19. Februar 2024

Weltraumgestützter Laser von der Erde aus vermessen – eine ungewöhnliche Kooperation liefert spektakuläre Ergebnisse

Dank der außergewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen der Weltraummission Aeolus und der Pierre-Auger-Kollaboration ist es erstmalig gelungen, einen vom Weltall ausgesandten Laserstrahl auf der Erde zu vermessen. Der Lasertransmitter war Teil des ersten weltraumgestützten Doppler-Wind-Lidars ALADIN (Atmospheric LAser Doppler INstrument), welches im August 2018 an Bord des ESA-Satelliten Aeolus gestartet wurde. Die Aeolus-Mission war ein großer Erfolg für die europäische Raumfahrt und endete im Juli 2023 mit dem assistierten Wiedereintritt des Satelliten in die Erdatmosphäre. Die in der fast fünf Jahre währenden Mission gelieferten globalen Winddaten verbesserten die Wettervorhersage signifikant und erbrachten somit einen enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen, welcher durch sozio-ökonomische Studien quantifiziert wurde. Aufgrund des außerordentlichen Erfolges der Aeolus-Mission haben die ESA und EUMETSAT die Entwicklung einer operationellen Nachfolgemission beschlossen. Das DLR hat maßgeblich zum Erfolg der Aeolus-Mission beigetragen mit der Leitung des „Data Innovation and Science Clusters“ (DISC) sowie mit flugzeuggetragenen Validierungsmessungen im Auftrag der ESA.

Das Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien ist das weltweit führende Experiment zur Messung hochenergetischer kosmischer Strahlung in der Erdatmosphäre. Eine zu diesem Zweck verwendete Messmethode ist die Fluoreszenzdetektion im ultravioletten Wellenlängenbereich. Dabei nutzt man die Tatsache, dass die hochenergetischen, aber sehr seltenen (Primär-)Teilchen in der Erdatmosphäre Kaskaden von Sekundärteilchen, so genannte Luftschauer, auslösen. Das in der Atmosphäre über dem Schauerfeld großflächig emittierte ultraviolette Fluoreszenzlicht wird mit mehreren Teleskopen an vier Orten, die eine Fläche von etwa 3000 km² abdecken, registriert. Da der ALADIN-Laser im selben Spektralbereich bei 355 Nanometern emittierte, konnte das Observatorium den Laserstrahl beim Überflug von Aeolus über dem Messgebiet detektieren (Abb. 1).

Künstlerische Darstellung des Überfluges des Aeolus-Satelliten über einer Fluoreszenzdetektor-Station des Pierre-Auger-Observatoriums. Der ultraviolette Laserstrahl des weltraumgebundenen Lidar-Instrumentes wird beim Durchqueren der Atmosphäre an Molekülen sowie Wolken und Aerosolen gestreut. Das Streulicht wird detektiert ähnlich wie das von Sekundärteilchen emittierte Fluoreszenzlicht, welches von hochenergetischer kosmischer Strahlung erzeugt wird.
Credit:

Grafik: S. Saffi, O. Lux, CC BY-ND-NC 3.0

Ähnlich wie das Fluoreszenzlicht der Luftschauer erzeugte der Laserstrahl eine lineare Struktur auf den Detektoren, welche als Grundlage für die geometrische Rekonstruktion des Laserstrahls auf seinem Weg vom All zum Boden diente. Die Resultate der ersten Bodenmessungen im Jahr 2019 offenbarten dabei einen Fehler in der Berechnung der Bodenspur des Satelliten im Aeolus-Prozessor, der daraufhin korrigiert wurde (Abb. 2a). Darüber hinaus ermöglichte eine genaue Modellierung der Streuung an Molekülen und Aerosolen sowie der optischen Verluste entlang des Weges durch die Atmosphäre die Bestimmung der Laserenergie am Ausgang des Instrumentes im Weltraum (Abb. 2b). Damit gelang es auf spektakuläre Weise, die Leistungsfähigkeit des Lidar-Instruments unabhängig zu quantifizieren und die Ursache für eine im ALADIN-Empfänger festgestellte stetige Signalabnahme im Zeitraum von 2019 bis 2021 auf den Emissionspfad einzugrenzen.

Die einzigartigen Ergebnisse wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift Optica veröffentlicht mit den federführenden Beiträgen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Physik der Atmosphäre in Zusammenarbeit mit Aeolus-Kollegen bei der europäischen Weltraumagentur ESA und der Firma DoRIT. Einen wesentlichen Beitrag auf Seiten der Pierre-Auger-Kollaboration leisteten Kollegen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), welche die Bodenmessungen ausgewertet hatten.

Die mit der Arbeit geleistete Verbindung von Spitzentechnologie im Weltraum und am Boden markiert einen wichtigen Meilenstein sowohl für die aktive Satellitenfernerkundung als auch für die Physik der kosmischen Strahlung. Die Synergie zwischen zwei sehr unterschiedlichen Forschungsbereichen für den Weltraum und die Erdbeobachtung war für beide „Communities“ überraschend und die Methode konnte durch die Zusammenarbeit erstmalig etabliert werden. Damit steht diese beispiellose „ground-truth“ Messung durch ein Bodenobservatorium auch für zukünftige Weltraum-Lidar-Missionen wie EarthCARE mit geplantem Start im Mai 2024 und Aeolus-2 in den 2030er Jahren zur Verfügung. Neben der unabhängigen Überprüfung weltraumgestützter Laser besteht das Potenzial für Kreuzkalibrierungen zwischen verschiedenen Observatorien zur Detektion kosmischer Strahlung.

Abb. 2: (a) Vergleich der Bodenspur des ALADIN-Laserstrahls, die mit verschiedenen Aeolus-Prozessorversionen berechnet wurde (Version 7.11.2 – orangefarbene Linie und Version 7.12 – lilafarbene Linie), mit der gemessenen Bodenspur beim Durchgang durch das Gebiet des Pierre-Auger-Observatoriums (blaue Punkte). Die Kreuze repräsentieren die Orte der vier Fluoreszenzdetektoren (FD). (b) Rekonstruierte Energien für drei Aeolus-Überflüge in den Jahren 2019, 2020 und 2021. Die durchschnittliche Energie pro Überflug ist durch die gestrichelte Linie markiert. Die Energie ist auf der oberen Achse in mJ und auf der unteren Achse in PeV (1015 eV) angegeben. Die Abbildungen stammen aus der im Text erwähnten Veröffentlichung in Optica.