Beschreibung einer Kampagne

Schwerelos für 22 Sekunden

Ein Airbus A310 ZERO-G fliegt spezielle Flugmanöver, so genannte Parabeln, wobei jeweils für etwa 22 Sekunden annähernde Schwerelosigkeit (Mikrogravitation) herrscht. An einem typischen Flugtag werden 31 Parabeln mit einem charakteristischen Wechsel von Beschleunigungen geflogen (normale Erdbeschleunigung - Hypergravitation - Mikrogravitation - Hypergravitation - normale Erdbeschleunigung). In der Phase der Mikrogravitation herrschen an Bord etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit.

Forschende sowie Ingenieurinnen und Ingenieure aus verschiedenen Fachbereichen wie Physik, Materialforschung, Biologie, Humanphysiologie und Medizin sowie Sportwissenschaften entwerfen ihre Experimente so, dass die jeweils 22 Sekunden Schwerelosigkeit als Mess- und Experimentierzeit ausreichen, um ihre Fragestellungen zu beantworten. Bei einigen Untersuchungen werden auch die typischen Wechsel zwischen den verschiedenen Beschleunigungen ausgenutzt, um die Reaktion des zu untersuchenden Phänomens auf diese Wechsel beziehungsweise die verschiedenen Beschleunigungsphasen zu beobachten.

Beispiele sind die Untersuchung des Einflusses verschiedener Beschleunigungen auf unterschiedliche Krebszellenarten, die Ansteuerung der Muskulatur durch das zentrale Nevensystem, die Aufrechterhaltung und Stabilisierung des Kreislaufsystems, das Verhalten von magnetischen Flüssigkeiten, sowie 3D Druck- und 3D Bioprinting-Verfahren. In einer besonders umfangreichen Experimentvorrichtung (TEMPUS) werden die Eigenschaften von geschmolzenen Metalllegierungen während elektromagnetischer Levitation untersucht.

Was ist ein Parabelflug?

Bei einem Flugzeug-Parabelflug fliegen Testpiloten Flugbahnen, die einer Wurf-Parabel entsprechen. Das Flugzeug, ein Airbus A310 ZERO-G, befindet sich dann mit seinen Passagieren und Experimenten im freien Fall, das heißt, es herrscht während dieser Phase annähernde Schwerelosigkeit. Drei speziell trainierte Testpiloten fliegen diese einzigartigen Manöver zusammen, je einer ist für eine Raumrichtung zuständig. Ihr Ziel ist es, durch feine Regulierung der Lage und Flugrichtung des Flugzeugs sowie des Triebwerkschubes eine möglichst lange Phase der Schwerelosigkeit mit möglichst geringen Restbeschleunigungen zu erreichen.

Aus dem horizontalen Flug holt das Flugzeug mit voller Schubkraft Schwung, erzielt damit eine senkrecht auf den Flugzeugboden gerichtete  Beschleunigung von annähernd doppelter Erdschwerkraft und fliegt steil nach oben. Nach dem Drosseln der Turbinen entsteht dann für etwa  22 Sekunden Schwerelosigkeit mit einer Restbeschleunigung von nur noch einigen 1/100 g (Erdschwerkraft). Nach dem Abfangen des Flugzeugs im Steilflug nach unten herrscht wieder für 20 Sekunden eine erhöhte Beschleunigung von etwa doppelter Erdschwerkraft, die sich dann beim Horizontalflug für fast zwei Minuten auf normale Schwerkraft normalisiert.

Nach einer ersten Testparabel folgen sechs Serien von je fünf Parabeln mit Pausen von vier bis zehn Minuten zum Ändern von Experimentparametern und Wechseln von Proben und Testpersonen.  Nach drei Flugtagen mit je 31 Parabeln stehen also insgesamt 31 bis 34 Minuten Schwerelosigkeit zur Verfügung. Wenn für eine Fragestellung eine bessere Schwerelosigkeits-Qualität benötigt wird, kann man ein Experiment frei schweben lassen. Die  Restbeschleunigungen liegen dann nur noch bei 1/10.000 g. Außerdem können die Piloten die Flugmanöver so ausführen, dass im Flugzeug Beschleunigungen wie auf dem Mond oder dem Mars auftreten. Standardmäßig werden die Parabelflüge vom Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich und gelegentlich vom Flughafen Köln/Bonn aus im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur durchgeführt.

Wie bringe ich mein Experiment auf einen Parabelflug?

Die Deutsche Raumfahrtagentur veranstaltet seit 1999 jährlich mindestens eine, in der Regel zwei Parabelflug-Kampagnen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutscher Forschungsinstitutionen und Firmen können jederzeit einen Experimentvorschlag bei der Deutschen Raumfahrtagentur einreichen. Nach positiver Begutachtung wird ein Flugtermin festgelegt. Die Forschenden haben dann etwa acht Monate Zeit, um die Experimentiergeräte in einen flugfähigen Zustand zu bringen. Die Deutsche Raumfahrtagentur und die durchführende Firma Novespace beraten den Experimentator bei der Vorbereitung und dem Aufbau des Experiments. Dabei müssen besonders technische Anforderungen und einschlägige Sicherheitsvorschriften für den Einbau in ein Flugzeug beachtet werden. Zusätzlich gibt es für deutsche Wissenschaftler die Möglichkeit, Experimentvorschläge bei der ESA einzureichen, die dieselbe Vorgehensweise zur Auswahl und Vorbereitung von Parabelflug-Experimenten hat.

Welche Vorteile bietet ein Parabelflug für die Forschung?

Der wissenschaftliche Parabelflug ist die einzige Schwerelosigkeitsplattform, bei der die Forschenden selbst ihre Experimente an Bord durchführen und kontrollieren können. Dabei kann labor-übliche Experimenthardware verwendet werden, die in sicheren Halterungen installiert sein muss. Der zeitliche Vorlauf vom Einreichen eines Vorschlags bis hin zur Durchführung der Kampagne dauert üblicherweise nicht länger als ein Jahr und kann verlässlich geplant werden. Drei Flugtage pro Kampagne mit insgesamt 93 Parabeln bieten zudem die Möglichkeit, auch ganze Versuchsserien mit unterschiedlichen Parametern durchzuführen.

Weitere Informationen zur Technik

Der Airbus A300 ZERO-G hatte 1973 seinen Jungfernflug und diente anfangs als Testflugzeug. Von 1997 bis 2014 wurde er als Parabelflugzeug eingesetzt. Der Flughafen Köln-Bonn hat den Airbus im Jahr 2014 gekauft und stellt es künftig für die Öffentlichkeit zur Besichtigung aus. Als neues Parabelflugzeug wird seit 2015 ein Airbus A310 ZERO-G eingesetzt, der zuvor als so genannte "Kanzlermaschine" für die deutsche egierung geflogen ist. Das Flugzeug wurde für die Parabelflüge umgebaut - beispielsweise wurde der größte Teil der Flugzeugkabine mit weichen Matten ausgekleidet, damit sich die Passagiere während der Parabelmanöver nicht verletzen.

Verglichen mit anderen weltweit genutzten Flugzeugen für Parabelflüge in den USA, Russland und Japan bietet der Airbus A 310 ZERO-G den größten Experimentierraum. Die Experimentierfläche vor den 50 Passagiersitzen im Heck bietet auf 20 mal 4,9 Metern und einer maximalen Höhe von 2,3 Metern viel Platz zum Aufbau von Experimentanlagen. Hier werden üblicherweise zwölf bis 13 verschiedene Experimentanlagen aufgebaut. Weitere technische Details wie die elektrische Versorgung, Sicherheitsregeln für Geräte und die Versuchsaufbauten stellt die Firma Novespace den ausgewählten Experimentatorenteams zur Verfügung.

Wissenschaft und Experimente

Weitere Informationen über die bei den deutschen Parabelflügen durchgeführten Experimente aus den Bereichen Biowissenschaften, Physik und Materialforschung finden Sie in den Experimentseiten.

Links

Kontakt

Dr. Katrin Stang

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Forschung und Exploration
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn