Studie: Wie smarte Fahrräder den Radverkehr sicherer machen könnten
- Smarte Technik für mehr Sicherheit: Mit einem speziell ausgestattetes Fahrrad zeigen DLR und IAV, wie Kommunikationstechnologien Radfahrende in gefährlichen Verkehrssituationen schützen können.
- Frühzeitige Warnungen: Das System kommuniziert mit anderen Fahrzeugen per Mobilfunk, errechnet potenzielle Kollisionsrisiken mit diesen und warnt Fahrradfahrende anhand der Daten hiervor.
- Positive Ergebnisse aus Praxistests: Besonders in Szenarien mit freier Sicht zwischen den Interaktionspartnern funktionierte die Technik zuverlässig, mit Abstrichen auch unter schwierigeren Voraussetzungen. Eine Warnung 3,5 bis 4 Sekunden vor der potenziellen Kollision hat sich dabei als die kürzeste Zeitspanne für eine effektive Warnung herausgestellt.
- Noch besser durch Weiterentwicklung: Verbesserte Ortung und optimierte Kommunikation könnten die Systeme noch besser machen – ein Schritt hin zu mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden.
- Schwerpunkte: Sicherheit, Radverkehr, Kommunikation
Fahrradfahren ist nicht nur gesund und umweltfreundlich, sondern auch ein immer bedeutsamer werdender Bestandteil moderner Mobilität. Doch der Straßenverkehr birgt für Radfahrende einige Gefahren. Und genau hier setzt das Forschungsprojekt SivF (Sichere, intelligente, vernetzte Fahrräder) an, das in Zusammenarbeit des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der IAV GmbH im Auftrag des Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), vertreten durch die Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt) unter der FE Nr. 82.0808/2022 durchgeführt wurde. Ziel der Studie war es zu untersuchen, ob mithilfe intelligenter Kommunikationstechnologien die Sicherheit von Radfahrenden in hochkritischen Situationen erhöht werden kann.
Smarte Technologie auf zwei Rädern
Stellen Sie sich vor, Ihr Fahrrad könnte mit anderen Fahrzeugen „sprechen“ und Sie rechtzeitig vor einer Gefahr warnen – beispielweise vor einem plötzlichen Türöffnen eines parkenden Autos (sogenanntes „Dooring“) oder vor einem rechtsabbiegenden Lkw, der Ihnen als Radfahrenden die Vorfahrt nimmt. Diese Gedankenspiele werden durch sogenannte „kooperative intelligente Verkehrssysteme“ (kurz: C-ITS) möglich. Um dieses Szenario zu testen, hat die IAV ein Forschungsfahrrad (siehe Abb. 1), ausgestattet mit moderner Kommunikationstechnologie und präzisen Ortungssystemen, entwickelt und in realen Fahrversuchen getestet. Genutzt wurde ein spezielles Gerät, das über Funk Signale mit Autos austauscht und dabei die Position des Fahrrads hochpräzise bestimmt. Diese Daten wurden dann mit einem Referenzsystem abgeglichen, das so genau arbeitet, dass selbst kleinste Abweichungen erfasst werden konnten.


Der Testaufbau – So wurde geprüft
Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, wie genau und verlässlich die Positionsbestimmung des Radfahrenden und die Funkverbindung zwischen Pkw und Radfahrenden erfolgen. Solche Aussagen waren für die Forschenden wichtig, um den erforderlichen Zeitpuffer zu bestimmen, um einen Radfahrenden rechtzeitig vor einer kritischen Situation zu warnen. Um die Technik unter realistischen Bedingungen zu testen, wurden drei typische Gefahrensituationen im Straßenverkehr nachgestellt (siehe Abb. 2):
- Dooring-Szenario: Ein parkendes Auto öffnet plötzlich die Tür, während die radfahrende Person von hinten vorbeifährt. Dies ist eine typische Unfallsituation in städtischen Räumen mit seitlichen Parkstreifen für Autos, die oft zu schweren Verletzungen des Radfahrenden führt.
- Rechtsabbiegen mit Radfahrenden: In diesem Szenario fährt das Auto aus einer Nebenstraße auf eine Kreuzung zu, um dort nach rechts abzubiegen. Die radfahrende Person bewegt sich parallel zur Hauptstraße auf dem Radweg auf den möglichen Konfliktpunkt in der Kreuzung zu.
- Ausfahren aus einer Einfahrt: Diese Situation ist ähnlich zu der Rechtsabbiegesituation, aber meist sind die Sichtbedingungen ungünstiger. Hier untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie die Technik unter komplexeren Bedingungen funktioniert, etwa wenn keine klare Sichtlinie zwischen Auto und Fahrrad, sondern Abschattungen durch Gebäude bestehen. Besonders wichtig war dabei zu testen, wie sich Hindernisse wie Häuserwände oder Bäume auf die Kommunikation und Ortung auswirken.



In jedem dieser Szenarien haben die Projektbeteiligten zahlreiche Testfahrten durchgeführt, um statistisch abgesicherte Ergebnisse zu erhalten und Verbesserungsmöglichkeiten der verwendeten Technik zu identifizieren.
Die Tests – Sicherheit in der Praxis
Die Ergebnisse der Tests sind vielversprechend, die smarte Kommunikation zwischen den Fahrzeugen funktionierte in den meisten Fällen gut. Dies zeigt, dass die Technik dazu beitragen kann, gefährliche Situationen rechtzeitig zu entschärfen. Ein Highlight der Tests war, dass die Systeme in vielen Fällen sehr geringe Fehlerraten und Verzögerungen bei der Datenübertragung zeigten. Dadurch wurde der Radfahrende rechtzeitig informiert, was wichtige Sekunden zur Reaktion verschafft und somit einen Zusammenstoß verhindern kann.
IAV und DLR haben auch Punkte identifiziert, an denen zukünftig weiter geforscht werden muss, um Radfahrenden ein System zur Verfügung zu stellen, das sie vor gefährlichen Situationen verlässlich warnt. Schwierigkeiten traten vor allem auf, wenn Hindernisse wie Gebäude oder Bäume das Signal beeinträchtigten und Ungenauigkeiten bei der Ortung des Fahrrads auftraten. Während die Technologie unter idealen Bedingungen bis auf zwei Meter genau war, stieg die Abweichung bei schwierigeren Bedingungen, wie in engen Straßen, auf bis zu viereinhalb Meter und somit in einen Bereich, der noch nicht ausreichend für eine Serienreife wäre.
Warum lohnt sich die Technik trotzdem?
Trotz der Herausforderungen zeigte sich, dass solche Systeme Radfahrenden wertvolle Sekunden für eine angemessene Reaktion verschaffen können, indem diese frühzeitig über potenzielle Gefahren informiert werden. Eine unerwartete Gefahr wird so zu einer, auf die man sich vorbereiten kann – und das kann Leben retten.
Was muss verbessert werden?
Damit solche Systeme wirklich massentauglich werden, sind noch einige Verbesserungen notwendig:
- Bessere Ortung: Genauere Technik zur Standortbestimmung, zum Beispiel durch zusätzliche Sensoren.
- Weniger Fehlalarme: Systeme müssen zuverlässig zwischen echten Gefahren und harmlosen Situationen unterscheiden können. Wenn das System zu oft unnötig warnt, sinkt die Schwelle, die Warnungen zu ignorieren.
- Einfache Nutzung: Radfahrende sollten ohne großen Aufwand von den Vorteilen solcher Technologien profitieren können.
Fazit: Ein Schritt in Richtung sichere Mobilität
Das Projekt SivF zeigt: Fahrräder mit smarter Sicherheitstechnologie haben das Potenzial, den Straßenverkehr für Radfahrende sicherer zu machen. Besonders in Städten, wo Fahrräder und Autos oft nah beieinander unterwegs sind und sich den Straßenraum teilen, kann die Technik einen wichtigen Beitrag leisten.