12. August 2024

Urban Air Mobility: Perspektiven und Herausforderungen für den städtischen Verkehr von morgen

Kann Urban Air Mobility (UAM) Realität werden? Zwei aktuelle DLR-Studien analysieren die Potentiale sowie die wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen von UAM.
Urban Air Mobility (UAM) stellt in Aussicht, den städtischen Verkehr durch schnelle, sichere und komfortable Transportangebote zu erweitern. Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten und Herausforderungen von UAM und stellt aktuelle Forschungsergebnisse des Instituts für Luftverkehr des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vor. Zwei Publikationen unter Beteiligung des Instituts bieten einen Überblick über das Potenzial und die Herausforderungen von UAM und stellen ein neues Modell zur Abschätzung der globalen Nachfrage nach UAM-Diensten vor. Die abgebildete Karte zeigt die regionale Verteilung der berechneten potenziellen Nachfrage nach UAM in Städten in 2050, mit höheren Marktanteilen in großen Städten, insbesondere in Nordamerika, Europa und Ostasien.
  • Über 200 Städte weltweit mit einem Nachfragepotenzial für UAM
  • Marktpotenzial und gesellschaftliche Akzeptanz sind Schlüsselfaktoren für die Realisierung von UAM
  • Ein ganzheitlicher Ansatz ist notwendig, um die Vorteile von UAM für Gesellschaft und Umwelt zu maximieren

Urban Air Mobility (UAM)

Urban Air Mobility (UAM) ist ein innovatives Verkehrskonzept, das den Einsatz von Luftfahrzeugen für den Personentransport in urbanen und suburbanen Gebieten vorsieht. Mit neuen Technologien soll UAM bestehende Transportsysteme ergänzen und zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors beitragen. Frühere Versuche, diesen städtischen Luftverkehr zu etablieren, scheiterten an mangelnder Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz. Heutzutage eröffnen technologische Fortschritte neue Möglichkeiten, zum Beispiel die Entwicklung elektrisch angetriebener, senkrecht startender und landender Fluggeräte (eVTOLs). Die Einführung von UAM birgt dennoch weiterhin zahlreiche Herausforderungen.

Wissenschaftliche Einblicke in die städtische Luftmobilität

Zwei aktuelle Publikationen unter Beteiligung des DLR-Instituts für Luftverkehr, Abteilung Luftverkehrsentwicklung, zeigen Forschungsergebnisse zu den Möglichkeiten und Herausforderungen von Urban Air Mobility. Die Arbeiten sind im Rahmen des Projektes HorizonUAM entstanden. Im DLR-Projekt HorizonUAM haben seit 2020 insgesamt zehn Institute und Einrichtungen zusammengearbeitet, um Perspektiven für den städtischen Luftverkehr der Zukunft zu entwickeln und zu bewerten.

Der Beitrag der Abteilung Luftverkehrsentwicklung des Instituts für Luftverkehr zu HorizonUAM bestand unter anderem in der Ermittlung des globalen Marktpotenzials und der Gesamtsystembewertung. Die Abteilung entwickelt und nutzt verschiedene Methoden zur Analyse und Prognose des Luftverkehrs. Diese Analyse- und Prognose-Kompetenzen wurden in den folgenden Arbeiten nun auch auf Urban Air Mobility (UAM) angewendet.

Paper 1: "Can Urban Air Mobility become reality? Opportunities and challenges of UAM as innovative mode of transport and DLR contribution to ongoing research"1

Diese Publikation, erstellt unter Leitung des Instituts für Luftverkehr, hebt die Komplexität des UAM-Gesamtsystems hervor und betont die Bedeutung der ganzheitlichen Betrachtung aller Komponenten für eine erfolgreiche Einführung von UAM.

Für die Umsetzung von UAM ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz notwendig, einschließlich soziopolitischer und marktbezogener Aspekte. Hierzu muss UAM sicher und umweltfreundlich, zugänglich und zuverlässig, sowie erschwinglich und wirtschaftlich tragfähig sein. Die Forschungsergebnisse des Projekts HorizonUAM zeigen, dass technische Machbarkeit bald erreicht werden könnte, jedoch bleiben Herausforderungen hinsichtlich Kosten und sozialer Akzeptanz zu bewältigen. Die Senkung der Betriebskosten ist entscheidend, um UAM für einen größeren Nutzerkreis erschwinglich zu machen.

Paper 2: "A City-Centric Approach to Estimate and Evaluate Global Urban Air Mobility Demand"2

Die Arbeit stellt eine neue Methode zur Abschätzung des globalen Marktpotenzials für UAM vor. Das erstellte Modell berücksichtigt Faktoren wie Ticketpreise und die Dichte der Vertiports (Abflug- und Landeplätze für Lufttaxis pro km2). Die Autoren untersuchten 990 Städte weltweit und ermittelten die potenzielle Nachfrage nach Lufttaxidiensten bis 2050 für unterschiedliche Marktentwicklungsszenarien und technologische Entwicklungspfade. Die Erkenntnisse sind in die oben genannte Publikation eingeflossen.

  • Marktpotenzial: Insgesamt zeigt die Studie eine regionale Variation der Nachfrage nach UAM, mit höheren Marktanteilen in den großen Städten in Nordamerika, aber auch in Europa und Ostasien, beeinflusst durch lokale Marktbedingungen. Mit dem neu entwickelten Nachfragemodell konnte ermittelt werden, dass unter günstigen Bedingungen über 200 Städte weltweit ein Nachfragepotenzial für UAM aufweisen (siehe Titelgrafik).
  • Einfluss von Kosten und Infrastruktur: Die prognostizierte Nachfrage variiert je nach dem angenommenen Marktentwicklungsszenario. Dabei beeinflussen Ticketpreise und die Dichte der Vertiports die Nachfrage. Es wird prognostiziert, dass in einem Szenario mit hoher Vertiport-Dichte und niedrigeren Ticketpreisen im Jahr 2050 täglich etwa 19 Millionen Passagiere UAM-Dienste nutzen könnten. In einem Szenario mit niedriger Vertiport-Dichte und höheren Ticketpreisen könnte die tägliche UAM-Nachfrage bei nur 400.000 Passagieren liegen.
  • Eine bereits 2023 im Rahmen des HorizonUAM-Projekts veröffentlichte Studie des DLR-Instituts für Luftverkehr zeigt die entstehenden Kosten für einen entsprechenden Flugbetrieb auf (Pertz et al. 2023). Die daraus abgeleiteten Ticketpreise für UAM hängen dabei wesentlich von der Flugstrecke, der Vehikel-Konfiguration und dem Sitzladefaktor ab. Beim derzeitigen Stand der Technik und des Wissens liegen die prognostizierten Ticketpreise für einen Flug höher als die im ersten oben genannten Szenario angenommenen Preise. Mit weiterem technologischem Fortschritt und optimierten Betriebskonzepten können jedoch die Betriebskosten sinken und günstigere Ticketpreise ermöglicht werden, was sich auf die Nachfrage auswirkt.

Die potenzielle Zukunft des städtischen Verkehrs in der Luft

Diese aktuelle Forschung zeigt, dass UAM in der nahen Zukunft zwar technisch machbar sein könnte, allerdings müssen wichtige Herausforderungen wie wirtschaftliche Rentabilität, Systemkomplexität und soziale Akzeptanz adressiert werden. Die Ergebnisse betonen die Bedeutung eines erschwinglichen Ticketpreises und einer dichten Vertiport-Infrastruktur.

UAM könnte den urbanen und suburbanen Verkehr ergänzen, indem es den Menschen eine schnelle und bequeme Alternative zum traditionellen Verkehr bietet. Dabei ist entscheidend, dass UAM-Systeme sicher, zugänglich, erschwinglich, umweltfreundlich und wirtschaftlich tragfähig sind. Nur so kann UAM mehr als ein exklusives Nischentransportmittel werden.

Das DLR-Institut für Luftverkehr wird weiterhin an der Idee der Urban Air Mobility mitarbeiten und zur möglichen Integration von Drohnen- und Lufttaxidiensten in bestehende Verkehrssysteme beitragen. Zukünftige Forschungen sollen neue multimodale und regionale Anwendungsfälle einbeziehen, um UAM von einem urbanen zu einem innovativen Luftmobilitätskonzept (Innovative Air Mobility – IAM) für den Verkehr auf Strecken kürzerer und mittlerer Entfernung weiterzuentwickeln. So könnte IAM nicht nur die Städte von morgen, sondern auch die gesamte Transportlandschaft nachhaltig bereichern.

1 Autoren: Henry Pak, Lukas Asmer, Petra Kokus (DLR-Institut für Luftverkehr), Bianca I. Schuchardt (DLR-Institut für Flugführung) et al.

2 Autoren: Lukas Asmer, Roman Jaksche, Henry Pak, Petra Kokus (DLR-Institut für Luftverkehr)

Kontakt

Alexandra Leipold

Abteilungsleiterin (komm.)
DLR - Institut für Luftverkehr
Luftverkehrsentwicklung
Linder Höhe, 51147 Köln

Franziska Bietke

Institutskommunikation
DLR - Institut für Luftverkehr
Blohmstraße 20, 21079 Hamburg
Tel: +49 40 2489641-209