Maschinelle Lernverfahren als innovative Form der Klimamodellevaluierung
Maschinelles Lernen (ML), einer der wichtigen Ansätze der künstlichen Intelligenz (KI) und bereits erfolgreich in vielen wissenschaftlichen Disziplinen angewandt, hat ein großes Potenzial, auch die Erdsystemwissenschaften weiter voranzubringen. Gemeinsam mit der Gruppe Klimainformatik am DLR Institut für Datenwissenschaften (DLR-DW) und mit den Partnern des kürzlich verliehenen European Research Council (ERC) Synergy Grants “Understanding and Modelling the Earth System with Machine Learning (USMILE)” - dem Max Planck Institut für Biogeochemie in Jena, der Universität Valencia und der Columbia University New York - entwickelt das DLR-IPA KI-Methoden für die Erdsystemforschung.
Hochentwickelte Computermodelle des Erdklimas projizieren wie sich der Klimawandel auf regionale Trends wie Stärke der Niederschläge auswirken wird, und sind damit ein wichtiges Instrument um die Arbeit von Entscheidungsträgern in Regierungen, staatlicher Planung und Unternehmen zu unterstützen. Eine Vielzahl solcher Modelle wird derzeit in mehr als 40 Forschungszentren weltweit entwickelt und nimmt am "Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 (CMIP6)" des Weltklimaforschungsprogramms teil, das derzeit vom DLR-IPA geleitet wird [1]. Eine neue Studie, die in "Nature Communications" unter der Leitung des Imperial College London in Zusammenarbeit mit dem DLR-DW und dem DLR-IPA veröffentlicht wurde, hat einen neuen Ansatz zur Klimamodellevaluation mit Hilfe von ML-Techniken entwickelt [2].
Dieser neue Ansatz - Kausale Modellevaluation genannt - stützt sich auf kürzlich entwickelte kausale Inferenz-Algorithmen [3]. Die Methode erlaubt es, einen digitalen 'Fingerabdruck' von jedem Klimamodell zu erstellen, wobei jeder Fingerabdruck kausale Zusammenhänge charakterisiert, durch die verschiedene Weltregionen innerhalb eines gegebenen Modells miteinander gekoppelt sind. Diese Kopplungsmechanismen wiederum sind als wichtige treibende Kräfte für regionale Witterungsbedingungen bekannt.
Ein wichtiges Merkmal dieser Methode ist, dass sie auch auf Messungen des realen Klimasystems angewendet werden kann. Durch den Vergleich dieses wahren Fingerabdrucks mit den modellierten Fingerabdrücken konnten die Autoren ableiten, wie gut jedes Modell die Realität erfasst. Bemerkenswert dabei ist, dass jene Modelle die besser die kausalen Netzwerke von Beobachtungsdaten reproduzieren auch bei der Modellierung von Niederschlagsmustern über Afrika, Amerika, China, Europa oder Indien besser abschneiden. Was wahrscheinlich noch wichtiger ist: wenn man die Modelle danach einstuft wie gut sie die realen kausalen Netzwerke reproduzieren, führt dies auch zu einem klareren Bild hinsichtlich des erwarteten Niveaus der Niederschlagsveränderungen über Land im 21. Jahrhundert.
"Unsere Arbeit zeigt, dass moderne datenwissenschaftliche Ansätze für die Klimawissenschaft sehr nützlich sein können. Das Klimasystem mit all seinen Teilprozessen ist hochkomplex. Wir zeigen hier - fast schon entgegen unserer natürlichen Intuition - dass wir diese Komplexität auch zu unserem Vorteil nutzen können: nur durch die Kombination von Systemkomplexität und der Anwendung von kausalen Inferenzmethoden war es möglich neue objektive Leistungsmetriken zu definieren, die uns dann auch mit den wissenschaftlichen Kernfragestellungen weiterhalfen. Im Gegensatz dazu stellten wir fest, dass einfachere Methoden zur Messung der Modellleistung genau dies eben nicht in der gleichen Form ermöglichen", erklärt Dr. Nowack. "Dieser neue Ansatz bietet einen neuartigen und objektiven Weg für die prozessorientierte Evaluation der Modelle mit Beobachtungen und für die Identifizierung von Interdependenzen im CMIP-Ensemble", sagt Prof. Eyring, Vorsitzender des CMIP-Panels und DLR-IPA-Koautorin der Studie.
"Die Studie ist auch aus methodischer Sicht hochinteressant. Kausale Inferenzmethoden sind in der Klimawissenschaft besonders vielversprechend, da wir oft daran interessiert sind, Ursache-Wirkungs-Beziehungen abzuleiten, sodass unser Ansatz auch unser Verständnis des Klimasystems beschleunigen könnte", sagt Dr. Runge vom DLR-DW.
Die Ergebnisse dieser Studie sind auch vielversprechend hinsichtlich genauerer Prognosen des Klimawandels, die für die Planung und Investitionen zum Schutz von Leben und Lebensgrundlagen in einer Welt des Klimawandels erforderlich sind. Dr. Nowack sagt: "Unsere Ergebnisse deuten an, dass wir neue datengestützte Wege entwickeln können, um die Modellierung des regionalen Klimawandels zu verbessern. Ich sehe große Chancen in der Nutzung von Ansätzen der künstlichen Intelligenz um zukünftige Veränderungen bei den schlimmsten Extremereignissen wie Dürren und Überschwemmungen zu untersuchen.“
Links
- [1] V. Eyring et al. (2016): Overview of the COverview of the Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 (CMIP6) experimental design and organization, Geosci. Model Dev., 9, 1937-1958, doi:10.5194/gmd-9-1937-2016
- [2] Nowack, P., Runge, J., Eyring, V., Haigh, J.D (2020): Causal networks for climate model evaluation and constrained projections. Nat Commun 11, 1415 (2020)
- [3] Runge et al. (2019): Detecting and quantifying causal associations in large nonlinear time series datasets. Science Advances 5, eaau4996
- USMILE website