Ozonloch über der Arktis
Aktuelle Ozondaten gemessen von Satelliteninstrumenten zeigen derzeit (Mitte März 2020) ein klassisches Ozonloch über der polaren Nordhemisphäre (Arktis; Abbildung 1). Von einem Ozonloch spricht man, wenn die Gesamtmenge des atmosphärischen Ozons (Ozongesamtsäule) auf Werte von unter 220 Dobson Einheiten sinkt. Der DLR-Wissenschaftler Prof. Martin Dameris erklärt die chemischen und physikalischen Prozesse, die ein Ozonloch verursachen, das jetzt erstmals in voller Ausprägung auch in der Arktis beobachtet wird. Normalerweise findet man eine solche Erscheinung nur im Frühling in der polaren Südhemisphäre (Antarktis), nicht aber auf der Nordhalbkugel.
Die heutigen im Orbit befindenden Satelliteninstrumente erstellen ein genaues Bild der Erdatmosphäre und ihrer chemischen Zusammensetzung. So überwachen sie auch die Entwicklung der für das Leben auf der Erde wichtigen stratosphärischen Ozonschicht. Ein Ozonloch kann sich über den Polen ausbilden, wenn chemische und dynamische atmosphärische Vorgänge miteinander zusammenwirken.
Zwischen Anfang Februar und Mitte März war der winterliche polare Windwirbel in der Stratosphäre außergewöhnlich stabil und kalt: In 30 km Höhe wurden zonale Windgeschwindigkeiten von mehr als 50 m/s gemessen (Abbildung 2: Zonalwind 60°N, 10 hPa). Die polaren Temperaturen in etwa 20 km Höhe sanken in der Polarnacht in dieser Zeit auf Werte von etwa minus 80°C (Abbildung 3). Aufgrund der Dunkelheit konnten sich hier die Luftmassen entsprechend stark abkühlen. Dadurch bildeten sich vermehrt Polare Stratosphärenwolken (engl. polar stratospheric clouds, PSC), eine der Grundvoraussetzungen für den Ozonabbau in der Stratosphäre. Wenn im Frühling in der Polregion die Sonne aufgeht und somit die notwendige Energie geliefert wird, kann der Ozonabbau beginnen. Stratosphärisches Ozon wird dann durch die immer noch hohen atmosphärischen Chlorkonzentrationen (verursacht durch die FCKW) abgebaut. Dies hat derzeit zur Konsequenz, dass sich innerhalb des Polarwirbels ein Ozonloch ausgebildet hat. Der Bereich stark reduzierter Ozonwerte reicht bis etwa 60° nördlicher Breite.
Die augenblickliche meteorologische Situation der Stratosphäre ist einerseits außergewöhnlich, andererseits ist sie durchaus im Rahmen der zu erwarteten Möglichkeiten. Es gibt immer wieder dynamische Situationen auf der nördlichen Hemisphäre, die einen starken und kalten stratosphärischen Windwirbel zeigen, so beispielsweise im März 2011. Damals war die Langlebigkeit jedoch nicht so ausgeprägt. Besonders auffallend ist dieses Jahr die langanhaltende stabile Phase von mehr als 6 Wochen im Februar und März. Dies hat Ozonabbau in diesem Frühjahr sehr begünstigt.
Aufgrund der Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht (Montreal Protokoll: multilaterales Umweltabkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1987 sowie seiner Folgeabkommen) sind durch das Verbot der Produktion und Nutzung von Ozon zerstörenden Substanzen (u.a. FCKW: Fluorchlorkohlenwasserstoffe) die atmosphärischen Konzentrationen dieser Produkte in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen (etwa 20%). Trotzdem sind auch heute noch erhöhte FCKW-Gehalte in der Atmosphäre vorhanden und somit der Chlorgehalt in der Stratosphäre noch relativ hoch. Denn die FCKW verbleiben viele Jahre in der Atmosphäre, da sie eine sehr lange Lebenszeit von mehreren Dekaden haben. Es kann aus heutiger Sicht davon ausgegangen werden, dass sich die Chlorkonzentrationen zur Mitte dieses Jahrhunderts wieder normalisieren und somit sich die Ozonschicht wieder vollständig erholt.
Eine generelle Erholung der Ozonschicht ist seit einigen Jahren sichtbar. Jedoch können sich in der Südhemisphäre oder auch in der Nordhemisphäre mit entsprechenden meteorologischen Bedingungen weiterhin Ozonlöcher entstehen. Durch die moderne Erdbeobachtung wird Atmosphäre ständig überwacht und somit die Erholung der Ozonschicht dokumentiert. Wissenschaftliche Erklärungen hinsichtlich besonderer Situationen wie in diesem Jahr können so direkt geliefert werden.
Zusätzliche Informationen:
Die größten Ozonmengen befinden sich in der Stratosphäre in der so genannten Ozonschicht. Etwa 90% des atmosphärischen Ozons befinden sich zwischen 15 und 30 km Höhe. Um die Gesamtmenge von Ozon in der Atmosphäre über einem bestimmten Ort anzugeben, nutzt man die so genannte Dobson-Einheit (engl. Dobson Unit, DU; benannt nach Gordon Dobson (1889–1976), der das erste Instrument zur Messung des atmosphärischen Ozonanteils konstruierte). Dobson Einheiten sind Säulendichten, also ein Maß für die Ozongesamtmenge in einer Säule über einen bestimmten Ort: Dabei entspricht eine 0.01 mm dicke Ozonschicht unter Normalbedingungen (1000 hPa, 0°C) einer Dobson-Einheit (1 DU). Eine Ozonschichtdicke von 300 DU würde demnach an der Erdoberfläche einer reinen Ozonsäule von 3 mm entsprechen.
Von einem Ozonloch spricht man, wenn die Ozongesamtsäule auf Werte von unter 220 DU sinkt, was einem Wert von etwa 30% unter normal entspricht.
Bei strenger Einhaltung der Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht (Montreal Protokoll) kann davon ausgegangen werden, dass sich eine vollständige Erholung der Ozonschicht auch in den Polarregionen bis etwa Mitte des Jahrhunderts einstellt.
Weitere Bilder und Informationen zur Entwicklung der derzeitigen Situation der Ozonschicht über der Nordhemisphäre kann man sich unter https://ozonewatch.gsfc.nasa.gov/NH.html ansehen.