5. November 2015

Von der Raumfahrt zur Kultur

Antike Kunstwerke, alte Gemälde und modernste Informationsverarbeitung für optische Systeme: Berliner DLR-High-Tech kann dabei helfen, alternde Kunstschätze und gefährdete Kulturgüter zu archivieren. Die Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz richten in Zusammenarbeit mit dem Institut für Optische Sensorsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Konferenz EVA Berlin 2015 Elektronische Medien & Kunst, Kultur, Historie aus.

Technik und Kultur

Weltweit vernichten militärische, soziale und ethnische Konflikte archäologische Kulturstätten und zerstören unersetzliche Kunstwerke. Gleichzeitig werden die verfügbaren Technologien zur Erfassung und Reproduktion immer leistungsfähiger. Kameras und Laserscanner ermöglichen höher aufgelöste Abbilder der Realität als je zuvor. Immer schnellere Computer können immer bessere 3D-Objekte erstellen. Riesige Datenmengen können in Clouds gespeichert werden und sind so weltweit abrufbar.

Backup mit Ansprüchen

Die digitale Erfassung und Reproduktion von Kunst- und Kulturobjekten muss dabei hohen technischen und wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Eine der größten Herausforderungen hierbei: Wie sehen diese Anforderungen aus? Was wird gebraucht, um Kunst adäquat zu digitalisieren und zu archivieren? Welche Bedingungen stellen Kunstsachverständige und Experten an das digitalisierte Produkt?

"Wir als Naturwissenschaftler und Ingenieure benötigen physikalische Messwerte. Zum Beispiel: Wie viele Photonen werden von einem Objekt in welchem Spektralbereich aus welcher Richtung reflektiert? Das sind Werte, mit denen wir arbeiten können", betont Dr. Anko Börner, Abteilungsleiter Informationsverarbeitung für optische Systeme beim DLR Berlin-Adlershof.

Ästhetik objektivieren

Es wird ein objektives Maß benötigt, welches die subjektive Empfindung von Ästhetik wissenschaftlich greifbar macht. Wenn Kunstexperten über die "Blässe" eines Farbtons in einer Reproduktion klagen, liegen sie damit wahrscheinlich richtig. Wissenschaftler bringen solche Aussagen zur Verzweiflung. Denn die Einschätzungen beruhen auf jahrelanger Erfahrung und nicht auf der Analyse von Zahlen oder Messwerten. Die große Aufgabe ist es daher, die subjektiven Einschätzungen von Sachverständigen zu einer wissenschaftlich verwendbaren Einheit zu formen.

Gemeinsame Sprache finden

Doch das ist nicht die einzige Herausforderung. Wenn sich Wissenschaftler und Experten darauf einigen, wie Kunst- und Kulturgegenstände erfasst werden sollen, ist die Erstellung von Datenbanken der nächste logische Schritt. Der Umfang dieser Datenbanken wäre gigantisch – umso wichtiger ist es, sich jetzt schon auf standardisierte Datenformate zu einigen. "Es muss an Suchfunktionen gedacht werden, an Kalibrierungen, Farbwerte und Formate… Der Anspruch ist nichts Geringeres, als eine gemeinsame Sprache von Wissenschaftlern und Künstlern zu finden", erklärt Dr. Börner.

Data-Mining für die Weltkultur

Die Menge an Daten spielt zunächst keine Rolle: "Es ist ganz gleich, wie groß diese Datenbanken letztendlich sein werden. Es ist auch gleich, ob unsere Computer diese Datenmengen überhaupt verarbeiten können. Aber wenn wir jetzt nicht damit anfangen, brauchbare Daten zu sammeln, können wir in 20 oder 30 Jahren die Leistungen der fähigsten Supercomputer und 3D-Drucker gar nicht ausschöpfen – weil wir sie nicht mit den richtigen Daten füttern können", so Dr. Börner weiter.

Erfahrungswerte

Das DLR-Institut für Optische Sensorsysteme blickt auf eine lange Tradition der Entwicklung von fortschrittlichen Kamerasystemen zurück. Schon 1996 entwickelten die Berliner Experten High-Tech-Systeme (die Wide Angle Airborne Camera, WAAC und eine Panoramakamera), mit denen sich beispielsweise denkmalgeschützte Gebäude dreidimensional erfassen lassen. Mit der damalig extrem guten radiometrischen Auflösung schafften es die DLR-Forscher den Berliner Dom am Gendarmenmarkt auf den Zentimeter genau abzubilden – eine Leistung, die auch fast 20 Jahre später noch beeindruckt.

Akropolis drucken

Um das ehrgeizige Vorhaben umzusetzen, braucht es: Daten, Daten, Daten. Beispiel Akropolis: Wind und Wetter setzen dem Marmor zu, das Fundament gilt als mürbe. Mit tausenden Fotos, aufgenommen aus verschiedenen Winkeln, in verschiedener Qualität, aus der Luft und vom Boden, von nah und von fern, aber immer durch gut verstandene Sensoren, könnte eine Datenbank befüllt werden. Mit diesen Daten ließe sich ein exaktes 3D-Modell erstellen und visualisieren – vielleicht sogar drucken. "Ohne Daten aber heißt es: keine Reproduktion und ohne Reproduktion sind einmal zerfallene oder zerstörte Kulturgüter unwiederbringlich verschwunden", erklärt Dr. Börner.

Erste Schritte

Techniker, Politikberater, Archivare, Wissenschaftler, Experten, Sachverständige, Verwaltungsbeamte… Stiftungen, Forschungseinrichtungen, Museen, Bundesministerien… Das Vorhaben ist sehr interdisziplinär. Ein erster Schritt ist es daher, die verschiedenen Aufgaben und Expertisen zu katalogisieren und zu bündeln. Das langfristige, strategische Ziel ist es, ein Konsortium aufzubauen. Das DLR steht gerade erst am Anfang dieses Weges. Klar ist aber: es muss etwas passieren. In diesem Punkt sind sich alle einig.

Kontakt

Melanie-Konstanze Wiese

Kommunikation Berlin, Neustrelitz, Dresden, Jena, Cottbus/Zittau
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof
Tel: +49 30 67055-639

Stephanie Kaufhold

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Optische Sensorsysteme
Öffentlichkeitsarbeit
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Anko Börner

Echtzeit-Datenprozessierung
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Optische Sensorsysteme
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof