DLR-Bahnforschung für die Belebung von Nebenbahnen
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) erforscht zukunftsweisende Zugkonzepte im Kontext eines möglichst optimalen Betriebs. Die Hauptziele der Aktivitäten des DLR in diesem Verkehrsbereich sind die Ermöglichung eines schnellen und umweltfreundlichen Transports, die Verlagerung des Fernverkehrs auf die Schiene, ein innovativer Gütertransport, die Erreichung maximaler Sicherheit und die Reaktivierung und Belebung von Nebenstrecken. Um diese vielseitigen, komplexen Ziele zu erreichen ist ein systemischer, multidisziplinärer Ansatz erforderlich, wofür das DLR aufgrund seiner Ausrichtung und Struktur prädestiniert ist.
Kleines flexibles Schienenfahrzeug für Nebenbahnen
Für die Umsetzung der Verkehrswende spielt die Eisenbahn eine bedeutende Rolle und soll einen wesentlichen Bestandsteil der zukünftigen Tür-zu-Tür-Mobilität auch im ländlichen Raum darstellen. Das DLR forscht daher an einem effizienten, attraktiven, nachhaltigen, verfügbaren und nachfrageorientiertem schienengebundenen Verkehrssystem zur Reaktivierung und Belebung bisher unrentabler Strecken im ländlichen Raum. Ein wesentlicher Teil des Systems ist ein kleines, leichtes automatisiert fahrendes, einstöckiges Schienenfahrzeug mit fahrdrahtunabhängigem Antrieb (NGT-TAXI). Mit einem optimierten, nachfrageorientierten Betriebskonzept soll das NGT-TAXI-Konzept für den ländlichen Raum mehr Komfort und Flexibilität, eine bessere Erschließungswirkung und eine verbesserte Wirtschaftlichkeit im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) erreicht werden.
Flexibles und bedarfsorientiertes Betriebskonzept
Im Fokus stehen sowohl Inselstrecken und -netze, die infrastrukturell von anderen Strecken getrennt sind sowie Nebenbahnstrecken, die sich in das bisher bestehende Stammnetz eingliedern. In Abhängigkeit vom strecken- und tageszeitspezifischen Fahrgastaufkommen wird ein bedarfsgesteuerter On-Demand und/oder fahrplanbasierter Betrieb gewählt. Aufgrund des automatisierten Betriebs besteht über 24 Stunden an sieben Tagen der Woche ein Beförderungsangebot, wobei das Fahrzeug nur dann und in der Zugverbandsstärke fährt, in der es tatsächlich erforderlich ist, wodurch unnötige Umläufe vermieden, Betriebs- und Instandhaltungskosten reduziert, Lebensdauern von Bauteilen verlängert und Ressourcen geschont werden.
Modulares Fahrzeugkonzept
Aus den adressierten Streckenkategorien ergeben sich unterschiedliche einsatzspezifische Anforderungen an das Fahrzeug. Um das Fahrzeug möglichst kosteneffizient zu gestalten, ist es erforderlich dieses an das jeweilig erforderliche Einsatzspektrum (Inselstrecken oder im gemischten Betrieb des Vollbahnbereichs) angepasst zu gestalten. Dies wird mit einem multi-modularen Ansatz erreicht. Je nach Einsatzzweck und den damit einhergehenden Anforderungen wird die Fahrzeugstruktur und der Fahrzeugantrieb angepasst. Um die streckenspezifisch individuellen maximalen Fahrgastaufkommen möglichst exakt bedienen zu können wird beim NGT-TAXI-Fahrzeugkonzept eine Längenmodularität realisiert (passende Fahrzeuggröße für passendes Fahrgastsaufkommen und passende Strecke). Dies bedeutet, dass zwei Fahrzeuggrößen, eine Mini-Variante und eine Maxi-Variante, mit möglichen Zwischengrößen vorgesehen sind. Die längste Variante mit 16,7 m Länge verfügt über eine Sitzplatzkapazität von 40 Sitzen und die kürzeste Variante mit einer Länge von 11,25 m über eine Kapazität von 16 Sitzplätzen. Beide Varianten weisen einen großen Mehrzweckbereich für großräumige Stehplätze, Rollstühle, die Mitnahme von Fahrrädern, das Abstellen von Kinderwagen, etc. auf. Die Kapazitäten der Fahrzeuge basieren auf Untersuchungen unterschiedlicher Einsatzszenarien auf Strecken, die durch das NGT-TAXI adressiert werden.
Die in der Fertigung zu wählenden Längenderivate des NGT-TAXI sind hinsichtlich Breite, Höhe und Kopfdesign identisch. Sie unterscheiden sich lediglich hinsichtlich deren Länge und Antriebsaufbau. Alle Derivate haben das optisch gleiche Kopfmodul, Fahrwerksmodul und Einstiegsmodul. Die Längenmodularität wird durch ggf. zusätzliche Segmente erreicht, die untereinander wiederum ebenfalls identisch sind. D.h. die Mini-Variante besteht aus zwei Kopfmodulen, zwei Fahrwerksmodulen und zwei Einstiegsmodulen. Die Maxi-Variante besteht aus zwei Kopfmodulen, zwei Fahrwerksmodulen, zwei Einstiegsmodulen und weiteren in sich identischen Segmenten (3 Stück). Zudem können mehrere Fahrzeuge durch virtuelles Kuppeln im Betrieb zu größeren Verbänden gekoppelt werden. Dadurch ergibt sich eine flexible Plattform, die die Fahrzeugentwicklung verschlankt und die Fahrzeugkosten effektiv senkt. Die mit zwei Radpaaren (zwei Einzelrad-Einzel-Fahrwerke) ausgestatteten Fahrzeuge haben einen barrierefreien, stufenlosen ebenen Durchgang über die gesamte Fahrzeuglänge bei einer Einstiegshöhe von max. 550mm. Infolge des automatisierten Betriebs sind keine regulären Führerstände erforderlich und die Fahrgäste können in Fahrtrichtung durch die Frontscheiben schauen.
Leit- und Sicherungstechnik
Die Leit- und Sicherungstechnik (LST) wird ebenfalls an die einsatzspezifischen Randbedingungen angepasst. Für den Mischbetrieb auf Stammstrecken wird die dort übliche LST (ETCS) eingesetzt. Für Inselstrecken mit zumindest zeitweise sortenreinem Betrieb wird eine vereinfachte aber trotzdem sichere LST verwendet. Aufgrund der Fahrzeugagilität soll hier auf Ansätze und Komponenten aus dem Automotive- und Straßenbahnbereich zurückgegriffen werden, um Kosten zu reduzieren. Mit der Fähigkeit der Fahrzeuge zum virtuellen Kuppeln kann die Kapazität jederzeit und schnell an den Bedarf angepasst werden – perspektivisch bis zum Fahren nach Bedarf.
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Institut für Fahrzeugkonzepte