Die Verkehrswelt von morgen in den Augen der Jugend
- DLR-Schul-Zukunftsstudie: Wie sehen Verkehr und Mobilitätsverhalten der Menschen in 5, 15 und 35 Jahren aus?
- Solche Befragungen führt das DLR regelmäßig durch, um aktuelle Wünsche, Bedarfe, aber auch Befürchtungen der Menschen zu erfahren.
- Elektromobilität, Umwelt und Nachhaltigkeit waren wichtige Themen für die Befragten.
- Schwerpunkte: Verkehr, Mobilitätsforschung
Verkehrssystemforschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) befragten im zweiten Halbjahr 2019 rund 100 Schülerinnen und Schüler, Eltern und die Lehrkräfte von sechs Schulen in Niedersachsen, wie sie sich den Verkehr und das Mobilitätsverhalten der Menschen in 5, 15 und 35 Jahren vorstellen. Wie sehen die Fahrzeuge der Zukunft aus? Welche Erwartungen, Wünsche, aber auch Ängste haben die Befragten für die Zukunft – bezüglich der Technologien und der Gesellschaft? Wie stark beeinflussen die Wertvorstellungen der Befragten, die Zukunftsvorstellungen? Ziel der DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler ist es, Zukunftsbilder zu sammeln und Szenarien zu analysieren. Diese Erkenntnisse können dann als Grundlage künftiger Verkehrsforschung dienen. Nun liegen die ersten Ergebnisse vor.
Es wird kleine, selbstfahrende Busse geben, die mich zuhause abholen. In der Zukunft gibt es keine Diesel- oder Benzinautos mehr. Es wird neue umweltfreundliche Flugzeuge geben. E-Roller braucht die Welt nicht. Ich wünsche mir ein ‚Chamäleon-Auto‘, in dem ich nicht immer gesehen werde. Das sind nur einige der Vorstellungen, die das Team des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik in seiner Schul-Zukunftsstudie gesammelt hat. Vor allem Elektromobilität, Umwelt und Nachhaltigkeit waren wichtige Themen für die Befragten.
"Wir haben Schülerinnen und Schüler zwischen 15 und 16 Jahren befragt. In dem Alter stehen sie vor den ersten größeren Entscheidungen im Leben: Führerschein und die Wahl des Schulabschlusses", sagt die DLR-Mobilitätsexpertin Dr. Nadine Fritz-Drobeck. Die Erwachsenen wählte das Team nach dem Zufallsprinzip aus. Das einzige gemeinsame Merkmal war, dass alle über mindestens zehn Jahre Mobilitätserfahrung verfügten, also mindestens 28 Jahre alt waren. "Bei unseren Projekten analysieren wir ständig Zukunftsszenarien. Wir suchen detailliertere Antworten und fragen nach konkreten Bedarfen wie auch nach Vorbehalten und Bedenken der Menschen", erklärt Nadine Fritz-Drobeck. "Welche neuen Mobilitätskonzepte sind sinnvoll, welche braucht es? Die Studie ist ein Schritt für uns, Zukunftsbilder zu generieren, an denen wir als DLR gemeinsam forschen können."
Selbstbestimmt autonom fahren, alternative Antriebstechnologien und mit digitalisiertem öffentlichen Nahverkehr die Städte entlasten
Sowohl die Jugendlichen als auch die Erwachsenen äußerten während der Diskussionsrunden viele ähnliche Wünsche und Vorstellungen: Ihrer Einschätzung nach bleibt das Auto ein zentraler Bestandteil im Leben der Menschen. Gerade die Unabhängigkeit bliebe wichtig – und das stärker in ländlichen Regionen. Autonome Fahrzeuge sahen sie als reizvoll an. Die Befragten äußerten allerdings, dass sie selbst entscheiden wollen, wann und wo sie autonom fahren beziehungsweise gefahren werden. Das eigene Fahrzeug versteht die Passagiere und kommuniziert mit ihnen.
Besonders wichtig war den Befragten der öffentliche Personennahverkehr. Dieser soll sowohl in der Stadt als auch auf dem Land ausgebaut werden und kostenlos sein. Die Innenstädte wünschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer generell autofrei und zu einem Großteil als nur von autonomen Straßenbahnen, Bahnen und Bussen sowie von E-Taxis befahrbar. In Großstädten soll ein eigenes Auto im Alltag gar nicht mehr nötig sein. Für Notfälle und Sondersituationen schlugen die Befragten Autos und Shuttles vor, zum Beispiel bestellbar per App. Drohnen liefern Pakete und Medikamente aus. Generell plädierten sie für Ausbau und Förderung der gesamten Infrastruktur, deutlich mehr Fahrradwege und Fahrradschnellstraßen. Die Schülerinnen und Schüler sprachen ein verändertes Verkehrsleitsystem an, einen Verkehr über mehrere Etagen, den unterirdischen Ausbau an Verkehrswegen sowie induktive Ladespuren unter der Fahrbahn. Speziell die Erwachsenen brachten die Idee von autonomen Elektrokapseln ein, die beispielsweise alle zehn Minuten durch die Stadt fahren oder über einen Handydienst bestellt werden können. Diese Elektrokapseln sollen sich zu größeren Einheiten zusammenschließen können und bei längeren Strecken an die Bahn andocken und auf Schienen fahren. Diese könnten auch unterirdisch verlaufen.
Die Befragten forderten auch mehr Grünflächen in den Städten und diskutierten eine CO2-Steuer. Vor allem die Jugendlichen drängten auf eine Änderung der Politik: Sie solle mehr Geld in die Forschung und Förderung der E-Mobilität investieren. Außerdem sahen sie das Recycling alter Batterien als problematisch und betonten, wie wichtig die Arbeit an umweltverträglichen Batterien für E-Fahrzeuge ist. Strom solle aus regenerativen Rohstoffen gewonnen und die Entwicklung von Alternativen zu Öl und Plastik vorangetrieben werden.
Generell soll, so der Konsens vieler Befragten, mehr auf die Entwicklung nachhaltiger Produkte geachtet werden. Weitere Wünsche sind eine intensive Forschung an emissionsarmen Flugzeugen, Wasserstoff als Treibstoff, Magnetschwebebahnen, Vakuum-Bahnen und Hyperschallmodellen.
"Solche Befragungen wollen wir in regelmäßigen Abständen wiederholen. Nur so erhalten wir stets einen aktuellen Stand der Wünsche und Bedarfe in der Bevölkerung", betont DLR-Forscherin Fritz-Drobeck. "So können wir auch gegenüber Wirtschaft und Industrie Empfehlungen aussprechen. Die Inhalte geben wir in unseren Forschungsgemeinschaften weiter und diskutieren sie zusammen mit unseren Partnern." Das DLR plant deshalb, das Projekt fortzusetzen und bundesweite Befragungen in weiteren Schulen mit Unterstützung der DLR_School_Labs durchzuführen.