Ceres: Kraterwände steiler als die Eiger-Nordwand
Die Eiger-Nordwand in den Berner Alpen ist schon eine Legende: Die 1800 Meter steile Bergwand gilt bei Bergsteigern als schwierig und herausfordernd. 326 Millionen Kilometer entfernt von der Erde findet aber auch die Eiger-Nordwand auf dem Zwergplaneten Ceres Konkurrenz - dort ragt der Rand des Kraters Occator an manchen Stellen fast 2000 Meter steil in die Höhe. "An manchen Stellen ist der Kraterrand fast senkrecht, an anderen Stellen ist sehr viel Material ins Innere des Kraters nachgerutscht", sagt Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Und diese Extremen befinden sich unmittelbar nebeneinander." Dies zeigen neue Aufnahmen der Kamera an Bord der Dawn-Sonde. Warum Occators Kraterrand mal stabil und mal sehr unstabil ist, können sich die Wissenschaftler noch nicht erklären.
Details aus 1470 Kilometern Höhe
Scharfkantig zeichnen sich die steilen Kraterränder beim Blick aus 1470 Kilometern Entfernung ab. Etwa 25 Prozent der Kraterwände stehen fast senkrecht. In direkter Nachbarschaft sind hingegen größere Massen vom Rand ins Innere abgerutscht. "Vielleicht gibt es entlang des Kraterrands Materialunterschiede - oder zumindest unterschiedliche Festigkeiten." Im Krater-Inneren sind zudem Risse und Ebenen zu erkennen. Umso näher die Sonde um den Zwergplaneten Ceres kreist, desto mehr Details können die Planetenforscher erkennen - und darüber rätseln, wie diese entstanden sind. Mit seinem Durchmesser von fast 1000 Kilometern und seiner runden Form ist Ceres ein Himmelskörper, der es bei der Entstehung des Sonnensystems fast bis zu einem Planeten geschafft hätte. Allerdings nur fast, denn die Anziehungskraft von Jupiter, dem größten Planeten unseres Sonnensystems, hat verhindert, dass Ceres mehr Material einsammeln konnte und so zum Planet wurde. 2006 von der Internationalen Astronomischen (Union IAU) zu einem der insgesamt fünf offiziellen Zwergplaneten ernannt, wird mit Ceres nun zum ersten Mal ein Himmelskörper dieser Kategorie aus dem Orbit untersucht. "Wir haben mit der Dawn-Mission die Gelegenheit, in Ruhe auf die Anfänge unseres Sonnensystems zu schauen", betont DLR-Planetenforscher Ralf Jaumann.
Ceres in drei Dimensionen
Mit den Aufnahmen der Kamera erstellen die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Planetenforschung ein Geländemodell von Ceres, das den Zwergplaneten auch mit der dritten Dimension, der Höhe, zeigt. Dieses Geländemodell war auch die Basis für ein Video, bei dem der Zuschauer um den mächtigen Occator-Krater mit seinem Durchmesser von 90 Kilometern kreist. Dabei wurden die Höhen um den Faktor 1,5 überzeichnet, um die Topographie des Kraters zu verdeutlichen. Insgesamt 6000 Meter beträgt der Unterschied vom tiefsten bis zum höchsten Punkt. In der Mitte: die geheimnisvollen hellen Flecken, über deren Entstehung und Beschaffenheit die Wissenschaftler noch diskutieren.
Stereoaufnahmen fürs Geländemodell
Seit dem 13. August 2015 fliegt Dawn in ihrem bisher niedrigsten Orbit um Zwergplanet Ceres. Mittlerweile hat sie ihren ersten elftägigen Orbit einmal um den Himmelskörper vollendet und Bilder aus einer Höhe von 1470 Kilometern über der Oberfläche gesendet. Insgesamt sechs Mal wird die Kamera die gesamte Oberfläche von Ceres aufnehmen und dabei jeweils in leicht unterschiedlichen Winkel auf den Zwergplaneten blicken. Mit diesen Stereoaufnahmen verfeinern die DLR-Planetenforscher dann auch ihr dreidimensionales Geländemodell. Ende Oktober wird es dann zunächst einmal keine neuen Bilder geben, bis Dawn zwei Monate später den letzten und niedrigsten Orbit in einer Höhe von 375 Kilometern erreicht.
Die Mission
Die Mission DAWN wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.