SMUG - Self-Motion Under Gravity
Bei der Wahrnehmung von Eigenbewegungen verarbeitet der Mensch unterschiedliche Reize, wobei den visuellen und vestibulären Reizen eine besondere Rolle innerhalb dieses multisensorischen Interaktionsprozesses zugeschrieben wird. Dabei ist unser gesamtes Wahrnehmungssystem an das Leben auf der Erde angepasst bzw. an eine konstante Erdanziehungskraft von 1G. Doch mit Erforschung des Weltalls und anderer Monde/Planeten sind Astronauten/innen bei bisherigen und zukünftigen Missionen veränderten Gravitationsbedingungen ausgesetzt (zum Beispiel Schwerelosigkeit oder reduzierter/erhöhter Gravitation). Daraus resultiert eine Störung des multisensorischen Interaktionsprozesses, so dass mithilfe von Anpassungsmechanismen schwerwiegende Probleme (zum Beispiel Orientierungsverlust oder Bewegungskrankheit) vermieden werden müssen. In diesem Zusammenhang untersucht die internationale Forschergruppe des SMUG-Projekts den Einfluss von veränderten Gravitationsbedingungen auf die Wahrnehmung der Eigenbewegung bei Frauen und Männern.
Zur Durchführung der Experimente wird eine virtuelle Realität (VR) geschaffen, die mittels einer VR-Brille bzw. eines „head-mounted displays“ (HMD) dargestellt wird. In dieser VR-Umgebung werden gezielt visuelle Bewegungsreize (optischer Fluss) erzeugt, die der/dem Betrachter/in die Wahrnehmung von Eigenbewegung suggeriert, ohne dass sich diese/r jedoch physikalisch fortbewegt. Basierend auf dem „leaky integrator model“ von Lappe et. al (2007) wird die Wahrnehmung der Eigenbewegung anhand von zwei zusammenhängenden Aufgaben untersucht. In der ersten Aufgabe müssen die Probanden während der Eigenbewegung in der VR-Umgebung angeben, wann sie ein zuvor angezeigtes Ziel erreicht haben (counting-down). In der zweiten Aufgabe nehmen die Probanden zuerst eine Eigenbewegung über eine gewisse Distanz hinweg wahr, um anschließend anzugeben welche Entfernung sie zuvor zurückgelegt haben (counting-up).
In Verbindung mit weiteren Projekten bzgl. geschlechterspezifischer Unterschiede bei der Wahrnehmung der Eigenbewegung (CSA VECTION - York University) werden die Ergebnisse des aktuellen Projekts es ermöglichen, ein Modell hinsichtlich des Einflusses von Gravitation auf die Verarbeitung visueller Informationen von Frauen und Männern zu erstellen – ein Modell, das es erlaubt, zukünftige Vorbereitung von Astronauten/innen auf der Erde, sowie deren Tätigkeit unter veränderten Gravitationsbedingungen, effektiver und effizienter zu gestalten. Weiterhin liefern die Erkenntnisse einen Beitrag hinsichtlich der Wahrnehmung von Eigenbewegungen auf der Erde. Dies betrifft insbesondere klinische Bedingungen, in denen die Navigation oder der Gang gestört sind (zum Beispiel bei Parkinson).