8. März 2021

Konzeptstudien zum Mitigationspotential durch klima-optimierte Flugroutenplanung

Die Klimawirkung des Luftverkehrs wird sowohl durch die CO2-Emissionen als auch durch die Nicht-CO2-Effekte verursacht, zu denen beispielsweise Kondensstreifen, und Kondensstreifen-Zirren, Bildung von Ozon (O3) oder Abbau von Methan (CH4) durch Stickoxidemissionen gehören. Der Luftverkehr kann seine Klimawirkung reduzieren, indem er seine CO2-Emissionen und auch seine Nicht-CO2-Effekte verringert. Eine Möglichkeit, solche Minderungsmaßnahmen umzusetzen, ist es zu versuchen, Regionen in der Atmosphäre, die besonders sensitiv für Nicht-CO2-Effekte sind, mit Hilfe einer alternativen Flugrouten-Planung zu umfliegen.

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Klima-optimierte Flugroutenplanung im Europäischen Luftraum für die Verbindungen (a) Lulea, Schweden nach Gran Canaria, Spanien (b) Helsinki, Finnland nach Gran Canaria, Spanien, und (c) Baku-Luxemburg: Großkreisverbindung (blau) und klima-optimierte Flugrouten (schwarz) über Europa (obere Reihe). Vertikalprofile der Flugroute sind für den treibstoff-optimierte Route (Mitte) und die klima-optimierte Flugrouten mit 0.5% Treibstoffzunahme (untere Reihe). (Matthes et al., 2020)

Im Rahmen von Europäischen Kooperationsforschungsprojekten unter der Leitung des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen wurde in dem Aeronautics-Projekt REACT4C die Idee entwickelt und Mitigationspotentiale untersucht. Später wurde die Idee in einer Reihe von Machbarkeitsstudien innerhalb des SESAR JU (Single European Sky Aeronautics Research Joint Undertaking) entsprechend weiterentwickelt (FlyATM4E und ATM4E), um zu untersuchen, wie solche klima-optimierten Flugzeugtrajektorien identifiziert und im Rahmen einer Flugroutenplanung zukünftig implementiert werden können.

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Machbarkeitsstudie für den Europäischen Luftraum: Vergleich der klima-optimierten Flugrouten mit der treibstoff-optimierten Flugroute und Darstellung der Reduzierung der Klimawirkung (links) durch die Abnahme der Klimawirkung ATR (=Average Temperature Response, mittlere Temperaturänderung) und der damit verbundenen Treibstoffzunahme. Die einzelnen Beiträge der Klimawirkung in dieser 1-Tages-Fallstudie sind für den treibstoff-optimierten Fall (0%), und eine Zunahme des Treibstoffverbrauchs um 0.5% bzw. 1% gezeigt. Zunächst werden die Flugrouten so umgeplant, dass die Kondensstreifen-Zirrus Wirkung (AIC) vermieden wird. Weitere Anteile sind die Klimawirkung durch Kohlendioxid (CO2), Stickoxide (NOx) und direkte Wasserdampfemissionen (H2O). (Matthes et al., 2020)

„Zentrales Element einer solchen klima-optimierten Flugrouten-Planung ist die Bereitstellung der zeitlich und räumlich abhängigen Informationen, wo sich diese klima-sensiblen Regionen befinden, und wie hoch dort die Wirkung von dort freigesetzten Luftverkehrsemissionen ist“, erläutert die Projektleiterin Dr. Sigrun Matthes, Atmosphärenforscherin in der Abteilung Erdsystem-Modellierung des DLR-Instituts. „Hierfür haben wir das Konzept der Klimawirkungsfunktionen entwickelt, welches es erlaubt, die atmosphärische Information über diese klima-sensiblen Regionen als sogenannte Meteorologische-MET-Services der Flugplanung zur Verfügung zu stellen.“ Ihre Arbeiten als Projektleiterin, aktuell in dem Forschungsprojekt FlyATM4E (Flying Air Traffic Management for Environment) wird anlässlich des internationalen Frauentages gemeinsam mit anderen Europäischen Initiativen der Luftverkehrsforschung vorgestellt (Women in ATM).

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Kumulierte Kohlendioxid (CO2)-Emissionen aus der 1-Tages Fallstudie für den Euroäischen Luftraum, als geographische Verteilung, und Vertikalverteilungen (unten und rechts). (Lührs et al., 2021)

In einer Fallstudie für den Europäischen Luftraum im Rahmen des SESAR Exploratory Research Projektes ATM4E zeigten erste Abschätzungen der Klimawirkungsfunktionen an einem Tag mit hoher Kondensstreifenbildung erhebliche Einsparpotentiale für eine Reduzierung der Klimawirkung auf. Diese sind mit nur einer geringen Zunahme des Treibstoffverbrauchs (etwa 0.5%) verbunden und auf eine deutliche Reduzierung der Nicht-CO2-Effekte zurückzuführen (Matthes et al., 2020). Für eine solche Optimierung konnte weiterhin gezeigt werden, dass durch ein geschicktes Auswählen der zu optimierenden Flüge hohe Einsparpotentiale erreicht werden können, auch wenn nur etwa 25% der innereuropäischen Flüge im Sinne einer Klima-Optimierung umgeplant werden (Lührs et al., 2021).

Die beiden wissenschaftlichen Arbeiten sind als Teil einer Sonderausgabe erschienen, die Beiträge der 3. ECATS Konferenz zum Thema „Herausforderungen eines nachhaltigen Luftverkehrs“ in der Zeitschrift Aerospace enthält. Diese Konferenz wird regelmäßig vom internationalen Verein ECATS (Environmentally Compatible Air Transport System, mit Sitz in Brüssel) organisiert, und fand im Oktober 2020 erstmalig als Online-Event statt. Der im Jahr 2010 gegründete Verein ECATS zählt die führenden Forschungseinrichtungen und Universitäten in Europa im Bereich „Luftverkehr und Umwelt“ zu seinen Mitgliedern, und organisiert, derzeit unter dem Vorsitz von Dr. Sigrun Matthes, die Kooperation in verschiedenen Arbeitsgruppen, u.a. zu „Alternativen Treibstoffen“, „Klimawirkung des Luftverkehrs und Minderungsstrategien“, und „Green Flight“ über Konferenzen, über die wissenschaftliche Projektmitarbeit und Studentenschulen für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Das FlyATM4E Konsortium wird vom DLR Institute für Physik der Atmosphäre geleitet und besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität Hamburg, der Technischen Universität Delft, und der Universität Carlos III in Madrid. Es baut hierbei auf seiner Erfahrung auf und deckt das ganze Spektrum von Atmosphärenwissenschaften und Klimaforschung bis hin zur Luftverkehrsforschung zu operationellen Maßnahmen und Optimierung von Flugzeugtrajektorien und Flugrouten ab.

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Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirrus beeinflussen die Strahlungsbilanz und führen vorwiegend zu einem wärmenden Klimaeffekt. (Foto: © Sigrun Matthes)

Referenzen:

Matthes, S.; Lührs, B.; Dahlmann, K.; Grewe, V.; Linke, F.; Yin, F.; Klingaman, E.; Shine, K.P. Climate-Optimized Trajectories and Robust Mitigation Potential: Flying ATM4E. Aerospace 2020, 7, 156. https://doi.org/10.3390/aerospace7110156

Lührs et al., Lührs, B.; Linke, F.; Matthes, S.; Grewe, V.; Yin, F. Climate Impact Mitigation Potential of European Air Traffic in a Weather Situation with Strong Contrail Formation. Aerospace 2021, 8, 50. https://doi.org/10.3390/aerospace8020050

Matthes, S.; Lim, L.; Burkhardt, U.; Dahlmann, K.; Dietmüller, S.; Grewe, V.; Haslerud, A.S.; Hendricks, J.; Owen, B.; Pitari, G.; Righi, M.; Skowron, A. Mitigation of Non-CO2 Aviation’s Climate Impact by Changing Cruise Altitudes. Aerospace 2021, 8, 36. https://doi.org/10.3390/aerospace8020036