Mehr Power für die Solartechnik der Zukunft
- Am Donnerstag, 31. Mai 2018, ist um 6.00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit die Forschungsrakete TEXUS 55 vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden gestartet.
- Mit an Bord waren vier deutsche Experimente zu Solar- und Materialforschung sowie zur Gravitationsbiologie.
- Bereits am 13. Mai war TEXUS 54 mit drei Experimenten zur Zell- und Laserforschung erfolgreich gestartet.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Energieeffizienz
Am Donnerstag, 31. Mai 2018, ist um 6.00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit die Forschungsrakete TEXUS 55 vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden gestartet. Die Rakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) trug vier deutsche Experimente zu Solar- und Materialforschung sowie zur Gravitationsbiologie in eine Höhe von 255 Kilometern. Während der rund zwanzigminütigen Flugzeit herrschte etwa sechs Minuten lang Schwerelosigkeit, bevor die Nutzlast planmäßig am Fallschirm landete. Bereits 18 Tage vorher, am 13. Mai 2018, war die Forschungsrakete TEXUS 54 mit drei weiteren Experimenten an Bord erfolgreich gestartet.
Effizientere Solarzellen für die Energiewende
Die Energiewende gilt als eines der wichtigsten Zukunftsprojekte in Deutschland. Um sie voranzubringen gilt es, alternative Energielieferanten wie die Solartechnik zu optimieren und deren Effizienz zu steigern. Dieser Aufgabe widmet sich das Experiment "ParSiWal-2" (Bestimmung der kritischen Einfanggeschwindigkeit von Partikeln bei der gerichteten Erstarrung von Solarsilizium im Weltall) von Forschern des Fraunhofer Instituts für Integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie (IISB) in Erlangen und der Universität Freiburg. Solarzellen wandeln Sonnenlicht in elektrische Leistung um. Ausgangsmaterial für Solarzellen sind Silizium-Kristalle, die nach einem speziellen Verfahren hergestellt werden. Das Experiment untersucht den unerwünschten Einbau von Siliziumkarbid- und Siliziumnitrid-Partikeln, die bei der Kristallisation von Siliziumkristallen auftreten können. Da dieser Einbau die Ausbeute und die Qualität der Solarzellen mindert, gilt es herauszufinden, wie sich dies bei der Produktion zukünftig vermeiden lässt. TEXUS 55 setzt damit die Experimentreihe fort, die bereits auf TEXUS 51 und TEXUS 53 begonnen wurde.
Wie nehmen Pflanzen die Schwerelosigkeit wahr?
Im biologischen Experiment GENTEX auf TEXUS 55 wollen Wissenschaftler der Universität Freiburg Gene und Genprodukte (Boten-RNA) identifizieren, die bei der Wahrnehmung und der Verarbeitung des Schwerkraftreizes in Pflanzen eine Rolle spielen. Dazu fliegen Keimlinge der "Acker-Schmalwand" mit, einer Pflanze, die aufgrund ihrer genetischen Struktur von Forschern als Modellorganismus benutzt wird. Die Forscher suchen in diesem Experiment zur Grundlagenforschung unter anderem Antworten auf die Frage, welche Klassen von Genen bei der Schwerkraftänderung aktiviert oder inaktiviert werden.
Materialforschung für die Industrie
Die Experimente OASIS-TEX (Optical Analysis of Smectic Islands in Space - Thermocapillary Experiments) der Universität Magdeburg in Kooperation mit Wissenschaftlern der University of Colorado in Boulder (USA) und MEDI-2 (Multiple Equiaxed Dendrite Interaction) der Firma ACCESS (Aachen) dienen der Materialforschung. Während OASIS-TEX die Eigenschaften von Flüssigkristallschichten untersucht, die bei der Herstellung von Anzeigegeräten, in der Medizin, der Kosmetik und in der Waschmittelherstellung angewendet werden, erforscht MEDI-2 die Schmelzprozesse von Metalllegierungen, um deren Materialeigenschaften zu verbessern.
Zell- und Laserforschung mit TEXUS 54
Mit der Experimentanlage FLUMIAS kam erneut ein so genanntes Spinning-Disc-Mikroskop auf einem TEXUS-Flug zum Einsatz. Dieses Instrument ermöglicht es den Wissenschaftlern, lebende biologische Proben mit Hilfe von hochaufgelösten dreidimensionalen Fluoreszenzmikroskopbildern zu untersuchen. Mit diesen Aufnahmen können Effekte der Schwerelosigkeit auf den Aufbau und die Dynamik des Zellskeletts in menschlichen Immun-, Nerven- und Brustkrebszellen nachgewiesen werden. Drei Arbeitsgruppen aus den Universitäten Stuttgart-Hohenheim und Magdeburg führten die Untersuchungen durch. Vor allem die Möglichkeit, die Wirkung der Schwerkraft auf die Vorgänge in den isolierten Zellen direkt sichtbar machen zu können, liefert einen wichtigen Beitrag zur Gesundheits- und Präventionsforschung für Astronauten im All ebenso wie für Patienten auf der Erde.
FOKUS-II und JOKARUS: Präzisionsmessung mit Frequenzkämmen
Beim Experiment "FOKUS-II" (Faserlaser-basierter optischer Kammgenerator unter Schwerelosigkeit) wurde ein von der Firma Menlo Systems GmbH entwickelter optischer Frequenzkamm auf seine Anwendungsfähigkeit in der Raumfahrt getestet. Frequenzkämme gehören zu den genauesten Messwerkzeugen, die in der modernen Physik eingesetzt werden. Der Frequenzkamm besteht aus zwei gepulsten Laseroszillatoren und bestimmt optische Frequenzen im Bereich von 300 Terahertz mit hoher Präzision. FOKUS II wurde gegenüber den Vorläuferexperimenten auf den Flügen TEXUS 51 und 53 vollständig neu entwickelt. Der neue Kamm kann Frequenzen mit einer Genauigkeit bis auf die zwölfte Nachkommastelle messen. Künftig kann diese Frequenzkammtechnologie für die Präzisions-Spektroskopie, etwa bei der Untersuchung von Spurengasen in der Atmosphäre, in der Astrophysik, oder bei neuartigen, extrem genauen Atomuhren in Forschungsmissionen oder für die Satellitennavigation eingesetzt werden.
Das JOKARUS-Experiment (Jod-Kamm-Resonator unter Schwerelosigkeit) beinhaltet ein optisches System, das die Frequenz eines Lasers mit einer Wellenlänge von etwa 1064 Nanometern (etwa 282 Terahertz) hoch genau stabilisiert. Das System wurde unter Federführung der Humboldt-Universität und des Ferdinand-Braun-Instituts für Höchstfrequenztechnik in Berlin neu entwickelt. Gemeinsam mit dem Frequenzkamm FOKUS-II eignet sich JOKARUS, um etwa den Abstand zwischen zwei Satelliten mit Hilfe der Laserinterferometrie zu ermitteln. Konkrete Anwendungen sind etwa die präzise Vermessung des Schwerefeldes der Erde, das Aufspüren von Gravitationswellen oder die Verwendung in zukünftigen globalen Navigationssatellitensystemen. Im Vergleich mit Vorläuferexperimenten auf TEXUS 51 und 53, bei denen Frequenzübergänge der Elemente Rubidium und Kalium verwendet wurden, erzielt JOKARUS - in Verbindung mit dem Experiment FOKUS II - eine deutlich höhere Präzision in der Frequenzbestimmung und -stabilisierung.
Verantwortlich für Startvorbereitungen und Durchführung der TEXUS-Doppelkampagne war die Firma Airbus Defense and Space in Bremen. Die Servicesysteme der Raketen wurden von der Firma OHB System AG in Oberpfaffenhofen betreut. Zuständig für die Raketenmotoren und die Flugdurchführung war die Mobile Raketenbasis des DLR (MORABA). Die zweistufige Trägerrakete VSB-30 wurde gemeinsam von den brasilianischen Raumfahrtorganisationen CTA (Centro Técnico Aerospacial) und IAE (Instituto de Aeronáutica e Espaço), der DLR MORABA, sowie dem schwedischen Raumfahrtunternehmen SSC entwickelt und im Rahmen des TEXUS-Programms bereits zum 14. Mal vom Raketenstartplatz Esrange aus gestartet.