Mission in Planung/Entwicklung

LISA – Das größte Observatorium der Welt

AEI / MM / exozet; Gravitationswellen-Simulation: NASA / C. Henze

Das größte Observatorium der Welt

Die ESA-Mission LISA (Laser Interferometer Space Antenna) wird voraussichtlich ab 2035 niederfrequente Gravitationswellen aus dem Weltraum nachweisen und die Eigenschaften ihrer Quellen mit großer Genauigkeit untersuchen. Gravitationswellen sind Schwingungen der Raumzeit. Sie werden durch schnelle zeitliche Änderungen in der räumlichen Verteilung sehr großer Massen hervorgerufen, beispielsweise durch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher.

Sie breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit im Raum aus und weisen ein Schwingungsmuster und einen Frequenzverlauf auf, die für ihre Quelle charakteristisch sind. Die mit LISA beobachtbaren Frequenzen von Gravitationswellen liegen dabei in einem sehr langsam schwingenden Bereich von einigen hunderttausendstel bis hinauf zu etwa einem Hertz (Schwingungen pro Sekunde). Dies erlaubt es, Quellen zu beobachten, die zwischen etwa tausend und zehn Millionenmal die Masse unserer Sonne haben, da diese solche langsam schwingenden Wellen aussenden.

LISA wird sich in ein bestehendes Netzwerk bodengebundener Gravitationswellenobservatorien einfügen. Hierzu gehören beispielsweise LIGO in den USA und Virgo in Italien. Diese empfangen Schwingungen mit deutlich höheren Frequenzen von etwa 30 bis zu einigen 1000 Hertz und beobachten deshalb andere Quellen als LISA.

Gravitationswellen machen sich als winzige, sich periodisch wiederholende Änderungen von Abständen auf der Erde und im All, den Amplituden der Gravitationswellen bemerkbar. Diese Wellen erreichen uns mit einer so unglaublich kleinen Stärke, dass sie nur äußerst schwer gemessen werden können. Gravitationswellendetektoren wie LISA oder LIGO arbeiten mit Laserstrahlen, die über definierte Messstrecken laufen (Laserinterferometer). Trifft eine Gravitationswelle auf den Detektor, dehnt und staucht sie diese Strecken periodisch, was mit Hilfe des Laserstrahls gemessen werden kann. Die Längenänderung liegt dabei für LISA im Bereich von nur wenigen Femtometern, also einem Hundertstel des Durchmessers eines Wasserstoffatomkerns.

LISA
Simulation der Abstrahlung von Gravitationswellen während der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher
Die Simulation zeigt das Ineinanderstützen und Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher. Bei diesem Vorgang werden Gravitationswellen frei, die hier je nach ihrer Schwingungsamplitude mit unterschiedlichen Färbungen dargestellt sind. Dabei deutet eine rötliche Färbung große, zu Blau und Schwarz hin immer kleinere Amplituden an. LISA wird in der Lage sein, diese Gravitationswellen und die einer großen Zahl ähnlicher Quellen zu registrieren. Hierdurch lassen sich viele Informationen über diese Quellen gewinnen und dadurch das Verständnis der Entwicklung unseres Universums stark erweitern.
Credit:

AEI / Werner Benger / ZIB

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Bereits bestehende Detektoren auf der Erde, wie beispielsweise Virgo oder LIGO, arbeiten mit Messstrecken von drei beziehungsweise vier Kilometern. Sie beobachten Gravitationswellen mit hohen Frequenzen, die von vergleichsweise massenarmen kosmischen Objekten ausgesandt werden. Die Messstrecke bei LISA wird mit rund 2,5 Millionen Kilometern sehr viel größer sein als die der erdgebundenen Gravitationswellendetektoren. Mit ihr können Gravitationswellen mit sehr niedrigen Frequenzen erfasst werden. Sie stammen von kosmischen Objekten, die bis mehr als zehn Millionen Mal die Masse unserer Sonne haben. LISA wird damit eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden Detektoren sein.

LISA
LISA wird in Ergänzung zu bodengebundenen Observatorien sehr verschiedene Quellen von Gravitationswellen beobachten können
LISA wird in Ergänzung zu bodengebundenen Observatorien sehr verschiedene Quellen von Gravitationswellen beobachten können. Dazu zählen beispielsweise extrem kurzperiodische Doppelsterne in unserer Galaxis, massive Schwarze Löcher mit bis zu einigen zehn Millionen Sonnenmassen in den Zentren von fernen Galaxien, das „Einspiralen“ von kompakten Objekten wie Sternen und Neutronensternen in massive Schwarze Löcher und einander immer enger umkreisende Schwarze Löcher mit Massen vergleichbar der Sonne. Aufgetragen über den Gravitationswellen-Frequenzen sind deren Amplituden („relative Längenänderung“). Die Empfindlichkeit des Instruments ist gestrichelt gezeigt. Dargestellt sind neben dem galaktischen Hintergrund (grau) und kurzperiodischen Doppelsternen in unserer Galaxis (blaue Punkte und Sterne) die zeitlichen Entwicklungen von Doppelsystemen aus massiven Schwarzen Löchern (MBHBs – Massive Black Hole Binaries) sowie das Einspiralen von Objekten geringerer Masse in massereiche Schwarze Löcher (EMRIs – Extreme Mass Ratio Inspirals). Außerdem ist die zeitliche Entwicklung der ersten nachgewiesenen Quelle GW150914 gezeigt (blaue Linie), die vor langer Zeit aus dem Frequenzband von LISA heraus und in das von LIGO hineingelaufen ist. Eine ähnliche Entwicklung zeigen die roten und grauen Linien für andere Quellen.
Credit:

LISA-Konsortium (bearbeitete Abbildung aus Physik Journal 21 (2022) Nr.2)

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Die LISA-Mission und ihre wissenschaftliche Nutzlast

Die winzigen Amplituden einer Gravitationswelle lassen sich nur durch höchst empfindliche Lasermessungen (Interferometrie) nachweisen. LISA wird hierzu ein Laserinterferometer im Weltall aufspannen, indem drei baugleiche Sonden ein nahezu gleichseitiges Dreieck mit rund 2,5 Millionen Kilometern Seitenlänge bilden. An Bord einer jeden Sonde befinden sich jeweils zwei Teleskope, die Laserstrahlen zu beiden anderen Sonden senden und von diesen wiederum Laserlicht empfangen. Zu jedem der Teleskope gehört eine verspiegelte, würfelförmige Testmasse aus einer speziellen, metallischen Legierung (Gravitational Reference System – GRS) und eine Optische Bank (OB); Die Testmassen schweben während des Messbetriebs frei in ihren Gehäusen. Sie bilden zugleich Spiegel für die von den anderen Sonden ausgesendeten Laserstrahlen. Äußere Störungen auf die Sonden und damit die Testmassen, verursacht etwa durch den Strahlungsdruck der Sonne, Magnetfelder oder wechselnde Gravitationskräfte, werden durch deren Aufbau weitgehend eliminiert. Weitere Störungen werden mit Hilfe eines sogenannten „Drag-Free Attitude Control Systems“ (DFACS) und hochempfindlichen Steuertriebwerken (Kaltgas-Mikronewton-Triebwerke) kompensiert. Das DFACS misst dabei diese Störungen und wandelt die Messergebnisse in entsprechende Korrektursignale für die Triebwerke um.

Wichtig ist auch die berührungslose Kontrolle der unerwünschten, elektrostatischen Aufladung der Testmassen mittels UV-Licht (Entladung). Diese Aufladung wird vor allem durch die im Weltall allgegenwärtige kosmische Partikelstrahlung verursacht. Zusammen mit der notwendigen, störungsarmen Steuer- und Nachweiselektronik (u.a. ein sogenanntes Phasenmeter) bilden die beschriebenen Elemente das „Moving Optical SubAssembly“ (MOSA). Teleskop, OB und GRS werden in dieser beweglichen Montierung so nachgeführt, dass die Laserverbindung zur jeweils gegenüberliegenden Sonde des Interferometers stets erhalten bleibt. Eine direkte Rückreflektion des Laserstrahls über 2,5 Millionen Kilometer ist selbst bei deren sehr geringer Strahlaufweitung wegen der äußerst geringen Strahlungsenergie am Empfänger nicht sinnvoll; vielmehr wird deshalb von der empfangenden Sonde jeweils ein phasengekoppelter „frischer“ Strahl zurückgeschickt.

GRS und OB sowie andere, nun bei LISA zum Einsatz kommende Technologien, wurden von 2015 bis 2017 bereits bei der Technologie-Demonstrationsmission LISA Pathfinder erfolgreich im Weltraum erprobt.

Der Ursprung von Gravitationswellen

Ausreichend starke und damit auf der Erde nachweisbare Gravitationswellen werden durch sehr schnelle zeitliche Änderungen sehr großer Massen verursacht, die zumindest der Masse der Sonne vergleichbar sind. Dies sind zum Beispiel Doppelsterne in unserer Milchstraße, die sich im extrem kurzen Zeitraum von nur wenigen Minuten gegenseitig umkreisen, Schwarze Löcher, die Sterne auseinanderreißen, oder gar mit anderen Schwarzen Löchern verschmelzen. Die Massen der Schwarzen Löcher reichen dabei von einigen wenigen bis hin zu Millionen von Sonnenmassen, insbesondere bei Schwarzen Löchern in den Zentren ferner Galaxien. Auch Neutronensterne, kompakte Überreste von massereichen Sternen am Ende ihrer Lebenszeit, können miteinander verschmelzen und dabei Gravitationswellen erzeugen. Schließlich wird erwartet, dass auch bei Vorgängen sehr kurz nach dem Urknall Gravitationswellen abgestrahlt worden sind. Analog zu Wellen an einer Wasseroberfläche breiten sich all diese Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit im Raum aus und werden sich durch LISA nachweisen lassen. Diese Beobachtungen von Gravitationswellen werden maßgeblich dazu beitragen, unser Wissen über die Entwicklung des Universums, die Entstehung von Galaxien und auch über die Gravitation selbst deutlich zu erweitern.

Von großer Bedeutung ist zudem die geplante Suche nach Signalen von Gravitationswellenereignissen und permanenten Quellen von Gravitationswellen im sichtbaren Licht und anderen Bereichen des Spektrums elektromagnetischer Wellen, wie etwa bei Gamma- und Röntgenstrahlung oder bei Radiowellen durch Teleskope am Boden und im Weltraum. Schließlich soll auch nach Neutrinos von Gravitationswellen-Ereignissen Ausschau gehalten werden (Neutrinos sind Elementarteilchen mit äußerst geringer Masse, die bei Prozessen in der Umgebung von Gravitationswellenereignissen entstehen könnnen). Ziel ist es, auf diese Weise ein möglichst umfassendes Bild für die astrophysikalische Interpretation der Quellen von Gravitationswellen zu erhalten.

LISA
Das Laserinterferometer von LISA besteht aus drei Sonden, die in einem (nahezu) gleichseitigen Dreieck von 2,5 Millionen Kilometern Seitenlänge angeordnet sind.
Das Laserinterferometer von LISA besteht aus drei Sonden, die in einem (nahezu) gleichseitigen Dreieck von 2,5 Millionen Kilometern Seitenlänge angeordnet sind; sie folgen als gesamte Konfiguration der Erde auf ihrem Lauf um die Sonne in einem Abstand von etwa 50 Millionen Kilometern (gegen den Urzeigersinn).
Credit:

LISA-Konsortium; Anpassungen: H.-G. Grothues

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Internationale Zusammenarbeit und deutsche Beteiligung an LISA

Als L3-Mission im Wissenschaftsprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird LISA unter Beteiligung der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und mit Beistellungen zur Nutzlast aus mehr als zehn europäischen Ländern entwickelt und gebaut. Ein wissenschaftliches LISA-Konsortium ist maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt und baut zudem die Datenverarbeitung und –archivierung der Mission auf. Der deutsche Beitrag zu LISA besteht aus einer Beistellung des zentralen Phasenmeters der Nutzlast durch das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik / Albert-Einstein-Institut (AEI) in Hannover. Außerdem wird das AEI in Zusammenarbeit mit niederländischen Partnern einen kritischen, opto-mechanischen Mechanismus für die Nutzlast liefern. Schließlich unterstützt das AEI die Mission auch bei vielen Fragestellungen zum Systemdesign. Das AEI stellt zugleich den Principal Investigator der Mission. Die Beteiligung des AEI an LISA wird durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), vertreten durch die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR maßgeblich unterstützt.

Missionsdaten

 

Mission

LISA (Laser Interferometer Space Antenna)

Missionsthemen

Nachweis von Gravitationswellen und Charakterisierung ihrer Quellen

Starttermin

August 2035

Startplatz

Kourou (Französisch Guayana)

Trägerrakete

Ariane 6.4

Missionsdauer

min. 6,25 Jahre (inkl. 4.5 Jahre nom. Betrieb) / 6 Jahre Missionsverlängerung

Orbit

heliozentrischer Drift-Orbit (Erdabstand > 50 Millionen km)

Startmasse

etwa 8.300 kg (drei Sonden)

Nutzlastmasse

etwa 830 kg (Nutzlast pro Sonde)

Abmessungen

4,8 m x 3,0 m x 1,1 m (eine Sonde) / Dreieck mit 2,5 Mio. km Seitenlänge

Elektrische Leistungsaufnahme

etwa 2.300 W (Sonde mit Nutzlast, voller Nutzlastbetrieb)

Telemetrierate

etwa 270 kbit/s (X-Band, Downlink pro Sonde)

Links

Weitere Gravitationswellendetektoren:

Downloads

Kontakt

Dr. Hans-Georg Grothues

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Erforschung des Weltraums
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn

Sascha Heupel

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Erforschung des Weltraums
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn