ATEK-Flugexperiment - Antriebstechnologien und Komponenten für Trägersysteme

Die Mission ATEK (Antriebstechnologien und Komponenten für Trägersysteme) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) beinhaltet Health-Monitoring-Systeme für kritische Trägerkomponenten und eine Hybridgehäusestruktur. Auch eine MAPHEUS-8-Nutzlast, bestehend aus verschiedenen biologischen und materialwissenschaftlichen Experimenten, ist ein Bestandteil des ATEK-Flugexperiments.

Das ATEK-Forschungsprojekt ist ein Bestandteil des DLR-Teilprogrammschwerpunktes "Wiederverwendbare Raumtransportsysteme" mit dem Ziel, ausgewählte Technologien und Methoden im Hinblick auf thermomechanische Analysen und die Bewertung von Trägersystemen zu entwickeln. Dafür sollen die Strukturen, Messmethoden und Auswertealgorithmen, die in Grundlagenuntersuchungen entwickelt werden, für ein Flugexperiment angepasst und schließlich mit einem Flug qualifiziert werden. Die Flugdaten sollen ergänzend zu den Bodenexperimenten Validierungsdaten für physikalische Modellierungen, numerische Simulationen und Systemanalysen liefern und dadurch eine zuverlässige Auslegung und Bewertung von zukünftigen Trägersystemen ermöglichen.

Durch die drei Health-Monitoring-Systeme konnten die aerothermalen und mechanischen Lasten an den Komponenten Hybridnutzlast, Motoradapter, Finnen, Tailcan und Düse vom Start an bis zur Landung gemessen werden. Ein Teil der Daten wurde mit niedrigerer Datenrate von wenigen Hertz bereits während des Fluges per Telemetrie an die Bodenstation gesendet. Darüber hinaus erlaubte es das autonome, modulare und crashsichere Datenerfassungssystem, die Lasten und Strukturantworten entlang des gesamten Fluges mit hoher Erfassungsfrequenz von einigen Kilohertz zu erfassen und zu speichern. Die Hybridnutzlast und die Datenerfassungseinheiten der Health-Monitoing-Systeme wurden erfolgreich geborgen und zeigten auch nach dem Aufschlag volle Funktionalität. Die Ergebnisse demonstrieren die Flugqualifikation folgender Experimente bzw. Technologien:

Am 13. Juni 2019 um 4:21 Uhr (CEST) wurde das ATEK-Flugexperiment erfolgreich von der Raketenstartbasis Esrange in Kiruna/Schweden aus gestartet und erreichte eine Höhe von rund 240 Kilometern. Ca. 13 Sekunden nach dem Start des VSB-30-Trägers brannte der S31-Motor aus und wurde passiv getrennt. Die zweite Stufe S30 wurde direkt danach gezündet und lieferte weiteren Schub über 29 Sekunden. Drei Sekunden nach dem darauf folgenden De-spin Manöver mit einem Yo-Yo-System wurde die zweite Stufe von der Nutzlast getrennt. Während dieser ersten 60 Sekunden konnte für die Flugkonfiguration eine aerodynamisch stabile Flugphase ermöglicht werden. Die zweite Stufe flog ohne Schub weiter und landete nach einer Gesamtflugzeit von etwa 500 Sekunden 67 km entfernt vom Startplatz auf relativ hartem Boden. Durch einen Fallschirm konnte die Nutzlast kurz vor der Landung abgebremst werden und erfuhr dadurch eine sanfte Landung nach ca. 800 Sekunden Flugzeit. Die Raketenstufe S30 erfuhr nach einem unkontrollierten Rückkehrflug eine planmäßige harte Landung.

ATEK-Flugkonfiguration
ATEK-Flugkonfiguration nach dem Start aus dem Skylark-Trum von Esrange

Flush Air Data Sensing (FADS) und Health Monitoring für den Motoradapter

Ein Flush Air Data System (FADS) besteht aus fünf hochauflösenden Drucksensoren. Die Daten dieser Drucksensoren ermöglichen es, die Anstellwinkel des Fahrzeuges entlang der geflogenen Trajektorie, unter Berücksichtigung der Windeinflüsse, zu berechnen. Ein neu entwickelter Wärmeflusssensor misst den Wärmeeintrag an verschiedenen Positionen entlang der Struktur. Diese Daten in Verbindung mit Thermoelementen entlang der Motoradapterstruktur werden verwendet um aerothermale Modelle zu verifizieren und weiter zu entwickeln. Das Datenerfassungssystem ist modular aufgebaut und mit einem crashsicheren Speicher ausgestattet.

Instrumentierter Motoradapter

Health Monitoring System für Motorgehäuse, Tailcan und Finnen

Tailcan-Instrumentierung
Finnen-Instrumentierung

Das Tailcan Health Monitoring System überwacht ausgewählte Raketenkomponenten, die aus  Motorgehäuse, Düse, Finne und Tailcan bestehen. Es ermittelt mit Hilfe verschiedener Sensortypen wichtige Daten zum Strukturzustand der Oberstufe. Für die Temperaturmessung am Motorgehäuse kommen Fiber Bragg-Gitter zum Einsatz. Eine Finne ist mit Thermoelementen, Dehnmessstreifen und Drucksensoren ausgestattet. Um zusätzlich die Finnenoberflächentemperatur zu bestimmen kommt eine kompakte, in der Tailcan verbaute, Infrarot-Kamera zum Einsatz. Um die Außenwandtemperatur der Düse zu bestimmen wird eine weitere Infrarot-Kamera in der Tailcan verbaut. Miniaturisierte Radiometer messen die Strahlung des Abgasstrahls in unterschiedlichem Spektralbereichen. Aus diesen Messwerten können die Temperaturen des Abgasstrahls ermittelt werden.

Hybridnutzlast vor dem Flug

Hybride Nutzlaststruktur

Hybridnutzlast nach dem Flug

Das Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie entwickelte mit der "Automated Fiber Placement (AFP)" eine neuartige Nutzlaststruktur für Höhenforschungsraketen. Die Struktur besteht aus einem mit Carbonfaser verstärktem Thermoplast. Dieses single-step (in-situ) Herstellungsverfahren erlaubt es, kostenintensive und langwierige Fertigungsverfahren, mit Hilfe von Vakuum, zu ersetzen. Die im Flug auftretenden Belastungen werden über HI-LOK-Schraubnieten in die Struktur eingeleitet. Dieses Modul absolvierte alle Qualifikationstests erfolgreich und repräsentiert die erste Generation von in-situ AFP gefertigten Nutzlaststrukturen. Die Struktur ist mit Thermoelementen, Dehnmessstreifen und Fiber-Bragg-Gitter-Sensoren von AS-HYP ausgestattet. Die Verteilung der Innenwandtemperatur entlang der Nutzlast wurde mit Hilfe von Lichtleitersensoren mit einer Datenrate von 1 kHz gemessen.

Crashsicheres Datenerfassungssystem

Datenerfassungssystem für Tailcan, Finne und Düse
Datenerfassungseinheiten nach dem Flug

Das ATEK-Datenerfassungssystem für das Health-Monitoring ist modular ausgelegt. Damit können kurze Sensorleitungen bei weit verteilten Sensoren realisiert werden. Auch wird limitierter Bauraum optimal ausgenutzt. Es können unterschiedliche Sensortypen verwendet werden. Jeder Messkanal ist frei konfigurierbar, um den dynamischen Bereich der Sensoren optimal auszunutzen. Die Daten werden sowohl über Telemetrie übertragen als auch in voller Bandbreite in einer crashsicheren Speichereinheit abgespeichert. Das System verfügt zusätzlich über eine autonome Stromversorgung mit Batterie. Über ein zusätzliches Modul können auch weitere Experimente wie Infrarot-Kameras, FOS-Sensoren, usw. angebunden werden.

Kontakt

Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik