Zwergplanet Ceres: Krater, Einsturzsenken und ungewöhnliche Linien
Das, was Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) von Zwergplanet Ceres zu sehen bekommen hat, lässt nur einen Schluss zu: "Ceres ist geologisch extrem spannend." Der größte Körper im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter sorgt nämlich bereits aus der Ferne betrachtet für jede Menge Gesprächsstoff unter den Wissenschaftlern. Auch das Foto, das die Kamera an Bord der Dawn-Sonde am 23. Mai 2015 aus 5100 Kilometern Entfernung aufnahm, zeigt wieder Strukturen, die zurzeit noch nicht erklärt werden können: "Wir erkennen eine ungewöhnlich große Ansammlung von kleinen runden Strukturen auf engem Raum - dazu gehören kleinere so genannte Sekundär-Krater, die bei großen Einschlägen durch das dadurch ausgeworfene Material entstanden sind, aber auch längere linienförmige Anordnungen und sehr wahrscheinlich Einsturzsenken", erläutert der DLR-Planetenforscher, der an der amerikanischen Dawn-Mission wissenschaftlich beteiligt ist. "Ähnliche Strukturen gibt es zwar auf den Eismonden von Jupiter und Saturn, aber nicht in dieser Dichte."
Anlass für Diskussionen
Aufgenommen wurde das Bild mit einer Auflösung von 480 Meter pro Bildpunkten. Der nördlich gelegene Krater hat beispielsweise somit einen Durchmesser von etwa 110 Kilometern. In seinem Inneren sind zahlreiche kleinere Krater zu sehen sowie ein Riss. "Hinter dieser Oberfläche steckt sehr wahrscheinlich eine geologisch komplexe Geschichte: Zum einen sind wohl Projektil-Teilchen aus anderen Kratern dort eingeschlagen und hinterließen kleinere Sekundär-Krater, zum anderen deutet der Riss darauf hin, dass es Bewegungen im Kraterboden selbst gegeben hat." Allerdings: Noch wird unter den beteiligten Wissenschaftlern der internationalen Mission ausgiebig diskutiert, wie und warum diese vielen kleinen Krater genau entstanden sind. Auch Einsturzsenken, die ohne einen Einschlag auf Ceres‘ Oberfläche entstanden, vermutet Jaumann unter den runden Strukturen.
Lange Kette von Einsturzlöchern
Die auffälligen linienförmigen Strukturen, die sich über größere Gebiete erstrecken, könnten viele kleine Einsturzlöcher, angeordnet in einer Reihe, sein. "Im Untergrund von Zwergplanet Ceres könnten Risse sein, in die von der Oberfläche loses Material hineinrutscht." Um dies genauer analysieren zu können, müssen die Planetenforscher aber noch etwas Geduld haben: Erst mit den niedrigeren Umlaufbahnen um den Zwergplaneten wird die Auflösung der Kamera-Aufnahmen besser - und einige der bisherigen Rätsel erklärbarer.
Mit der Dawn-Sonde und ihren Instrumenten an Bord werden erstmals zwei Himmelskörper mit nur einer Mission untersucht. Von Juli 2011 bis August 2012 umkreiste Dawn den Asteroiden Vesta und nahm rund 28.000 Bilder auf. Am 6. März 2015 erreichte die Sonde dann ihr zweites Ziel, den Zwergplaneten Ceres. Für beide Himmelskörper erstellt das DLR die Karten sowie ein dreidimensionales Höhenmodell der Oberfläche.
Ionen-Triebwerk in Betrieb
Der nächste niedrigere Orbit um den Zwergplaneten wird am 6. Juni 2015 erreicht: Dann wird die Dawn-Sonde in einem Abstand von nur noch 4400 Kilometern um Ceres kreisen und bis Ende Juni den Zwergplaneten aus dieser Entfernung untersuchen. Jeweils drei Tage wird Dawn dann benötigen, um Ceres mit ihrem Durchmesser von fast 1000 Kilometern zu umrunden. Um in diesen so genannten "Survey Orbit" zu gelangen, sind nun die Ionen-Triebwerke der Raumsonde in Betrieb, so dass weitere Aufnahmen mit der Kamera zurzeit nicht möglich sind. "Wenn wir in diesem Orbit ankommen, beträgt die Auflösung unserer Fotos 400 Meter pro Pixel - damit und mit der dann viel besseren dreidimensionalen Auflösung werden wir die Strukturen besser analysieren können ", sagt DLR-Wissenschaftler Prof. Ralf Jaumann.
Die Mission
Die Mission Dawn wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.