Den kausalen Zusammenhängen des Klimawandels auf der Spur
Schwerpunkte: Klimainformatik, Atmosphärenforschung, globaler Wandel, Big-Data-Plattform
Messmethoden werden immer ausgefeilter, Forschungsfragen komplexer, Datenquellen und -arten vielfältiger. Die Menge an Daten ist besonders in den Naturwissenschaften über die letzten Jahre sprunghaft angewachsen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entwicklung des Klimas zu gewinnen, ist ohne Informatik und Datenwissenschaften kaum möglich. Aus diesem Grund hat sich ein Team aus der Atmosphärenforschung und den Datenwissenschaften am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammengefunden, um mit Klimaforschenden des Imperial College London einen neuen Ansatz zu entwickeln. Ihr Ziel: Klimamodelle mithilfe von Methoden des maschinellen Lernens besser überprüfen zu können, ob sie sich als Tool für die Klimaforschung und -prognose eignen.
Computermodelle – Grundlage für ein besseres Verständnis von Wetter und Klima
Aktuell werden Klimamodelle in mehr als 40 Forschungszentren weltweit entwickelt. Sie sind Teil der Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 (CMIP6) des Weltklimaforschungsprogramms, das derzeit vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre geleitet wird. Klimamodelle werden benutzt, um zu berechnen, wie sich der Klimawandel auf den globalen Temperaturanstieg und regionale Trends wie Stärke der Niederschläge auswirkt. Sie sind damit ein wichtiges Instrument, um die Arbeit von Entscheidungsträgern in Regierungen, staatlicher Planung und Unternehmen zu unterstützen.
Mit maschinellem Lernen zur kausalen Klimamodellevaluation
In allen Wissenschaften ist stets sehr schwer festzustellen, ob die Veränderung eines Parameters auch Ursache für die eines anderen ist. Um verlässliche Analysen und Prognosen für die Klimaentwicklung anstellen zu können, sind allerdings genau solche Erkenntnisse wichtig: Aussagen zu Ursache-Wirkungs-Beziehungen, der Kausalität. Aus einer Korrelation, dem gemeinsamen Auftreten von Phänomenen, kann nicht automatisch auf Kausalität geschlossen werden. Kausalität ist hochkomplex und die sogenannte kausale Inferenz eine Teildisziplin des maschinellen Lernens innerhalb des großen Forschungsfelds der künstlichen Intelligenz. Das DLR-Institut für Datenwissenschaften entwickelt unter der Leitung von Dr. Jakob Runge moderne Methoden der kausalen Inferenz für die Erdsystemforschung.
Ursache und Wirkung in der Klimadynamik – der digitale Fingerabdruck
"Aufbauend auf einem an unserem Institut entwickelten kausalen Algorithmus haben wir gemeinsam mit dem Grantham-Institut am Imperial College London und dem DLR-Institut für Physik der Atmosphäre eine Methode zur Bewertung von Klimamodellen entwickelt. Mit ihnen können wir sozusagen einen digitalen 'Fingerabdruck' von verschiedenen Klimamodellen erstellen. Jeder Fingerabdruck charakterisiert ein kausales Netzwerk, also Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge", erklärt Dr. Jakob Runge. "Wir können derartige Fingerabdrücke auf Basis realer Messdaten erstellen und diese mit modellierten Fingerabdrücken vergleichen. Mit der Methode können Klimamodelle evaluiert und künftig Unsicherheiten in Niederschlags- und anderen Klimaprojektionen reduziert werden."
Die Autorinnen und Autoren der StudieCausal networks for climate model evaluation and constrained projections, die kürzlich in Nature Communications erschien, konnten aus derartigen Vergleichen ableiten, wie gut Klimamodelle die Realität abbilden. Sie fanden, dass Modelle, die die kausalen Netzwerke – die "Fingerabdrücke" – realer Beobachtungsdaten genauer reproduzieren, auch besser die Niederschlagsmuster für verschiedene Regionen der Welt, etwa dicht besiedelte Gebiete in Afrika, Europa, Nordamerika oder Ostasien, modellieren. Im Gegensatz dazu stellten die Forscher fest, dass einfachere Methoden zur Klimamodellevaluierung genau dies eben nicht in der gleichen Form ermöglichen. Die Ergebnisse zeigen, wie neue datengestützte Methoden des maschinellen Lernens genutzt werden können, um Klimamodelle zu evaluieren – und perspektivisch das Verständnis für den Klimawandel zu verbessern.
DLR-Zukunftsforschung – die Big-Data-Plattform
Wie können immer größere Datenvolumina verarbeitet und ausgewertet werden? Wie lassen sich Erdbeobachtungsdaten mit Messungen am Boden und weiteren Quellen wie etwa Bild- und Textinformationen auf Social-Media-Plattformen kombinieren – und damit Satellitenbilder um semantische Informationen anreichern, also eine inhaltliche Bedeutung? Ein intelligentes System könnte die Datensätze miteinander verschränken und zum Beispiel aus einer Gebäudeform die Funktion „Krankenhaus“ ableiten.
Im DLR-Querschnittsprojekt Big-Data-Plattform arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Methoden für den Zukunftsbereich Big-Data-Science. Querschnittsprojekt deshalb, weil hier insgesamt 21 DLR-Institute aus den Forschungsbereichen Raumfahrt, Luftfahrt, Energie, Verkehr und Sicherheit interdisziplinär zusammenarbeiten. Das Projekt begann 2018, hat eine Laufzeit von vier Jahren und ein Finanzvolumen von über 21 Millionen Euro. Die Projektleitung der Big-Data-Plattform liegt beim DLR-Institut für Softwaretechnologie.