3. STERN-Kampagne mit Höhenrekord für studentische Raketen
Die Erleichterung und Freude war groß: Am 8. November 2016 ist um 10.30 Uhr Mitteleuropäischer Zeit die Experimentalrakete HEROS3 (Hybrid Experimental Rocket Stuttgart) vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange erfolgreich gestartet und stellte - mit rund 30 Kilometern Höhe - einen neuen europäischen Höhenrekord unter studentischen Raketen auf. Der bisherige Rekord war im vergangenen Jahr von einer Studenten-Rakete der Universität Delft mit einer Maximalhöhe von 21 Kilometern aufgestellt worden. Bereits am 31. Oktober war die Experimentalrakete HEROS2 gestartet - aufgrund eines technischen Problems mit der Elektronik konnten jedoch keine Flugdaten übermittelt werden. Das Studententeam HyEnD der Universität Stuttgart hat die HEROS-Raketen im Rahmen des Programms STERN: Das Raketen-Programm für Studenten (Studentische Experimental Raketen) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) selbst entworfen, gebaut und gestartet.
HEROS 2,3 - Eine Experimentalrakete mit verbesserter Technik
"Wir freuen uns umso mehr über den gelungenen Raketenstart von HEROS3 und darüber, dass sich die umfangreichen Vorbereitungen und Verbesserungen der HEROS-Rakete doch gelohnt haben", berichtet Konstantin Tomilin vom HyEnD-Team erleichtert. Der vom Team aus Stuttgart konstruierte Hybrid-Raketenmotor entwickelte einen Schub, der die rund acht Meter lange und beim Start etwa 160 Kilogramm schwere Rakete auf fast dreifache Schallgeschwindigkeit beschleunigte. Die Treibstoffkombination bestand aus Lachgas und Wachs. Mit Hilfe des an Bord befindlichen Telemetrie-Systems konnten sowohl die wichtigsten Flugdaten als auch die aktuelle Position der Rakete während des Fluges zur Erde übertragen werden. Nach der Landung an dem großen Hauptfallschirm wurde die Rakete per Hubschrauber geborgen, zurück zum Startzentrum Esrange gebracht und dort dem Team übergeben. Dieses wird nun weitere Untersuchungen an dem Triebwerk und der Raketenstruktur durchführen und die Datenspeicher an Bord auswerten.
"Wie schwierig es ist, ein derart komplexes System erfolgreich zu fliegen, hat sich bereits bei der ersten STERN-Flugkampagne im Oktober 2015 gezeigt, als es bei der HEROS1-Rakete zu einem technischen Problem mit dem Triebwerk kam, sodass sie lediglich eine Flughöhe von zwei Kilometern erreichte", erklärt Karsten Lappöhn, STERN-Programmleiter im DLR Raumfahrtmanagement, und ergänzt: "Das vergangene Jahr hat das Team für ausführliche Fehleranalysen, Triebwerkstests und Verbesserungen an der Rakete genutzt: Die Studierenden verstärkten unter anderem die Wärmeisolierung der Brennkammer und bauten zusätzliche Temperatur- und Drucksensoren in die Rakete ein." So wurde der so genannte Vorfallschirm durch einen Überschallfallschirm ersetzt, der die Rakete zunächst abbremst, bevor diese am Hauptfallschirm zu Boden sinkt. An der Startanlage wurden HEROS2 und HEROS3 komplett mit einer Box aus Styropor umschlossen, um sie vor der niedrigen Außentemperatur zu schützen. Zusätzlich kamen temperaturgesteuerte Heizlüfter am Boden zum Einsatz. Ungefähr acht Monate benötigte das Stuttgarter Studententeam für Fehleranalyse, Designänderungen und Bau der beiden identischen Raketen.
"Mittlerweile haben wir die Flugdaten, die zeigen, dass der Start funktioniert hat", sagt Paula Kysela, eine der Verantwortlichen für das elektronische System des HyEnD-Teams. Nach dem Start von HEROS2 mit den fehlenden Telemetriedaten war es zunächst fraglich, ob HEROS3 überhaupt starten kann. Fünf Tage arbeitete das Team hart daran, um den Fehler und eine Lösung zu finden. "Ein Stecker, der beim Abheben der Rakete herausgezogen wird, hat wahrscheinlich einen elektrischen Impuls ausgelöst", erläutert DLR-Programmleiter Lappöhn. "Dieses verursachte ein Abschalten des Bordcomputers und des Telemetrie-Systems, das die Flugdaten zur Erde funkt."
Bei der dritten STERN-Kampagne durchliefen die Studierenden wie bei einer realen Raumfahrtmission sämtliche Prozesse: Sie untersuchten die übrig gebliebenen Raketenteile, werteten die verfügbaren Daten aus und führten Triebwerkstests durch, um die Startsituation nachzustellen und Verbesserungsmöglichkeiten für die Rakete zu finden.
Das STERN-Programm
Ziel des Studenten-Programms ist es, den Teilnehmern bereits während des Studiums erste Erfahrungen mit einem "echten" Raumfahrtprojekt zu ermöglichen. Beim Start auf Esrange gelten die gleichen Sicherheitsbestimmungen wie bei professionellen Höhenforschungsraketen. Innerhalb von drei Jahren entwerfen, bauen und starten die Studenten eine eigene Rakete, führen sämtliche Tests durch und durchlaufen fünf Reviews. Bei einem Review werden alle kritischen Systeme überprüft. Dazu zählen etwa das Triebwerk, der Tank und das Funksystem. Begleitet wurden die STERN-Studenten dabei von den Experten der Mobilen Raketenbasis (Mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR) des DLR und vom Institut für Raumfahrtantriebe am DLR-Standort in Lampoldshausen. Technische Mindestanforderungen sind, dass die Rakete eine Flughöhe von mindestens drei Kilometern sowie Schallgeschwindigkeit erreicht und über ein Bergungssystem verfügt. Zusätzlich wird eine Telemetrie-Einheit als Nutzlast benötigt, die während des Fluges wichtige Daten wie Beschleunigung, Flughöhe und Geschwindigkeit zur Erde sendet. Die Teilnehmer können selbst entscheiden, ob sie den Antrieb eigenständig entwickeln oder einen kommerziellen Raketenmotor verwenden. Zu dem Ingenieurswissen und dem technischen Verständnis ist auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Teams wichtig. Das Programm wird vom DLR Raumfahrmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft- und Energie (BMWi) umgesetzt.