31. Oktober 2024

Jubiläum: 10 Jahre EML auf der ISS

Am 31. Oktober 2014 um 9:59 Uhr, d.h. vor genau 10 Jahren, wurde der elektromagnetische Levitator (EML) an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) erstmalig eingeschaltet. Der EML ist eine Forschungsanlage, welche vom deutschen Astronauten Alexander Gerst innerhalb des Columbus Moduls an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) im European Drawer Rack (EDR) installiert wurde. Die EML Anlage wurde von ESA und DLR finanziert und durch Airbus DS modular konstruiert, auf der Basis von Entwicklungen, Tests und wissenschaftlichem Experimentierens an unserem Institut von über 30 Jahren.

Abb1
Alexander Gerst bringt die Probenkammer am EML, während der EML Installation, an.
Credit:

ESA/NASA

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Abb2
Astronaut Alexander Gerst schaltet EML nach erfolgreicher Installation im Columbus Modul zum ersten Mal ein.
Credit:

ESA/NASA

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Die Anlage ist in der Materialwissenschaft von großer Bedeutung und wird von internationalen Forschergruppen genutzt. Mittels elektromagnetischer Felder werden hier Metallproben in einer Spule durch ein elektromagnetisches Wechselfeld freischwebend positioniert und geschmolzen. So werden präzise Materialeigenschaften bei verschiedenen Temperaturen im flüssigen Zustand bis zur Erstarrung sowie teilweise im festen Zustand analysiert. Die schwebenden, flüssigen Proben werden z.B. in Bezug auf thermophysikalische Eigenschaften wie Viskosität, Oberflächenspannung, Dichte, elektrische Leitfähigkeit und spezifische Wärme untersucht. Dies geschieht ohne jeglichen Kontakt zu einer Tiegelwand. Durch die fehlende Schwerkraft und das behälterfreie Prozessieren der Probe ermöglicht der EML einzigartige Messungen von hoher Präzision, auch im metastabilen Zustand der unterkühlten Schmelze.

Abb 3
EML auf der ISS; die 4 EML Module sind farblich hervorgehoben (grün: gas module, blau: power and water supply, lila: experiment module, gelb: experiment control), die Module sind Einschübe im European Drawer rack (EDR) im europäischen Columbus Modul.
Credit:

ESA/NASA

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Besonders Untersuchungen des Erstarrungsverhaltens flüssiger Proben profitieren von der einzigartigen Prozesstechnik des EML. Dabei werden neben der Erstarrungsgeschwindigkeit (Abb. 4) auch andere Erstarrungsphänomene wie z.B. die Verzögerung zwischen der Erstarrung mehrerer metastabiler und stabiler Festkörper- bzw. Schmelzphasen und deren Abhängigkeit von der Konvektion (angeregt durch „elektromagnetisches Rühren“ der verschiedenen Felder) der Probe untersucht.

Abb 4
Erstarrende Ti50Al50 Probe: Der helle Teil ist der bereits erstarrte feste Teil, der dunkle Teil ist die noch flüssige Probe.
Credit:

ESA/DLR

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Für einen Vergleich mit thermohydraulischen Simulationen wurden ausgewählte Proben außerdem an einem Chill-Cooling Probenhalter erstarrt und dabei rasch abgekühlt. Ein Vergleich der simulierten und gemessen Form der erstarrenden Probe half dabei die Erstarrungsmodelle zu verbessern (siehe Abb. 5).

Abb 5
: Verformung einer D2 Stahlprobe während der Erstarrung an einer Chill-Cooling Platte zur raschen Abkühlung.
Credit:

ESA/DLR

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Im Jahr 2017 wurde der EML um die SCE – Sample Coupling Electronics – erweitert. Dieses Instrument erlaubt es berührungsfrei elektrische Leitfähigkeiten der flüssigen Proben zu messen und wurde am Institut für Materialphysik im Weltraum entwickelt. Neben der Messung der thermophysikalischen Größe deuten Abweichungen der elektrischen Leitfähigkeit vom linearen Verhalten auf strukturelle Änderungen in der unterkühlten Schmelze hin.

Mit dem EML steht eine Anlage mit vielfältigen Möglichkeiten zur Verfügung. Proben von Metalllegierungen und Halbleitern können im Bereich von 300 bis 2.100 Grad Celsius von der Schmelze bis zum Feststoff prozessiert werden. Während des Prozessierens erhalten Forschende auf der Erde Echtzeitdaten und Videoaufnahmen. So können sie „live“ in den Prozess eingreifen. Die Experimente werden vom Kontrollraum des DLR-Microgravity User Support Centers (MUSC) in Köln aus durchgeführt. Aufgrund der Verzögerungen, die sich durch den Signalweg vom MUSC, über TDRIS Satelliten bis zum EML auf der ISS und zurück ergeben, werden Hochgeschwindigkeitsaufnahmen der Erstarrung, mit Aufnahmefrequenzen bis zu 45000 Hz erfolgen, automatisch durch einen Erstarrungserkennungsalgorithmus getriggert.

Abb 6
SCE (Sample Coupling Electronics), eine Messelektronik zur Messung elektrischer Leitfähigkeiten flüssiger Proben.
Credit:

DLR

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In den letzten 10 Jahren des EML Betriebs, wurden 3 EML Batches von Mitarbeitenden des DLR am Kölner Standort geplant, vorbereitet, validiert und durchgeführt. Jedes EML Batch besteht aus 18 Proben, die gleichzeitig in der EML Probenkammer untergebracht werden können. Alle Proben wurden zuvor in bodenbegleitenden Messungen charakterisiert, sowie in Parabelflugkampagnen mit der EML-Anlage TEMPUS in Schwerelosigkeit prozessiert und dadurch für den Einsatz im ISS-EML qualifiziert. An jeder Probe werden im EML zahlreiche Experimentmessungen durchgeführt, auch Zyklen genannt. Diese Messungen finden nachts statt, während des offiziellen „Crew-Sleep“ auf der ISS, um den Einfluss der Crewaktivitäten auf die Restbeschleunigungen in Columbus möglichst klein zu halten. Unterstützende Crew-Aktivitäten während der Tagzeiten umfassen mechanische Änderungen des Kameramodus sowie der Gaskonfiguration. Insgesamt wurde seit 2014 54 Proben prozessiert und die Anlage über 500 Tage genutzt. Für die Durchführung der Experimente wurden weit über 100000 Kommandos vom Kontrollraum an die ISS geschickt. Aktuell ist die vierte Probenkammer am EML angebracht und das Programm wird mit den 18 integrierten Proben auch in Zukunft fortgesetzt. Zudem wird die Anlage kontinuierlich weiterentwickelt. So soll im Rahmen von Batch 4 demnächst ein Sensorsystem zur passiven Messung sowie aktiven Regelung des Sauerstoffpartialdrucks – OCS - in der Prozesskammer am EML auf der ISS integriert werden. Derzeit läuft zur optimalen Nutzung dieses Systems ein Bodenbegleitprogramm.

Abb 7
EML Experimente im MUSC Kontrollraum.
Credit:

DLR

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