TEMPUS
Die TEMPUS-Parabelfluganlage ist eine wissenschaftliche Experimentieranlage für die Forschung an schmelzflüssigen und unterkühlten Metallen und Legierungen. Die Abkürzung TEMPUS steht für "Tiegelfreies elektromagnetisches Positionieren unter Schwerelosigkeit".
In der Anlage können elektrisch leitende Proben mit Durchmessern von sechs bis acht Millimetern in einer stromdurchflossenen Spule zum Schweben gebracht, erhitzt und aufgeschmolzen werden. Da die Proben frei in der Spule schweben, wird im Gegensatz zu herkömmlichen Schmelzprozessen in Öfen kein Behälter (Tiegel) benötigt. Die teilweise chemisch äußerst reaktionsfreudigen Metallschmelzen kommen daher nicht in Berührung mit dem Tiegelmaterial. Dadurch werden sie nicht verunreinigt und es gelingt sogar, die Metalle bis zu mehrere hundert Grad Celsius unterhalb ihres Erstarrungspunktes flüssig zu halten (Unterkühlung) – aufgrund der Abwesenheit von Nukleationskeimen. Prozessiert wird typischerweise in einer zuvor evakuierten Ultrahochvakuumkammer unter Schutzgasatmosphäre, d.h. unter Argon beim Aufheizen und Helium zur beschleunigten Abkühlung. Auch das gerichtete und über den Massenfluss geregelte direkte Anblasen der Probe mit Heliumgas (Forced-Gas-Cooling) durch den Probenhalter ist möglich. Dazu werden an den Flugtagen zwei Probenkammern im Wechsel betrieben, die jeweils ein Probenmagazin mit 9 Probenplätzen beinhalten, von denen jedoch eine den Anschluss für das Forced-Gas-Cooling besitzt. Anders als im Erdlabor wird unter Schwerelosigkeit ein Spulensystem verwendet, welches in Superposition sowohl ein Quadrupolfeld zur Positionierung der Probe ins Feldzentrum, als auch ein Dipolfeld zum Aufheizen der Probe ermöglicht. Das Heizfeld ist dabei um eine Größenordnung stärker als das Positionierfeld. Die Kräfte, die durch das Dipol-Heizfeld auf die Probe wirken, führen zu einem „Quetschen“ der Probe, d.h. im flüssigen Zustand zu einer vertikalen Elongation.
Die elektromagnetische Levitation ermöglicht es, über einen weiten Temperaturbereich präzise Messungen von Material- und thermophysikalischen Eigenschaften der flüssigen Metallschmelze durchzuführen. Die Kenntnis dieser Materialdaten ermöglicht beispielsweise die Optimierung technischer Gießprozesse oder die Produktion von magnetischen Werkstoffen. Ferner gehören Glasbildner, Hochentropielegierungen und Systeme im Kontext additiver Fertigungsmethoden zu den prominenter werdenden Probensytemen
Unter Schwerelosigkeit sind zur Positionierung der Proben in der Spule weit schwächere Magnetfelder nötig als unter herkömmlichen Bedingungen auf der Erde. Dadurch kann das Heizfeld nach dem Schmelzen der Probe deutlich reduziert oder vollständig abgeschaltet werden und somit der Temperaturbereich, in dem flüssige Proben untersucht werden können, zu niedrigeren Temperaturen hin ausgedehnt werden. Es verbleibt dann nur noch das Positionierfeld, welches lediglich schwache Rührkräfte in der flüssigen Probe erzeugt, so dass die Schmelze annähernd ungestört beobachtet werden kann. Dies wirkt sich positiv auf die Genauigkeit einiger Messmethoden und die daraus gewonnenen Materialdaten aus.
Die TEMPUS-Anlage wurde im Auftrag der Raumfahrtagentur aufgebaut und wird durch das Institut für Materialphysik im Weltraum des DLR regelmäßig weiterentwickelt. Sie verfügt über umfangreiche berührungsfreie Diagnosemöglichkeiten. Neben der Hochgeschwindigkeitskamera, die Aufnahmen der fortschreitenden Erstarrungsfront aus der unterkühlten Schmelze ermöglicht, besteht über eine spezielle Kopplungselektronik (SCE - Sample Coupling Electronic) die Möglichkeit der elektrischen Leitfähigkeits- und Dichtemessung der festen und flüssigen Proben. Dazu werden an jedem Flugtag Leerspulmessungen vor Parabel #0, nach Parabel #15 und nach Parabel #30, sowie an Tagen mit Nutzung zur Leitfähigkeitsmessung eine Kalibrationsmessung an einer Zirkonium-Referenzprobe durchgeführt, typischerweise in Parabel #14 oder Parabel #16.
Durch Pulsen oder Modulieren des Dipol-Heizfeldes können die flüssigen Proben zum Schwingen angeregt werden. Dadurch können thermophysikalische Eigenschaften wie Viskosität (aus der Dämpfung) und Oberflächenspannung (aus der Schwingungsfrequenz) ermittelt werden. Neben einer Hochgeschwindigkeitskamera können tiefschmelzende Proben auch mit einer Infrarotkamera beobachtet werden, welche häufig parallel zur Hochgeschwindigkeitskamera in einem Setup über einen Strahlteiler verwendet wird.
Die Parabelflug-Experimente dienen einerseits der Vorbereitung künftiger Experimente im elektromagnetischen Levitator (EML) auf der internationalen Raumstation ISS, sowie andererseits der Klärung grundlegender wissenschaftlicher Fragestellungen aus dem Bereich der thermodynamischen Eigenschaften metallischer und halbleitender Schmelzen sowie des Erstarrungsverhaltens und der zugrundeliegenden Mikrostruktur.
Die Anlage wird seit 12 Jahren vom DLR Institut für Materialphysik im Weltraum betrieben. Sie wurde in dieser Zeit kontinuierlich weiterentwickelt und umfassend modernisiert.
Im Rahmen der 43. DLR Parabelflugkampagne werden sehr unterschiedliche Probensysteme bezüglich ihrer thermophysikalischen Eigenschaften sowie der Erstarrungskinetik und der erstarrten Mikrostruktur untersucht. Dies geschieht mit internationaler Beteiligung von Forschungseinrichtungen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Kanada und den USA. Aus Deutschland sind die TUM aus Garching, sowie die Universitäten aus Jena und dem Saarland beteiligt.
Galenko et al. (Uni Jena) untersuchen das System Zr-Cu-Ni-Ti (Glasbildner). Bei der Erstarrung sind Datenpunkte zum Vergleich mit Zr-Cu-Ni Systemen von Interesse.
Bauer, Hartmann und Volk (TUM) testen im Rahmen des Projektes Spider - "Serielles Prozessieren induktiv direkt erregter Reinlegierungen“ erneut die Möglichkeit einer optischen in-situ Messung über ein Faser-Bragg-Gitter, welches in der aufgeschmolzen Probe die Aufnahme eines Echtzeit-Reflektions-Spektrums (Ausdehnung, Temperatur ermöglichen soll. Dazu wurden spezielle Probenhalter gefertigt sowie zusätzliche Hardware an TEMPUS angeschlossen. Neben zwei unterschiedlich zusammengesetzten Al-Si-Legierungen kommen diesmal eine Al-Cu-Legierung, sowie eine Al-Si-Cu-Legierung zum Einsatz.
Ruschel, Adam, Busch, Ghavimi und Yang (Uni Saarland) untersuchen Oberflächenspannung und Viskosität der Glasbildner-Systeme Pd-Ni-P sowie Zr-Cu-Ni-Ti im Niedrigtemperaturbereich und Fe-Si-B-Nb im Hochtemperaturbereich. Zur radialen Sichtbarkeit kommt unter anderem eine Wärmebildkamera zum Einsatz.
Valloton et al. (Uni Alberta, Kanada) untersuchen die Mikrostruktur sowie das Erstarrungsverhalten und die thermophysikalischen Eigenschaften einer Fe-C-Ti-Ni Legierung, welche zur Familie der „High-Strength Low-Alloy“ (HSLA)-Stähle gehört. Untersucht wird der Ti-Ni-Niederschlag, sowie gezielte Erstarrung im nicht-unterkühlten Bereich durch zeitlich präzisen Kontakt mit einer Chill-Cooling Platte während der Abkühlung.
Matson et al. (Tufts University, USA und internationale Partner) untersuchen im Rahmen des Projekts ELFSTONE die thermophysikalischen Eigenschaften sowie die Erstarrungskinetik zweier technischer ternärer Legierungen. Das Experiment trägt den Kurztitel STARS - Superalloy Ternary Analogue Rapid Solidification (STARS).
Im Auftrag des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum (MP) untersuchen Nell und Yang die thermophysikalischen Eigenschaften einer Fe-B-Legierung. Dammer et al. untersuchen im Rahmen des MICAST Projekts die thermophysikalischen Eigenschaften sowie das Erstarrungsverhalten und die Mikrostruktur von Al5-Fe2, d.h. mit erhöhtem Fe-Gehalt, was im Hinblick additiver Fertigungsmethoden von Interesse ist. Bellenbaum und Becker untersuchen die Mikrostruktur von unterkühlt erstarrten Al-Ge-Legierungen unterschiedlicher Zusammensetzungen.
In der Anlage können elektrisch leitende Proben mit Durchmessern von sechs bis acht Millimetern in einer stromdurchflossenen Spule zum Schweben gebracht, erhitzt und aufgeschmolzen werden. Da die Proben frei in der Spule schweben, wird im Gegensatz zu herkömmlichen Schmelzprozessen in Öfen kein Behälter (Tiegel) benötigt. Die teilweise chemisch äußerst reaktionsfreudigen Metallschmelzen kommen daher nicht in Berührung mit dem Tiegelmaterial. Dadurch werden sie nicht verunreinigt und es gelingt sogar, die Metalle bis zu mehrere hundert Grad Celsius unterhalb ihres Erstarrungspunktes flüssig zu halten (Unterkühlung) – aufgrund der Abwesenheit von Nukleationskeimen. Prozessiert wird typischerweise in einer zuvor evakuierten Ultrahochvakuumkammer unter Schutzgasatmosphäre, d.h. unter Argon beim Aufheizen und Helium zur beschleunigten Abkühlung. Auch das gerichtete und über den Massenfluss geregelte direkte Anblasen der Probe mit Heliumgas (Forced-Gas-Cooling) durch den Probenhalter ist möglich. Dazu werden an den Flugtagen zwei Probenkammern im Wechsel betrieben, die jeweils ein Probenmagazin mit 9 Probenplätzen beinhalten, von denen jedoch eine den Anschluss für das Forced-Gas-Cooling besitzt. Anders als im Erdlabor wird unter Schwerelosigkeit ein Spulensystem verwendet, welches in Superposition sowohl ein Quadrupolfeld zur Positionierung der Probe ins Feldzentrum, als auch ein Dipolfeld zum Aufheizen der Probe ermöglicht. Das Heizfeld ist dabei um eine Größenordnung stärker als das Positionierfeld. Die Kräfte, die durch das Dipol-Heizfeld auf die Probe wirken, führen zu einem „Quetschen“ der Probe, d.h. im flüssigen Zustand zu einer vertikalen Elongation.