Mission in Betriebsphase

STEREO

NASA

Die Sonne und ihre energiereichen Ausbrüche in 3-D

Das Solar Terrestrial Relations Observatory (STEREO) ist die dritte Mission im Solar Terrestrial Probes-Programm der NASA. Sie hat zum Ziel, die so genannten Koronalen Masseausbrüche (Coronal Mass Ejections/CMEs) auf der Sonne und während ihrer Ausbreitung in den interplanetaren Raum bis hin zur Erdumlaufbahn mit verschiedenartigen Instrumenten zu beobachten.

Start: 25./26. Oktober 2006

Aktueller Status: Die beiden Zwillingssonden bewegen sich zurzeit auf ihren Umlaufbahnen um die Sonne so, dass sich der Winkelabstand zu unserem Zentralgestirn von der Erde aus gesehen stetig vergrößert. Während STEREO-A den normalen Messbetrieb nach der Konjunktion mit der Sonne am 17. November 2015 wieder aufnehmen konnte, blieb der Kontakt zu STEREO-B unterbrochen. Nachdem über zwei Jahre kein geregelter Kontakt hergestellt werden konnte, stellte NASA die Versuche zur Kontaktaufnahme im Oktober 2018 vorläufig ein.

Wissenschaftliche Zielsetzung

CMEs sind gewaltige Ausbrüche auf der Sonne, bei denen Milliarden Tonnen Sonnenmaterie in riesigen Gasblasen mit Geschwindigkeiten von bis zu 2.000 Kilometern pro Sekunde in den interplanetaren Raum ausgestoßen werden. Schon kurz nach dem Ausbruch erreicht die Ausdehnung der Gasblasen, die das Magnetfeld der Sonne in den Raum mitnehmen, ein Vielfaches des Sonnendurchmessers.

Treffen die CMEs auf das Magnetfeld der Erde, verursachen die so genannten geomagnetischen Stürme nicht nur die bekannten Polarlichter, sondern rufen auch Satellitenausfälle, Störungen der Telekommunikation und Ausfälle von Stromnetzen hervor. Darüber hinaus werden die Astronauten - beispielsweise auf der Raumstation ISS - durch die von CMEs beschleunigten, hochenergetischen Protonen gefährdet.

Koronale Massenausbrüche treten oft in Verbindung mit Sonnen-Flares oder Protuberanzen auf, können jedoch auch ohne diese entstehen. Man beobachtet sie zwar während aller Phasen des elfjährigen Sonnenzyklus, ihre Häufigkeit ist jedoch mit der Phase des Zyklus korreliert.

Obwohl sie große Auswirkungen auf Leben und technische Infrastruktur auf der Erde und in ihrer Umgebung haben können, sind die Mechanismen ihrer Entstehung und Ausbreitung noch weit gehend unverstanden. Ziel der STEREO-Mission ist es daher, die notwendigen Beobachtungen zu liefern, die es den Wissenschaftlern ermöglichen, die mit den koronalen Massenausbrüchen verbundenen physikalischen Prozesse zu verstehen und langfristig zu einer Art Weltraumwetter-Vorhersage zu kommen. Im Einzelnen geht es darum

  • die Ursachen und Auslösemechanismen der Koronalen Massenausbrüche (CMEs) zu verstehen,
  • die Ausbreitung der CMEs durch die Heliosphäre zu verfolgen,
  • die Regionen zu entdecken, wo die solaren, energiereichen Teilchen in der unteren Korona und im interplanetaren Raum beschleunigt werden, und den Beschleunigungsmechanismus zu verstehen,
  • die 3-D-Struktur und die Dynamik der koronalen und interplanetaren Plasmen und Magnetfelder zu bestimmen,
  • den solaren Dynamo durch seine Effekte auf Korona und Heliosphäre zu untersuchen und
  • ein dreidimensionales, zeitabhängiges Modell der Magnetfeldstrukturen, der Temperatur-, Dichte- und Geschwindigkeitsverteilung der schnellen Teilchen im umgebenden Sonnenwind zu entwickeln.

Missionskonzept

Um diese Fragen anzugehen, müssen die Forscher Entstehung und räumliche Ausbreitung der CMEs verfolgen können. Da insbesondere Auswürfe, die sich von der Sonne direkt auf die Erde zu bewegen, kaum in ihrer räumlichen Struktur aufzulösen sind, genügt es nicht, den üblichen Beobachterstandort auf der Erde oder in ihrer unmittelbaren Umgebung einzunehmen.

Startkonfiguration der beiden STEREO-Sonden auf der Delta-Rakete
Die beiden STEREO-Sonden wurden gemeinsam auf einer Delta-Rakete gestartet.
Credit:

NASA/Johns Hopkins University/APL

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Zur Lösung dieses Problems brachte die NASA gleichzeitig zwei fast identische Raumsonden – STEREO-A (Ahead) und -B (Behind) genannt
– ins All, die die Sonne und den interplanetaren Raum bis zur Erdumlaufbahn um die Sonne für mehrere Jahre beobachten sollen. Die beiden Sonden wurden am Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Laurel, MD, entwickelt und gebaut. Eines dieser Raumfahrzeuge läuft der Erde auf ihrer Bahn voran, das andere folgt der Erde. Die Messdaten der beiden STEREO-Sonden, ergänzt um Messungen von Observatorien auf der Erde, von Satelliten im Erdorbit und insbesondere auch von der ESA/NASA-Raumsonde SOHO, die schon seit Ende 1995 die Sonnenaktivität überwacht, ermöglichen, Entstehung, Struktur und Trajektorien der solaren Massenauswürfe detailliert dreidimensional zu beobachten.

Nach ihrem gemeinsamen Start auf einer Trägerrakete wurden die beiden Sonden auf eine ausgeklügelte, höchst effiziente und Kosten sparende Weise auf ihre endgültigen Beobachtungspositionen im All gebracht: Zu Beginn bewegten sie sich auf hochelliptischen Orbits, die sich von der Erde bis gerade jenseits der Mondbahn erstreckten. Nach zwei Monaten wurde eine der Sonden so vom Erdmond abgelenkt, dass sie auf der Erdumlaufbahn um die Sonne hinter der Erde zurückblieb. Etwa einen Monat danach wurde die zweite STEREO-Sonde durch ein ähnliches Swing-by-Manöver am Mond auf eine Bahn gelenkt, die der Erde voraus läuft.

Bis zum Februar 2011 hatten sich die Zwillingssonden so weit von der Erde entfernt, dass sie sich in Bezug auf die Sonne genau gegenüber standen. Damit war es zum ersten Mal möglich, gleichzeitig die gesamte Sonne einschließlich ihrer erdabgewandten Seite zu sehen. Im März 2015 trafen sich STEREO-A und -B auf der erdabgewandten Seite der Sonne. Durch Abschattung durch die Sonne und Störung der Signale war über mehrere Monate hinweg kein Kontakt zu den Sonden möglich. (Aktuelle Position der beiden Sonden.) Inzwischen hat STEREO-A den Messbetrieb in vollem Umfang wieder aufgenommen. Bei STEREO-B wurden die Bemühungen der NASA um eine Wiederinbetriebnahme vorläufig eingestellt, nachdem es über zwei Jahre nicht gelungen war, den Kontakt wieder aufzunehmen.

Die STEREO-Sonden sind so ausgelegt, dass sie weitgehend autonom arbeiten. Das ermöglicht eine Trennung der Kontrolle der Raumfahrzeuge und ihrer Instrumente. Die Experimentwissenschaftler kontrollieren daher ihre Experimente von eigenen, so genannten Payload Operation Centers aus. Einmal täglich werden die Steuerkommandos über das STEREO Mission Operations Center, das sich am Applied Physics Laboratory (APL) der Johns Hopkins University in Laurel, Maryland, befindet, gegeben. Von dort werden sie zusammen mit den Kommandos für die Sonden über das Deep Space Network der NASA an die Raumfahrzeuge gesendet.

Das Mission Operations Center am APL gibt außerdem die von STEREO-A und -B empfangenen Messdaten an das STEREO Science Center am NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland, und an die jeweiligen Payload Operation Centers weiter.

Wissenschaftliche Nutzlast

STEREO-A und -B tragen vier identische wissenschaftliche Instrumente bzw. Instrumentpakete:

Instrument
Kurzbeschreibung
Principal Investigator (PI)
SECCHI
(Sun-Earth Connection Coronal and Heliospheric Investigation)
Teleskopgruppe, bestehend aus zwei Koronographen (COR 1 und 2), einer UV-Kamera (EUVI) und einer Kamera für die Beobachtung der Heliosphäre (Heliospheric Imager, HI)
Russell Howard,
Naval Research Laboratory,
Washington, D.C., USA
IMPACT
(In-situ Measurements of PArticles and CME Transients)
Paket von sieben Instrumenten zur Vor-Ort-Messung der 3-D-Verteilung der Elektronen im Sonnenwind-Plasma, der Eigenschaften der solar energetic particle (SEP) -Ionen und Elektronen, und des lokalen Vektors des Magnetfelds:

SWEA (Solar Wind Electron Analyzer)
STE (Suprathermal Electron Telescope)
MAG (Magnetometer)
SEPT (Solar Electron Proton Telescope)
SIT (Suprathermal Ion Telescope)
LET (Low Energy Telescope)
HET (High Energy Telescope)
Janet Luhman,
Space Science Laboratory,
University of California, Berkeley, USA
PLASTIC
(PLAsma and SupraThermal Ion and Composition)
Experiment zur Vor-Ort-Messung der Geschwindigkeit, der Dichte und der Temperatur des Sonnenwindes sowie Messung der Ladungszusammensetzung suprathermaler Ionen
Antoinette Galvin,
University of New Hampshire,
Durham, USA
SWAVES
(STEREO/WAVES)
Experiment zur Messung solarer Radiobursts
(in-situ und fern)
Jean-Louis Bougeret,
Observatoire de Paris, Meudon, Frankreich

Deutsche Beiträge zu STEREO (SECCHI, IMPACT und PLASTIC)

Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR beteiligt sich seit dem Jahr 2000 durch Förderung verschiedener Experimentbeiträge an STEREO:

Eine Gruppe des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) um Dr. Volker Bothmer (jetzt am Astrophysikalischen Institut der Universität Göttingen) hat in Zusammenarbeit mit der Universität Kiel die Eintrittsaperturen für die beiden Koronographen und die EUV-Kamera des SECCHI-Instruments gefertigt und beigestellt. Sie verhinderten, dass die Teleskope während der Start- und Einschussphase der Mission durch Staub oder Triebwerksgase kontaminiert und damit unbrauchbar werden.

Am selben Institut hat sich eine Gruppe um Dr. Rainer Schwenn und Dr. Bernd Inhester der äußerst komplexen Datenauswertung des SECCHI-Instruments angenommen und Software zur stereoskopischen Bildverarbeitung, zur Datenanalyse der 3-D-Beobachtungen der Sonnenkorona und der inneren Heliosphäre und zur der Modellierung des koronalen Magnetfelds entwickelt.

Schließlich beteiligt sich das MPS auch am Instrumentenpaket IMPACT: Dr. Axel Korth und Mitarbeiter entwickelten und bauten die Flugzeitelektronik des zu IMPACT gehörenden Experiments SIT (Suprathermal Ion Telescope), einem Flugzeitspektrometer, das die Ionen-Komposition im Sonnenwind misst.
Alle weiteren MPS-Aktivitäten zu STEREO während der laufenden Mission werden von Dr. Inhester koordiniert.

Ein weiterer wichtiger Beitrag zu IMPACT kommt vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel. Wissenschaftler des Instituts um Reinhold Müller-Mellin entwickelten und bauten das Solar Electron and Proton Telescope (SEPT). Jeweils zwei baugleiche Teilchenteleskope auf den STEREO-Sonden messen und unterscheiden während der Mission Elektronen und Protonen als Bestandteile des Sonnenwindes nach Art, Energie und Einfallsrichtung. Die Betreuung dieses Instruments wurde inzwischen von Prof. Bernd Heber, dem Leiter der Arbeitsgruppe „Heliosphärische Astroteilchenphysik“ des Kieler Instituts übernommen.

Daneben beteiligt sich der Leiter der Arbeitsgruppe „Extraterrestrische Physik“ des Kieler Instituts, Prof. Robert Wimmer-Schweingruber, als Co-Investigator am PLASTIC-Experiment auf STEREO, ebenso wie Dr. Berndt Klecker vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik.

Allgemeine Parameter der beiden STEREO-Sonden und der Mission:

  
Start:
25. Oktober 2006, 20:52 Uhr Ortszeit von Cape Canaveral, Florida, USA
(26. Oktober, 02:52 Uhr MESZ)
Trägerrakete:
dreistufige Delta II 7925
Missionsdauer:
Primärmission: 2 Jahre (Gesamtmissionsdauer: inzwischen mehrfach verlängert)
Masse der Sonden:
620 Kilogramm
Äußere Abmessungen:
Höhe: 1,14 Meter
Breite: 1,22 Meter (Startkonfiguration) bzw.
6,47 Meter (Solargenerator ausgefahren)
Tiefe: 2,03 Meter
Leistungsaufnahme:
475 Watt pro Orbit
Datenübertragungsrate:
720 kbits/s (downlink)
Massenspeicher an Bord:
1 Gigabyte
Lageregelung:
< 7 Bogensekunden (Kontrolle)
< 1 Bogensekunde (Erfassung)
Bodenstationen:
NASA Deep Space Network und verschiedene kleinere Bodenstationen, unter anderem an der Sternwarte Bochum (AMSAT-DL mit Förderung durch das DLR Raumfahrtmanagement)
Missionsbetriebszentrum:
STEREO Mission Operations Center
am Applied Physics Laboratory (APL) der Johns Hopkins University in Laurel, MD
Wissenschaftliches Datenzentrum:
NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt, MD
Wissenschaftlicher Betrieb:
getrennt für die vier Experimente in eigenen
Payload Operation Centers

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