn in zehn bis 25 Millionen Kilometern Abstand in einem sogenannten Driftorbit folgen. Die einzelnen Sonden werden durch Laserstrahlen miteinander verbunden - Präzisionsarbeit auf höchstem Niveau. Durchläuft eine Gravitationswelle die Anordnung der Sonden, kann das Observatorium ihre Schwingungen im Frequenzbereich zwischen 0,1 MilliHertz bis 0,1 Hertz "hören". Da die Mission äußerst komplex ist und Komponenten eingesetzt werden, die am Erdboden nicht angemessen getestet werden können, muss die notwendige Technologie zunächst im Weltraum erprobt werden.
Diese Aufgabe wird LISA Pathfinder übernehmen. Die Bestandteile der wissenschaftlichen Nutzlast - des sogenannten LISA Technology Package (LTP) - wurden von mehreren europäischen Ländern entwickelt und von Airbus Defence & Space in Friedrichshafen zur Gesamtnutzlast zusammengesetzt. Das DLR hat im Rahmen des ESA-Wissenschaftsprogramms die Entwicklung der Nutzlast maßgeblich unterstützt. Der deutsche Beitrag wurde dabei wesentlich durch eine Zuwendung des DLR Raumfahrtmanagements an das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover gefördert.
Hochempfindliches Meßystem
Nachdem bereits die Steuerelektronik des LTP in die LISA-Pathfinder-Sonde eingebaut und getestet worden ist, folgt nun als letzte und wichtigste Einheit der Nutzlast das sogenannte LTP Core Assembly. Deren Integration ist inzwischen abgeschlossen und die Einheit zur Montage in die Sonde und zu letzten Tests von Friedrichshafen an die Firma IABG Ottobrunn in München ausgeliefert worden. Dort wurde inzwischen auch dessen Einbau in die Sonde erfolgreich beendet.
In den zwei separaten Vakuumtanks des LTP sollen während des Betriebs der Mission jeweils eine würfelförmige Testmasse von zwei Kilogramm nahezu frei von allen inneren und äußeren Störkräften schweben und so eine kräftefreie Bewegung im Raum demonstrieren. Eine spezielle Gold-Platin-Legierung sorgt dafür, dass auf die Massen keine magnetischen Kräfte wirken. Eine berührungslose Entladung mit Hilfe von UV-Strahlung verhindert eine elektrostatische Aufladung. Eine besondere Herausforderung ist dabei der sogenannte Caging-and-Venting-Mechanismus, der die Testmassen während der heftigen Vibrationen beim Start schützt, sie höchst kontrolliert freigibt und sie gegebenenfalls auch wieder einfängt. Mittels Laserinterferometrie werden die Positionen und die Ausrichtung der beiden Testmassen relativ zum Satelliten und zueinander mit einer sehr hohen Genauigkeit von etwa einem hundertmillionstel Millimeter gemessen. Darüber hinaus werden die Positionen über weitere Sensoren mit geringerer Genauigkeit erfasst. Die Messdaten sollen dann mit Hilfe eines "Drag-Free Attitude Control System (DFACS)" die Sonde so steuern, dass sie stets auf die Testmassen zentriert bleibt. Die Lage des Satelliten regeln Kaltgas Mikro-Newton-Triebwerke, die für die Astronomie-Mission Gaia entwickelt wurden und den Antriebschub extrem fein und gleichmäßig dosieren können.
Der Start der Mission ist nun für Oktober 2015 geplant. Diesem wird sich ein einjähriger Betrieb auf einer Bahn um den Lagrangepunkt L1, etwa 1,5 Millionen Kilometer in Richtung zur Sonne von der Erde entfernt, anschließen. Die nach Joseph-Louis Lagrange benannten Punkte sind Orte, in denen zwischen drei Himmelskörpern ein gravitativer Gleichgewichtszustand eintritt, so dass eine Raumsonde an diesen Stellen im Idealfall kräftefrei "verharren" kann.