26. Februar 2015

Elektromobilität in die Luft gebracht: Emissionsfrei elektrisch Fliegen von der Vision zur Realität

Bislang steht der Begriff Elektromobilität vor allem mit bodengebundenem Verkehr in Verbindung: Elektroautos sollen in den nächsten Jahren die Straßen erobern, während Züge schon seit mehr als hundert Jahren elektrisch betrieben werden. Angesichts steigender Mobilitätsansprüche, der Endlichkeit fossiler Rohstoffe und einem wachsenden Umweltbewusstsein, lohnt sich ein Blick in den Himmel: Funktioniert Elektromobilität auch in der Luft und welche Technologien sind dazu notwendig?

Über Zukunftsvisionen, die zur Umsetzung des elektrischen Fliegens erforderliche Energietechnik und Antriebstechnologie sowie aktuelle Pilotprojekte diskutieren mehr als einhundert Vertreter aus Wissenschaft und Unternehmen am 26. und 27. Februar 2015 beim Symposium E²Fliegen in Stuttgart. Das vom DLR-Institut für Technische Thermodynamikdes Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart und der Einrichtung DLR-Flugexperimentein Braunschweig gemeinsam mit dem Institut für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart veranstaltete Symposium bringt erstmalig Akteure aus ganz Europa zusammen, die auf dem Gebiet des elektrischen Fliegens forschen und arbeiten.

Im Interview beschreibt Dr. Josef Kallo, Leiter des Fachgebiets Elektrochemische Systemebeim DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart, welche Perspektiven elektrisches Fliegen bietet, welche Herausforderungen es zu bewältigen gibt und wo die Forschung heute steht.

Welche Perspektiven eröffnet elektrisches Fliegen für den Verkehr der Zukunft?

Kallo: Elektromobilität in der Luft bietet eine Reihe ganz unterschiedlicher Vorteile. Elektrische Antriebe arbeiten sehr energieeffizient, leise und beinahe emissionslos. Kommt eine Brennstoffzelle zum Einsatz, entsteht als einziges Abfallprodukt Wasser. Aufbauend auf bestehenden Projekten halten wir es für möglich, in den nächsten Jahren ein Elektroflugzeug mit vier bis acht Sitzen und einer Reichweite von rund 1.000 Kilometern zu realisieren und in den nächsten 25 Jahren einen Flieger mit bis zu 70 Sitzen. Aufgrund ihres kleinen Volumens und Gewichts ermöglichen es elektrische Antriebe zudem, neue Flugzeugkonzepte auszuprobieren. Sprich die Form des Flugzeugs kann sich verändern, aerodynamischer und damit effizienter werden, wie beispielsweise das VoltAIR-Konzept von Airbus zeigt.

Auf welchen Strecken könnten solche Elektroflugzeuge zunächst zum Einsatz kommen?

Kallo: Als Einstiegsszenario für diese Flieger können wir uns sehr gut den deutschen und europäischen Regionalverkehr vorstellen – um Ziele flexibel anzubinden, schnellere Alternativen zu bestehenden Transportmitteln zu bieten oder abgelegene Regionen besser zu erschließen. Gerade für diese kürzeren Strecken sind elektrische Antriebe sehr gut geeignet, weil sie lärm- und emissionsarm sind und aufgrund ihres hohen Drehmoments auch auf sehr kurzen Bahnen starten und landen können. Allein in Deutschland gäbe es mehr als 250 Flughäfen, die dafür in Frage kämen. Ein Beispiel: Vom Bodensee bis in die Landeshauptstadt Stuttgart braucht man mit dem Auto oder der Bahn zwei Stunden und mehr, während die Flugzeit nicht mal eine halbe Stunde beträgt. Da elektrische Antriebe außerdem sehr effizient und robust sind, rechnen wir damit, dass sich die laufenden Kosten und die Treibstoffkosten auf vergleichbarem Niveau befinden werden wie bei konventionell angetriebenen Flugzeugen. Im Langstreckenbereich werden Elektroflugzeuge allerdings auf absehbare Zeit nicht mit konventionell angetriebenen Fliegern konkurrieren können. Es gibt zwar visionäre Gedankenspiele, diese gehen aber weit über das hinaus, was wir derzeit technisch realisieren können.

Wo kommt die Energie zum elektrischen Fliegen her?

Kallo: Prinzipiell gibt es zwei Ansätze, um den Strom fürs elektrische Fliegen zu erzeugen: Man nimmt ihn in Form einer Batterie mit oder produziert ihn an Bord mit Hilfe einer Brennstoffzelle. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile. Heutige Batterien sind schon sehr leistungsfähig, allerdings besteht noch Optimierungsbedarf hinsichtlich Speicherkapazität und Haltbarkeit über viele Ladezyklen hinweg. Brennstoffzellen benötigen einen separaten Wasserstofftank an Bord, ermöglichen aber eine größere Reichweite bei gleichzeitig hoher Effizienz. Die gangbarste Lösung ist in unseren Augen ein Hybrid-Antrieb, der beide Technologien kombiniert und deren Vorteile nutzt – sprich hohe Leistungen beim Start ermöglicht genauso wie eine dauerhafte und zuverlässige Leistungsabgabe im Flug. Am DLR wollen wir demnächst auch untersuchen, wie man beispielsweise den Elektromotor im Sinkflug als Generator nutzen kann, um den so produzierten Strom in die Batterie zurück zu speisen.

Angesichts des Einsatzes von zwei für den Verkehrssektor noch relativ neuen Technologien, wie sieht es denn mit der Sicherheit von elektrisch betriebenen Flugzeugen aus?

Kallo: Schon bei konventionellen Flugzeugen sind alle lebenswichtigen Systeme redundant, also doppelt vorhanden für den Fall, dass eines davon ausfallen sollte. Bei einem Elektro-Flugzeug mit Hybridantrieb wie wir es uns vorstellen, ist die Redundanz und damit die Sicherheit sogar noch größer: Brennstoffzellen- und Batterieantrieb haben jeweils ein Ersatzsystem. Zusätzlich können sich beide Antriebsformen im Ernstfall auch gegenseitig ersetzen. Die Zulassungsbehörden wie das Luftfahrtbundesamt und die Europäische Agentur für Flugsicherheit verfolgen die aktuellen Entwicklungen mit großem Interesse und nutzen unser Symposium zum Austausch mit Wissenschaft und Unternehmen.

Wie geht es weiter? Welche Herausforderungen gibt es?

Kallo: Als Ingenieur bin ich überzeugt, dass emissionsfreies elektrisches Fliegen auch in einem größerem Maßstab und Umfang machbar ist. Auf dem Weg dahin gibt es allerdings noch viele Herausforderungen. Es gilt Technologien aus der bodengebundenen Elektromobilität in die Luftfahrt zu überführen oder neu zu entwickeln. Das geht nur gemeinsam mit Partnern wie der Universität Stuttgart, die beispielsweise an der aerodynamischen Flugzeugauslegung arbeitet, während wir uns beim DLR in Stuttgart auf die benötigten Brennstoffzellen- und Batteriesysteme sowie den elektrischen Antriebsstrang konzentrieren. Zudem arbeiten Kollegen an den Universitäten in Braunschweig, Berlin oder München an Fragestellungen zum elektrischen Fliegen. Es besteht also die Chance, dass Deutschland in diesem Bereich eine Führungsrolle einnehmen kann. Mit Sicherheit brauchen wir aber noch viel Mut, Erfindergeist und Durchhaltevermögen, um Elektromobilität in der Luft möglich zu machen.

Kontakt

Denise Nüssle

Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart
Tel: +49 711 6862-8086

Prof. Dr.-Ing. Josef Kallo

Koordinator Gruppe Energiesystemintegration
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Technische Thermodynamik

Johannes Garbino-Anton

Dipl.-Ing. Len Schumann

Universität Stuttgart
Institut für Flugzeugbau