25. Mai 2021 | DLR stellt Gutachten vor

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität in Niedersachsen

  • DLR-Verkehrsforschende zeigen in einem Gutachten ein umfassendes Bild der Verkehrssituation in Niedersachsen sowie Chancen und Hemmnisse bei der Erreichung der Dekarbonisierung des Verkehrs auf.
  • Förderung von Elektromobilität, Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs, Unterstützung der Fahrradnutzung und Bereitstellung von nachhaltiger Energie sind dabei wichtige Schritte für eine klimafreundlichere Mobilität.
  • Schwerpunkte: Verkehrsforschung, Elektromobilität, klimafreundliche Mobilität

Wo steht das Land Niedersachsen hinsichtlich der Energie- und Mobilitätswende? Wie weit ist das Land, wenn es darum geht, Mobilität klimaneutral zu gestalten? Was kann getan werden, um die klimapolitischen Ziele des Landes zu erreichen? Mit der Beantwortung dieser Fragen haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Ecologic Institutes im Rahmen eines Projekts beschäftigt, welches vom niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz initiiert wurde. Das Ergebnis des Projekts ist das Gutachten "NeueWege – Wege zur nachhaltigen Mobilität in Niedersachsen". Das Gutachten zeigt ein umfassendes Bild der Verkehrssituation in Niedersachsen sowie Chancen und Hemmnisse bei der Erreichung der Dekarbonisierung des Verkehrs und wird am 25. Mai 2021 dem niedersächsischen Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz übergeben.

Mobilitätstrends in Niedersachsen: Steigende Verkehrsleistung und mehr Pkws

Von 2002 bis 2017 stieg die Verkehrsleistung in Niedersachsen um 18 Prozent, was auch in etwa der Entwicklung im Bundesdurchschnitt entspricht. Das heißt, in 15 Jahren stieg die Anzahl der von Personen zurückgelegten Kilometer deutlich an. Die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrädern (Umweltverbund) haben zwar im Vergleich zum Pkw überproportional zugenommen, dennoch ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs und der damit zurückgelegten Kilometer wesentlich höher. Auch dieser Trend entspricht dem Bundesdurchschnitt, die Zunahme des Umweltverbunds fällt in Niedersachsen jedoch geringer aus. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern besitzen die Niedersachsen zudem viel häufiger einen Pkw. Mehr noch: Der Anteil an Haushalten, die im Besitz von mehreren Fahrzeugen sind, ist deutlich angestiegen. "Da der Straßenverkehr einer der Hauptverursacher der Verkehrsemissionen ist, kann das Ziel der CO2-Reduktion im Verkehr nur durch eine umfassende Kehrtwende erreicht werden," erklärt John Anderson, Projektleiter im DLR-Institut für Verkehrsforschung. Diese Kehrtwende kann unter anderem durch einen konsequenten Umstieg auf Elektrofahrzeuge gelingen.

Eine Lösung: Umstieg auf Elektrofahrzeuge

Die Analyse der Verkehrsforschenden hat gezeigt, dass die momentane Ladeinfrastruktur dafür noch nicht ausreicht, sondern noch schneller ausgebaut werden müsste. Hierbei sind vor allem Schnellladepunkte an Hauptverkehrsachsen gefragt.

Zusätzlich können Förderungen bei der Fahrzeuganschaffung sowie der Abbau von Umlagen und Abgaben auf Strom aus erneuerbaren Energien einen elementaren Beitrag leisten, um die Verkehrsemissionen zu reduzieren. "Dennoch sind auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Verkehr allein technische Maßnahmen nicht zielführend", ergänzt Anderson. "Im Gegenteil: Technische Maßnahmen können auch zu gegenläufigen Entwicklungen, sogenannten Rebound-Effekten, führen, bei denen das gute Gewissen aufgrund der sauberen Technik ein Mehr anstelle von Weniger verursacht."

Hinzukommt, dass auch die Produktion von Elektrofahrzeugen Emissionen erzeugt. Daher muss die dafür benötigte Energie klimaneutral hergestellt werden, da sonst die Emissionen aus den Städten nur in andere Regionen verlagert werden. "Emissionsarme Fahrzeuge tragen zwar zu einer besseren Aufenthaltsqualität im urbanen Raum bei, ändern aber nichts an der hohen Flächeninanspruchnahme durch den motorisierten Verkehr, zumal Fahrzeuge in den letzten Jahren kontinuierlich größer geworden sind." So ist der Anteil an SUVs im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gestiegen.

Öffentlichen Verkehr als weiteres Rückgrat der Mobilitätswende

Neben dem Ausbau der Elektromobilität empfehlen die Verkehrsforscherinnen und Verkehrsforscher einen ganzheitlichen Ansatz, der auch nicht-technische Maßnahmen beinhaltet. Hierbei gilt die Förderung des öffentlichen Verkehrs als Rückgrat der Mobilitätswende: Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel muss gefördert und attraktiver gestaltet werden. Beispielsweise sollten Busflotten zukünftig vermehrt elektrifiziert und Bahninfrastruktur ausgebaut werden. Aber auch der Einsatz von Wasserstoffzügen könnte zukünftig eine Rolle spielen. Zudem gilt es das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel gerade in Spitzenlastzeiten auszubauen.

Um zukünftig auch im ländlichen Raum eine Alternative zur Pkw-Nutzung zu schaffen, sind ganztätige ÖPNV-Angebote mit einer ausreichenden Taktfrequenz der Schlüssel. "Angebote wie Carsharing, Ridesharing und Ridepooling sind derzeit überwiegend in Städten zu finden, könnten aber im ländlichen Raum als ÖPNV-Zubringer entscheidend helfen, Lücken zu schließen", sagt der Verkehrsforscher Anderson.

Fahrradnutzung – ein positiver Trend, den es zu unterstützen gilt

Die zunehmende Fahrradnutzung ist derzeit ist ein positiver Trend in Städten, der auf dem Weg in eine nachhaltige Mobilität weiter unterstützt werden kann. Maßnahmen wie neue Radwege, fahrradfreundliche Ampelschaltungen, Radschnellwege oder der Bau von Abstellmöglichkeiten für das Fahrrad sind hierbei vergleichsweise kostengünstig und schnell umsetzbar.

Darüber hinaus könnte die positive Entwicklung bei der Fahrradnutzung auch im ländlichen Raum zukünftig die Mobilität bestimmen. Neben einer besseren Fahrradinfrastruktur spielt hier vor allem eine Verbesserung der Versorgungsinfrastruktur eine Rolle, damit Wege im Nahbereich zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt werden können. Ein bislang kaum ausgeschöpftes Potential bieten auch Pedelecs: Bislang eher von älteren Menschen genutzt, könnten auch für jüngere Menschen Pedelecs für längere Wege zur Arbeit dienlich sein und eine Alternative zum Pkw bieten, vielleicht sogar die Abschaffung des Zweitwagens befördern.

Niedersachsen – ein guter Windstandort

Niedersachsen befindet sich als herausragender Windstandort im bundesweiten Vergleich derzeit in einer guten Situation. Dennoch ist der Bau weiterer erneuerbarer Energieanlagen in den Bereichen Photovoltaik (auf Freiflächen und auf Dächern) und Wind (Onshore und Offshore) notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Bislang gab es nur im Bereich Onshore-Windkraft-Anlagen Zubauraten, die für die Zielerreichung notwendig sind. Alle anderen Technologien lagen unterhalb der geforderten Größenordnungen.

Aufgrund des erhöhten Energiebedarfs sollten auch Ballungsräume zukünftig bei der Gewinnung erneuerbaren Energien berücksichtigt werden. So ließen sich übermäßige Energietransporte aus dem Umland in den Ballungsraum vermeiden. Um zu sehen, welche Regionen wieviel Energie liefern, wäre es hilfreich den erneuerbaren Energieertrag pro Bevölkerung und Gebietsfläche darzustellen. Derzeit sind Emden (Offshore-Windenergie) und Oldenburg (Solarenergie) herausragende Beispiele für große erneuerbare Erzeugungsleistungen in hochbesiedelten Gebieten.

Die Vorteile Niedersachsens als Windstandort sind auch für den Aufbau einer Wasserstoffindustrie entscheidend. Dabei ist insbesondere der Aufbau von geeigneten Speichern zu beachten und weiter zu erforschen.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität von Morgen in Niedersachsen

Mobilität ist essentiell für unsere Bevölkerung. Der Schutz des Klimas ist wichtig für das Wohlergehen künftiger Generationen. "Es geht jetzt also darum, die Chancen von technologischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Veränderungen zu nutzen, um Mobilität klimafreundlich zu gestalten: Förderung von Elektromobilität, Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs, Unterstützung der Fahrradnutzung und Bereitstellung von nachhaltiger Energie", erläutert Frau Prof. Dr. Meike Jipp, Direktorin des DLR-Instituts für Verkehrsforschung. Das erstellte Fachgutachten zeigt auf, warum genau diese Handlungsfelder relevant sind, um die klimapolitischen Ziele des Landes Niedersachsen zu erreichen. Das vollständige Gutachten "NeueWege – Wege zur nachhaltigen Mobilität in Niedersachsen" finden Sie hier.

Kontakt

Melanie-Konstanze Wiese

Kommunikation Berlin, Neustrelitz, Dresden, Jena, Cottbus/Zittau
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof
Tel: +49 30 67055-639

Dr. Claudia Nobis

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Verkehrsforschung
Personenverkehr
Rudower Chaussee 7, 12489 Berlin