11. Mai 2015

Weltraumwetter – DLR-Forscher diskutieren über Notfallszenarien

Unsere hochtechnisierte Gesellschaft hängt mehr und mehr von Systemen ab, die durch das Wetter im Weltraum beeinflusst werden können. Als komplexes Wechselspiel zwischen Vorgängen auf der Sonne, im interplanetaren Raum sowie in der Erdmagnetosphäre, -ionosphäre und –atmosphäre birgt das Weltraumwetter ein Gefahrenpotential für viele Anwendungen. Zum Beispiel kann die Bordelektronik von TV-oder Mobilfunk-Satelliten durch energiereiche Partikelstrahlung zerstört werden, wodurch die Übertragung der Datenströme unterbrochen wird. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) diskutieren im 4. Nationalen Weltraumwetter-Workshop mit Experten aus Industrie, staatlichen Einrichtungen und Behörden über einen nationalen Notfallplan für Extremereignisse im Weltraumwetter.

Weltraumwetter beeinflusst das Leben auf der Erde

Das Weltraumwetter beeinflusst die ionisierte und neutrale Gashülle der Erde, technologische Systeme im Weltraum und auf der Erde sowie Leben und Gesundheit der Menschen. Koronale Massenauswürfe, sogenannte Sonnenwinde und Sonnenstürme, können dabei die sensiblen Infrastrukturen unserer modernen Gesellschaft erheblich beeinträchtigen: Navigation und Kommunikationssatelliten und die darauf basierenden Services, Unterstützungssysteme im Flugverkehr sowie der Betrieb von Stromnetzwerken. Auch kann es zu einer erhöhten Strahlenbelastung im Flugverkehr kommen. "Eine zuverlässige und exakte Vorhersage des Weltraumwetters ist daher von entscheidender Bedeutung, um geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen zu können", sagt Dr. Jens Berdermann vom DLR Institut für Kommunikation und Navigation: Ionosphärische Effekte und Korrekturen in Neustrelitz.

Satellit DSCOVR liefert präzise Daten für die Vorhersage

Welche maximale Stärke von Weltraumwetterereignissen unsere Sonne hervorbringen kann, ist nicht bekannt. "Daher ist es schwierig abzuschätzen, welche Auswirkungen im Extremfall zu erwarten sind", sagt Berdermann. "Wir wissen aber aus der Geschichte, dass es schon sehr große Sonnenstürme gegeben hat – wie zum Beispiel beim Carrington-Ereignis im Jahre 1859." Damals waren die Auswirkungen für das gesellschaftliche Leben natürlich noch nicht in der Intensität zu spüren, wie es heute der Fall sein könnte. 1859 entdeckte man dies anhand der Beobachtung von Sonnenflecken. Heute helfen uns Satelliten, präzise Angaben machen zu können. Im Januar 2015 startete der Satellit Deep Space Climate Observatory (DSCOVR), der gleich mehrere Parameter eines Ereignisses messen kann: Neben der Temperatur und der Protonendichte, misst er darüber hinaus den dynamischen Druck, die Protonendichte, das interplanetarisches Magnetfeld sowie die Geschwindigkeit und kann damit den in die Jahre gekommenen (seit 1997 aktiven) Vorgänger Advanced Composition Explorer (ACE) ersetzen.

Lediglich ein paar Sekunden benötigt das Signal von DSCOVR zur Empfangsstation auf der Erde und "erlaubt uns dadurch mit einer Vorlaufzeit von 30 bis 60 Minuten eine Aussage über die Stärke des Sonnensturms und die Effizienz der Einkopplung des Sturms in die Erdatmosphäre, wobei der Sonnensturm mit 800 bis 2.000 Kilometern pro Sekunde wesentlich langsamer ist als das Signal vom Satellit bis zur Erde", sagt Berdermann. Mit diesen Informationen können dann Vorhersagen zur Art und zum Schweregrad von Störungen von technischen Systemen prognostiziert werden.

Was aber ist zu tun, wenn sich ein Sonnensturm Richtung Erde bewegt?

Im 4. Weltraumwetter-Workshop werden die Wissenschaftler neben aktuellen Forschungsergebnissen sich auch darüber austauschen, welche Abstimmung untereinander im Katastrophenfall notwendig ist. "Derzeit gibt es noch keinen nationalen Notfallplan für Extremereignisse im Weltraumwetter", erklärt Berdermann. Zu klären wäre unter anderem, wie der Informationsfluss bei Extremereignissen erfolgen sollte. Welches Weltraumwetter-Servicezentrum sollte wen informieren? Eine weitere offene Frage ist, wo diese Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Da das Weltraumwetter nicht nur ein lokales Ereignis ist, muss in einem Notfallplan auch eine Abstimmung mit internationalen Partnern erfolgen.

Ziel des Workshops ist es, ein Positionspapier zu erarbeiten, das politische Entscheidungsträger nicht nur über die Thematik informiert, sondern auch die vorhandenen Kompetenzen in Deutschland deutlich herausstellt. Darüber hinaus geht es aber auch darum, den Entwicklungsbedarf und die Notwendigkeit der Erstellung eines nationalen Notfallplans aufzuzeigen. Der Wissenschaft kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu, denn die weitere Erforschung und Beobachtung der Sonne ist für die rechtzeitige und genaue Vorhersage des Weltraumwetters wichtig.

Rechtzeitige Vorhersagen ermöglichen Schutzmaßnahmen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich auf solare Ereignisse vorzubereiten: "Bei sehr starken Ereignissen können Satellitenbetreiber rechtzeitig die empfindlichen Mess- und Kommunikationsbereiche der Satelliten aus dem Sonnenwind drehen oder Satelliten komplett abschalten, um ein internes oder externes elektrisches Aufladen aufgrund von geladenen Teilchen im Sonnenwind zu vermeiden", erklärt Berdermann. Darüber hinaus können Nutzer von Positionierungs- und Navigationsgeräten über erwartete Ungenauigkeiten informiert werden.

Aber auch innerhalb des Flugverkehrs sind Schutzmaßnahmen angebracht. Hierbei verzichtet man auf die Kommunikation im Hochfrequenzbereich und nutzt dafür den Kurzwellenfunk. Um einer erhöhte Strahlenexposition zu entgehen, werden polare Flugrouten vermieden.

Auch im Bereich der Stromnetze können Schutzmaßnahmen getroffen werden, indem die Betreiber sich auf mögliche geomagnetisch induzierte Ströme und dadurch verbundene technische Probleme einstellen und somit schnell reagieren können.

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Tel: +49 30 67055-639

Dr. rer. nat. Jens Berdermann

Institut für Kommunikation und Navigation
Institut für Kommunikation und Navigation, Navigation