15. Dezember 2020

Optical Air Data: Laserbasierte Messung von Flugdaten

Optical Air Data: Laserbasierte Messung von Flugdaten

Ob Mensch oder Autopilot – beide sind auf bestimmte physikalische Größen angewiesen, um einen Flieger sicher zu steuern. Dazu zählen zum Beispiel Luftdruck, Temperatur und Windgeschwindigkeit. Sensoren und Sonden am Flugzeug messen diese Größen. Instrumente berechnen daraus dann Angaben zur Flughöhe, Geschwindigkeit oder zur Steig- und Sinkrate. Viele Verfahren, um diese Parameter zu ermitteln, funktionieren mechanisch und haben sich seit Beginn der Luftfahrt wenig verändert. Ein Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeitet nun an einem neuen Ansatz: Mittels laserbasierter Verfahren wollen die Forschenden die Zuverlässigkeit weiter steigern und vor allem den Aufwand zum Einrichten und genau Abstimmen der Sensoren erheblich verringern. Wie Optical Air Data genau funktioniert, erklärt DLR-Wissenschaftler Dr. Oliver Kliebisch im Interview. Er ist Physiker und leitet am DLR-Institut für Technische Physik  in Stuttgart  das Projekt FAME (Future Air Data System Module Evaluation). Es beschäftigt sich damit, die entsprechenden Systeme zu entwickeln und zu bewerten und schließlich für erste Praxisversuche in die Luft zu bringen.


Was ist der Grundgedanke von Optical Air Data und wie funktioniert es genau?

Kliebisch: Laser spielen bei Optical Air Data eine zentrale Rolle. Wir schicken kontinuierlich Laserstrahlung in die Luft rund um das Flugzeug. Je nach Verfahren führen wir pro Sekunde bis zu tausend Messungen durch in einem Abstand von bis zu einem Meter von der Flugzeughülle. Dann werten wir aus, wie diese Laserstrahlung von den kleinen Partikeln und Molekülen in der Luft beeinflusst werden. Dazu verwenden wir drei unterschiedliche laserbasierte Messtechniken: Die Laser-Doppler-Anemometrie, um die relative Windgeschwindigkeit zu messen, die gefilterte Rayleigh-Streuung, um Aussagen über die Temperatur außerhalb des Flugzeugs zu erhalten und die Laserabsorptionsspektroskopie, um den Druck und damit die Flughöhe zu bestimmen. Für die ersten beiden Verfahren senden wir Laserstrahlung aus und analysieren, wie diese in der Luft gestreut wird. Beim letztgenannten Verfahren schauen wir uns genau an, wie die Sauerstoffmoleküle in der Atmosphäre die ausgesendete Laserstrahlung absorbieren.
 

Was sind die Vorteile von Optical Air Data?

Kliebisch: Alle drei geschilderten Verfahren ermöglichen kontaktlose Messungen mit wenig Aufwand für die Kalibrierung. Unser Ziel ist es, die Systeme so zu gestalten, dass sie in den Flugzeugrumpf integriert werden können. Es ragen dann also keine Messsonden mehr aus dem Flieger heraus, welche die Luftströmung und somit die Messungen beeinflussen können. Bisherige Sonden und Sensoren können außerdem verschmutzen oder vereisen. Die Messwerte verschlechtern sich dann schleichend. Das bekommt man im Cockpit nicht unbedingt gleich mit. Im Gegensatz dazu soll unsere System Messwerte direkt kontrollieren und Funktionsausfälle melden – selbstständig und innerhalb von Sekunden und so ein weiteres Mehr an Sicherheit bieten.


Was sind die zukünftigen Einsatzmöglichkeiten?

Kliebisch:
Air Data hat das Potenzial, die klassische Sensorik zu ergänzen oder zu ersetzen. Bisherige Forschungsarbeiten am DLR und bei unseren Counterparts NLR  (Netherlands Aerospace Centre) und ONERA  (Office national d’éteudes et des recherches aérospatiales) haben gezeigt, dass Air Data vor allem die Kalibrierung von Instrumenten und Sensoren wesentlich vereinfacht. Die Fortschritte der letzten Jahre beim Faserlaser – einem speziellen und sehr leistungsstarken Laser – ermöglichen neue Ideen und Ansätze, zum Beispiel das vorausschauende Erkennen von Turbulenzen.


Welche DLR-Kompetenzen kommen bei den Arbeiten zu Air Data zum Einsatz?

Kliebisch:
Im laufenden Projekt bringt das DLR-Institut für Technische Physik sein Know-how auf dem Bereich der Lasertechnik ein. Das DLR-Institut für Antriebstechnik  steuert seine Expertise hinsichtlich laserbasierten Messverfahren bei und überträgt sie vom Bereich der Diagnostik in der Antriebstechnik auf die Felder Sensorik und Avionik. Außerdem haben wir uns im Team gezielt mit der Hochgeschwindigkeitssignalverarbeitung und der optoelektronischen Systemintegration beschäftigt. Mit diesem Wissen haben wir dann speziell für diesen Einsatzzweck entsprechende Komponenten entwickelt.


Wie ist der aktuelle Stand und wie geht es weiter?

Kliebisch:
Zu Beginn haben wir die benötigten Techniken im Labor erarbeitet und getestet. Derzeit entwickeln und bauen wir möglichst kompakte und robuste Messsysteme auf. Ziel ist es, diese möglichst zeitnah in ein Forschungsflugzeug zu integrieren.Die Lasersysteme betreiben wir dabei in einer augensicheren Art und Weise, wählen entsprechende Sicherheitsabstände und Betriebspunkte, so dass weder Piloten noch Passiere gefährdet sind. Begleitet werden diese Arbeiten von weiteren Untersuchungen im Labor, unter anderem, um die Messtechniken weiter zu verfeinern. Für das Jahr 2022 sind die ersten Flugkampagnen geplant, bei denen wir die Messverfahren unter realen Bedingungen erproben wollen.