In der Atmosphäre über Lappland: Klimaforschung mit Stratosphärenballons
- Am 23. Oktober 2019 um 6:33 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit ist der Forschungsballon BEXUS 29 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna gestartet.
- Der Ballon erreichte eine Höhe von rund 26 Kilometern.
- Am 25. Oktober soll BEXUS 28 mit vier weiteren Experimenten folgen.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Höhenforschung, Nachwuchsförderung
Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen den Geheimnissen der Atmosphäre und der Planetenbildung auf die Spur kommen: Am 23. Oktober 2019 startete um 6:33 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit der Stratosphärenballon BEXUS 29 mit Experimenten von Studierendenteams aus mehreren europäischen Ländern vom Raumfahrtzentrum Esrange in Nordschweden. Bei seinem dreistündigen Flug erreichte er eine Höhe von 26 Kilometern. Bereits am 25. Oktober soll mit BEXUS 28 der zweite Ballon der Kampagne folgen. Vier der insgesamt neun Studierendenteams der BEXUS-Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der schwedischen Raumfahrtbehörde SNSA stammen von deutschen Hochschulen.
BEXUS 29: Atmosphärenphysik und Planetenforschung
"BEXUS 29 ist in der diesjährigen Kampagne vor BEXUS 28 gestartet, da auf der Gondel von BEXUS 29 nur vier Experimente untergebracht waren", erklärte Dr. Michael Becker, DLR Programmleiter des REXUS/BEXUS-Programms. "Daher konnte die Nutzlast für den Start schneller vorbereitet werden als die Gondel von BEXUS 28 mit fünf Experimenten. Trotz widriger Wetterbedingungen mit Wind und beginnendem Schneefall war der Ballonflug sehr erfolgreich. Die Teams haben eine Menge Daten gesammelt und werden diese in den kommende Wochen und Monaten auswerten."
Das Team TANOS (Thermal Atmospheric Neutron Observation System) untersuchte den Fluss von thermalen Neutronen in der Atmosphäre. Die Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entwickelten dafür einen Detektor auf Basis einer Gadoliniumfolie, mit der man den Fluss thermaler Neutronen in der Atmosphäre messen kann. Bisher gibt es nur wenige Verfahren, die es ermöglichen, thermale Neutronen zu messen. Diese entstehen durch Interaktion von kosmischer Strahlung mit Partikeln in der Atmosphäre als sogenannte sekundäre Neutronen. Diese Neutronen sind relativ langsam, weisen eine geringe Energie auf und lassen sich vor allem in der Stratosphäre in einer Höhe von 20 Kilometern finden.
Das Experiment IROCS (Influence of Radiation On Charged Spheres) ging der Frage nach, wie sich aus interstellarem Staub ein Planet bilden kann. Es konzentrierte sich dabei auf die physikalischen Prozesse, die bei Teilchen mit einer Größe im Zentimeter- bis Dezimeterbereich für deren Zusammenklumpen (Aggregation) verantwortlich sind. Das Team der Universität Duisburg-Essen entwickelte das Experiment, um solche geladenen Teilchen und deren Aggregation in der Stratosphäre zu untersuchen. In Schwerelosigkeitsexperimenten auf der Internationalen Raumstation ISS und im Fallturm hatten die Nachwuchswissenschaftler bereits Partikel und deren Ladung nach Kollisionen analysiert. Mit dem Experiment IROCS betrachten die Sutdierenden nun den Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Ladung und damit die Aggregation von kollisionsbedingten, geladenen Partikeln während des Fluges in Abhängigkeit von der Flughöhe. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erhoffen sich dadurch ein besseres Verständnis der Enstehung von Planeten.
Mit an Bord von BEXUS 29 war auch das Experiment des Teams SHADE (SDR Helix Antenna Deployment Experiment) der Universität Thessaloniki aus Griechenland, das einen Entfaltungs- und Anzeigemechanismus für eine Helix-Antenne für die Satellitenkommunikation testete. Das Team R2C2 der Luleå University of Technology in Schweden wollte mehr darüber erfahren, was die Radartechnologie und spezielle Materialien für die Navigation von Höhenforschungsballons leisten können.
Experimente für die Atmosphären- und Klimaforschung auf BEXUS 28
Am 25. Oktober soll mit BEXUS 28 der zweite Forschungsballon der Kampagne starten. Mit dabei sind die Experimente von zwei Studierendenteams der Technischen Universität Dresden.
Das Team Gamma-Volantis der Technischen Universität Dresden will unter realen Bedingungen neuartige miniaturisierte Sensoren für Ozon und relative Luftfeuchte während des Flugs in der Stratosphäre testen. Während der Mission wird die Zusammensetzungen von verschiedenen Schichten der Atmosphäre gemessen. Ziel ist es, die dynamische Ozonverteilung in der Atmosphäre besser überwachen zu können, die einen großen Einfluss auf das Klima der Erde hat. Außerdem können solche Ozonsensoren in der Medizin und der Ozonüberwachung verwendet werden.
Das Team OOXYGEN (Organic Oxygen Sensor Reference Experiment), ebenfalls von der TU Dresden, konzentriert sich mit seinem Experiment auf die Messung und damit die detaillierte Beobachtung von Sauerstoff in der Atmosphäre. Während des Fluges wird die Sauerstoffkonzentration gemessen und ein sogenanntes Konzentrationsprofil erstellt. Der hierfür verwendete neuartige Sensor ist einfacher und kostengünstiger und daher auch interessant für technische Anwendungen wie bei Verbrennungsprozessen in Automobilen oder in Kraftwerken.
Das Team DESTINY (Detection of Earthquakes through a Stratospheric Infrasound study) der École Polytechnique in Frankreich untersucht mittels Infraschallmessung seismische Vorgänge der Erde in der Stratosphäre. Von der Luleå University of Technology in Schweden testet das Team IRISC (InfraRed Imaging of astronomical targets with a Stabilized Camera) ein Nahinfrarot-Teleskop für astronomische Messungen mit Statosphärenballons.
REXUS/BEXUS ermöglicht Studierenden die Forschung unter Weltraumbedingungen
Das deutsch-schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht Studierenden, eigene praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSA hat den schwedischen Anteil für Studierende der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.
Jeweils die Hälfte der Ballon-Nutzlasten steht für Experimente von Studierenden deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSA hat ihren Anteil auch für Studierende der übrigen ESA-Mitgliedsstaaten geöffnet. Die deutschen Studententeams erhalten technische und logistische Unterstützung vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnik und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen. Die Flüge werden von EuroLaunch, einem Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA) und dem Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC, durchgeführt.