Chancen und Risiken automatisierter LKW-Transporte
- Das DLR hat Potenziale und Auswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens für den Straßengüterverkehr untersucht.
- Autonom fahrende LKW können ein Lösungsansatz für den drastischen Fahrermangel in der Logistikbranche sein.
- Hohe Investitionskosten für diese Zukunftstechnologie stellen mittelständische Unternehmen des Sektors vor große Herausforderungen.
- Fahrerlose LKW werden die Verlagerung des Transports von der Schiene auf die Straße vorantreiben.
- Schwerpunkte: Verkehr, Digitalisierung, intelligente Mobilität
Geringe Gewinnspannen und ein drastisch anwachsender Fahrermangel setzen deutsche Unternehmen im Bereich der Straßenverkehrslogistik seit Jahren unter Druck. Deshalb hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit der Technischen Universität Hamburg im Forschungsprojekt „ATLaS“ (Automatisiertes und vernetztes Fahren in der Logistik) die Potenziale und Auswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens für den Straßengüterverkehr untersucht. Das DLR-Institut für Verkehrsforschung in Berlin befragte für die Studie Logistikfirmen aus dem Raum Berlin und Brandenburg, welche Anforderungen und Erwartungen sie an automatisiert fahrende LKW haben. Gleichzeitig untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Potenziale und Auswirkungen dieser Technologie für die Branche und das gesamte Verkehrssystem.
Autonom fahrende LKW als Lösung für Fahrermangel
„Die von uns befragten Unternehmen sehen in autonom fahrenden LKW vor allem eine Lösung für den stetig wachsenden Fahrermangel. Dafür muss die Technologie allerdings spätestens in zehn Jahren verlässlich einsatzbereit sein und sich eng an den Anforderungen der Nutzer orientieren“, fasst DLR-Forscher Dr. Stephan Müller zusammen. Zudem schätzen die Teilnehmer der Studie, dass sich durch fahrerlose Transporte 30 bis 40 Prozent der Kosten sparen und sich so die Margen erhöhen lassen. Zwei Anwendungsszenarien der Fahrzeughersteller sind für die Logistikunternehmen hingegen wenig relevant: Automatisierte LKW können sicher in Konvois fahren, also mit einem deutlich kleineren Abstand als bisher. So verringern sich der Luftwiderstand und damit der Kraftstoffverbrauch. Auch die Idee des automatisierten Transporters als „mobiles Büro“ – das dem Fahrer die Möglichkeit bietet, während der Fahrt zum Beispiel Termine zu verwalten oder mit Kunden zu sprechen – trifft in der Branche auf wenig Resonanz.
Hohe Investitionskosten: Konzerne im Vorteil gegenüber dem Mittelstand
Bei komplexen Innovationen wie dem automatisierten und vernetzten Fahren ist vor allem zu Beginn damit zu rechnen, dass die Technik einige ‚Kinderkrankheiten‘ haben wird. „Vor allem die mittelständischen Logistikunternehmen sind jedoch auf sehr robuste und zuverlässige Fahrzeuge angewiesen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wollen und können diese Unternehmen keine millionenschweren Investitionen in eine aktuell noch relativ unsichere Technologie tätigen“, beschreibt Stephan Müller. Nur die großen, weltweit aktiven Firmen können diese Innovationsleistung erbringen und davon profitieren. „Es könnte also zu einer einschneidenden Marktkonsolidierung in der Logistikbranche zum Vorteil der ‚Global Player‘ kommen. Will die Politik dem etwas entgegensetzen, gilt es, die mittelständischen Unternehmen gezielt zu unterstützen. Nur so können diese den technologischen Wandel ebenfalls mitgehen und für sich nutzen“, bilanziert DLR-Experte Müller.
Weitere Verlagerung von der Schiene auf die Straße?
Im Rahmen der Studie erarbeiteten die Forschenden zudem Szenarien für die Technikeinführung. Eine zentrale Erkenntnis: Automatisiert fahrende LKW werden die Verlagerung des Transports von der Schiene auf die Straße weiter deutlich vorantreiben. Fahrerlose Transporte auf Autobahnen werden wesentlich günstiger sein als der Schienenverkehr. Bis zu zwei Drittel des Güterverkehrs könnten sich von der Schiene auf die Straße verlagern. „Neben strikt marktwirtschaftlichen Argumenten müssen deshalb die Aspekte Umweltschutz und die Belastung durch Staus auf unseren Straßen bei der gesellschaftlichen Diskussion eine wichtige Rolle spielen“, sagt Stephan Müller.
Deshalb wollen die Mobilitätsspezialisten im nächsten Schritt die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen und Konsequenzen der Einführung von automatisierten LKW untersuchen, um Akteure in Wirtschaft, Politik und Administration besser beraten und begleiten zu können. Um den Güterverkehr auf der Schiene zu stärken, regt DLR-Wissenschaftler Müller die Forcierung einer Innovationsstrategie für diesen Sektor an. Im Zuge des Projekts Next Generation Train (NGT) arbeiten die DLR-Verkehrsforschenden bereits an neuartigen Cargo-Konzepten für den Schienengüterverkehr der Zukunft.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützte das Forschungsprojekt ATLaS im Rahmen der Förderrichtlinie „Automatisiertes und vernetztes Fahren auf digitalen Testfeldern in Deutschland“.