Experiment KORDYGA (Kollisionsstatistik und Rotationsdynamik in granularen Gasen)
Granulare Materialien bestehen aus einer großen Anzahl fester, makroskopischer Teilchen – wir begegnen Ihnen regelmäßig im Alltag, zum Beispiel als Sand, Zucker oder Cornflakes. In der Natur und in industriellen Prozessen spielt ihre Statik und Dynamik eine immense Rolle. Gerade die Zusammensetzung aus zahlreichen kleinen, festen Teilchen verkompliziert das Verständnis und die physikalische Beschreibung dabei stark, so dass viele ihrer Eigenschaften unzureichend vorhersagbar sind. So können Granulate bei entsprechender Energiezufuhr Zustände ähnlich den Aggregatzuständen fest, flüssig, gasförmig kontinuierlicher Materialen aufweisen. Granulare Gase sind dadurch charakterisiert, dass die Teilchen sich mit zufälligen Geschwindigkeiten und Orientierungen im Raum bewegen und dabei nur selten mit anderen Teilchen zusammenstoßen. Man findet sie auf großer Skale im Universum – im Asteroidengürtel oder bei der Entstehung von Planeten, aber auch in der uns umgebenden Natur und in zahlreichen industriellen Prozessen bei externer Energiezufuhr. Im Gegensatz zu Molekülen wird bei Partikelstößen ein Teil der Bewegungsenergie unwiederbringlich in Wärme umgewandelt. Definiert man die Temperatur analog zu molekularen Gasen über die mittlere Bewegungsenergie der Teilchen, so nimmt diese in einem granularen Gas stetig ab. Um dies zu verhindern, kann von außen Energie zugeführt werden, z.B. in Stößen zwischen Teilchen und bewegten Behälterwänden.
Granulare Gasen sind neben ihrem Vorkommen in der Natur und in diversen technischen Prozessen auch von grundlegendem Interesse für die Modellbildung. Zum einen führt der Energieverlust bei Kollisionen zu einem interessanten statistischen Verhalten, das aufgrund der relativ einfachen Struktur dieses Vielteilchensystems noch direkt mit analytischen und numerischen Modellen verglichen werden kann. Andererseits wird Simulationssoftware in zahlreichen (technischen) Anwendungen genutzt, beruht jedoch oft auf unrealistisch vereinfachten Annahmen zum Kollisionsverhalten und ist häufig nicht ausreichend gegen Experimente validiert. Durch die Analyse von Partikeleigenschaften, Einzelstößen, Anregungseigenschaften und Ensembleverhalten in granularen Gasen können wesentliche Parameter identifiziert und langfristig Modelle verbessert werden.
In der Analyse dreidimensionaler Experimente ist in der Regel die Gewinnung der Partikeldaten aufgrund der Vielzahl der Teilchen und Überdeckungen trotz Einsatz moderner KI-Methoden schon in Systemen kleiner Partikelanzahldichte eine große Herausforderung. Dichte Systeme können so nur von den Rändern aus betrachtet werden.
Auf diesem Parabelflug soll ein neuartiges Messsystem erprobt werden, bei dem einige Zentimeter große autarke Messonden zur Beschleunigungs- und Winkelgeschwindigkeitsmessung in einen Teil der Partikel integriert werden, um so in situ Daten zu gewinnen. Gleichzeitig wird ein optisches Messystem installiert, um eine Validierung und globale Charakterisierung zu ermöglichen. Es werden unterschiedliche Teilchenzahldichten weicher, rauer Gummikugeln unter permanenter Anregung zweier Gefäßwände mit variierbarer Amplitude und Frequenz analysiert. Die Messdaten werden direkt genutzt, um die Parameter begleitender Simulationen anzupassen und die Ergebnisse zu validieren.