26. Mai 2020

Aeolus Satellitendaten jetzt öffentlich verfügbar

Dem Aeolus Data Science and Innovation Cluster (DISC) ist unter Leitung des DLR Instituts für Physik der Atmosphäre ein großer Durchbruch bei der Verbesserung der Aeolus-Datenqualität gelungen. Dadurch können seit dem 12. Mai 2020 höhenaufgelöste Windmessungen des  Satelliten Aeolus der europäischen Weltraumorganisation ESA für alle interessierten Wetterzentren und wissenschaftlichen Nutzer in weniger als 3 Stunden nach der Messung zur Verfügung gestellt werden. Dass dies auf breites Interesse bei den Wetterzentren stößt zeigt unter anderem die Ankündigung des Deutschen Wetterdienstes mit der Verwendung der Aeolus Daten in der täglichen Wettervorhersage am 19. Mai zu beginnen. Auch das britische UK MetOffice und der französische Wetterdienst Météo France wollen in diesem Jahr nachziehen. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) nutzt bereits seit Anfang Januar 2020 Aeolus Daten in der Wettervorhersage, ergänzt unter Anwendung eines eigens entwickelten Verfahrens zur Korrektur von systematischen Fehlern in den Windmessungen. Dass jetzt diese neuartigen höhenaufgelösten globalen Winddaten operationell in Echtzeit zur Verfügung stehen, ist das erfolgreiche Ergebnis einer intensiven 20-monatigen Validierungs- und Optimierungsphase, die im August 2018 mit dem Start des Satelliten begann. In dieser Zeit wurden die Aeolus Daten und das Lidar-Instrument (lidar: light detection and ranging) systematisch analysiert und charakterisiert, um die Ableitung von Windprofilen aus den Detektorsignalen zu verbessern.

Der Satellit Aeolus trägt in einer Höhe von 320 km das erste Wind-Lidar im All und wurde am 22. August 2018 gestartet um höhenaufgelöste Windinformationen zur Verfügung zu stellen. Es war ein großer Erfolg für das Aeolus-Team, das bereits 3 Wochen nach dem Satellitenstart die ersten vertikalen Profile der Windgeschwindigkeit gemessen wurden. Die Messungen zeigten die typischen Maxima der Windgeschwindigkeit in der oberen Troposphäre der Jet-Streams in 8-12 km Höhe (siehe auch Abbildung 1). Allerdings waren schon nach wenigen Wochen erste systematische Unterschiede zu Wettervorhersage-Modellen zu sehen, die im November 2018 anhand von Vergleichsmessungen mit dem speziell ausgerüsteten Messflugzeug DLR Falcon verifiziert wurden (A2D Lidar, 2-µm-Doppler-Windlidar).

Abbildung 1: Aeolus Windmessung vom 19.Mai 2020. Gezeigt sind vertikale Profile der Windgeschwindigkeit entlang der horizontalen Sichtlinie von Aeolus bis in eine Höhe von 21 km. Die Visualisierungssoftware VirES for Aeolus -entwickelt von der Firma EOX in Zusammenarbeit mit dem DLR und DoRIT - ist nun für jeden zugänglich; HLOS (horizontal line-of-sight) wind speed ist die auf die horizontale projizierte Windgeschwindigkeit in Blickrichtung von Aeolus (Grafik: DLR, CC-BY3.0)

Die Korrektur solcher Fehler durch entsprechende Kalibrierung und Algorithmen gehört zu den Aufgaben des Aeolus DISC. Das Aeolus DISC ist ein internationales Konsortium unter Leitung des DLR Institutes für Physik der Atmosphäre mit Beteiligung des DLR Institutes Methodik der Fernerkundung, den Firmen DoRIT, ABB, S&T und Serco, sowie mehreren europäischen Wetterdiensten (ECMWF, Météo-France, KNMI). Im Auftrag der ESA ist das DISC für die Überwachung der Aeolus Datenqualität, die Weiterentwicklung von Algorithmen, die Implementierung in operationelle Prozessoren und die Untersuchung des Einflusses von Aeolus Messungen auf die Wettervorhersage verantwortlich.

Nach wenigen Wochen fielen horizontale Streifen in den gemessenen Windvorhängen auf (siehe Abbildung 2). Diese offensichtlichen Messfehler ließen sich auf einzelne Pixel auf dem CCD-Detektor (CCD: charge-coupled device) des Lidar-Instruments mit erhöhtem Dunkelstrom, sogenannte „hot“ Pixel, zurückführen. Dieser systematisch erhöhte Dunkelstrom für einzelne Pixel der CCD führt zu einer geringen Erhöhung des konstanten Hintergrunds der Lidar-Signale, welcher durch eine Kalibration gemessen werden muss um anschließend korrigiert werden zu können. Bereits im Juni 2019 konnten der Einfluss dieser „hot“ Pixel mit einer Methode korrigiert werden, welches federführend am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre entwickelt wurde.

Abbildung 2: Eine Korrektur der „hot“ Pixel wurde am 14. Juni 2019 für die operationelle Aeolus-Prozessierung eingeführt. Die Profile der Windgeschwindigkeit (farbkodiert in m/s) von Aeolus ohne Korrektur (links der grünen Linie) zeigen auf einigen Höhen (etwa 3, 11 und 20 Kilometer) deutliche systematische Erhöhungen, welche durch die eingeführte Korrektur verschwinden (rechts der grünen Linie) (Grafik: DLR, CC-BY3.0).

Nachdem mit den „hot“ Pixeln der erste große systematische Fehler korrigiert war, fielen im Sommer 2019 beim weiteren Vergleich der Aeolus Daten mit dem numerischen Modell am ECMWF systematische Abweichungen zwischen Messdaten und Modellwerten auf, welche sowohl entlang eines Satellitenorbits als auch zwischen aufeinander folgenden Orbits variierten. Diese Abweichungen zeigten eine deutliche Korrelation mit den Temperaturvariationen des Primärspiegels des Teleskops des Aeolus Satelliten. Dieser Spiegel ist für das Sammeln der zurückgestreuten Signale aus der Atmosphäre verantwortlich und beeinflusst dadurch direkt das detektierte Messsignal.

Es zeigte sich, dass die Temperaturvariationen im Teleskop durch kurz- und langwellige Abstrahlung der Erdatmosphäre in das Weltall ausgelöst werden. Diese atmosphärische Abstrahlung verändert die Temperatur des Teleskops und die thermische Regelung des Spiegels kann dies leider nur bedingt ausgleichen. Diese Temperaturvariationen bewirken vermutlich kleine Änderungen im Einfallswinkel des von der Atmosphäre zurückreflektierten Laserlichts auf die optischen Spektrometer im Lidar. Da Spektrometer, welche das zurück-reflektierte Laserlicht und ihre Wellenlänge messen, auf Winkeländerungen sehr sensitiv reagieren, können hierdurch fehlerhafte Windmessungen entstehen.

Um diese Messfehler von mehreren m/s Windgeschwindigkeit zu beheben, wurde am DLR Institut für Physik der Atmosphäre in enger Zusammenarbeit mit dem ECMWF ein Korrekturverfahren entwickelt. Dieses Korrekturverfahren basiert auf einem multiplen Regressions-Ansatz, der eine bestimmte Anzahl an Teleskop-Temperatursensoren als Prädiktoren für den Messfehler verwendet. Dieses Korrelationsverfahren wird seit Mitte April 2020 operationell am ECMWF zur Fehlerkorrektur verwendet. Abbildung 3 zeigt den Zusammenhang zwischen gemessenen und aus der Regression bestimmten Fehlerwert für einen Tag an Daten. Das hohe Bestimmtheitsmaß (R^2) von 0.81 zeigt, dass der beschriebe Ansatz gut zur Fehlerkorrektur geeignet ist und selbst feinskalige Temperaturvariationen korrigiert werden können (siehe Abbildung 3 rechts).

Credit:
Abbildung 3: Aeolus Teleskop-Fehlerkorrektur für den 9. August 2019. Links: Streudiagramm zwischen der mittels Regression bestimmten Korrekturwerte (Y-Achse) und der tatsächlichen systematischen Fehler (X-Achse). Die rote Linie zeigt die 1:1 Linie. Rechts: Korrekturwert (orange) und tatsächlicher systematischer Fehler (blau) als Funktion der Zeit (Grafik: © DLR, Fabian Weiler).

Mit diesen Korrekturen kann nun der überwiegende Teil der systematischen Fehler in den Aeolus-Winden behoben werden. Dieser Erfolg wurde durch die enge Zusammenarbeit von Experten des Aeolus DISC aus dem DLR, europäischen Industriepartnern und Wetterdiensten für das Lidar-Instrument auf Aeolus, für Algorithmen- und Prozessorentwicklung und numerischen Modellen für die Wettervorhersage im Auftrag der europäischen Weltraumorganisation ESA erreicht. Damit wurde ein weiterer Meilenstein der Aeolus-Mission erreicht: Seit dem 12. Mai 2020 sind die Aeolus Windmessungen öffentlich verfügbar und können sowohl von der Wissenschaft als auch von den weltweiten Wetterdienste genutzt werden.