7. August 2020

Höhere Erwärmung in Klimamodellen der neuesten Generation vermutlich durch Wolken verursacht

Während Wissenschaftler herauszufinden wollen, warum einige der neuesten Klimamodelle eine höhere Erwärmung in der Zukunft als bisher angenommen vorhersagen, deutet eine neue Studie darauf hin, dass der Grund dafür wahrscheinlich mit Herausforderungen bei der Simulation der Entstehung und Entwicklung von Wolken zusammenhängt. Die neue Forschungsarbeit, welche in „Science Advances“ veröffentlich wurde, gibt einen Überblick über 39 aktualisierte Klimamodelle, die Teil eines großen internationalen Klimaprojektes sind: der sechsten Phase des Coupled Model Intercomparison Project (CMIP6) [2]. Diese Modelle werden auch für den bevorstehenden sechsten Sachstandbericht des Weltklimarats IPCC analysiert.

Ein Teil dieser Modelle zeigt eine höhere Sensitivität gegenüber Kohlenstoffdioxid – d.h. eine stärkere Erwärmung bei einer bestimmten Konzentration des Treibhausgases – als ältere Modelle, obwohl einige wenige auch eine geringere Sensitivität zeigten. Das Endresultat ist ein größerer Unsicherheitsbereich in der simulierten zukünftigen Temperatur innerhalb der Modelle als bei jeder vorangegangenen Modellgeneration, die bis in die frühen 1990er Jahre zurückreichen. Sollten die Modelle im oberen Bereich der Erwärmung korrekt sein und damit die Erde wirklich empfindlicher auf Kohlenstoffdioxid reagiert als die Wissenschaftler angenommen hatten, könnte die Zukunft auch viel wärmer werden als bisher angenommen. Es ist aber auch möglich, dass die Erweiterungen der Modelle von der letzten zur neuesten Generation Fehler in ihren Ergebnissen verursachen oder aufdecken. In der neuen Studie hat ein internationales Autorenteam unter der Leitung von Dr. Gerarld Meehl vom National Center of Atmospheric Research (NCAR), Boulder, USA, mit Beiträgen von DLR-IPA-Wissenschaftlern die CMIP6-Modelle systematisch mit früheren Generationen verglichen und die möglichen Gründe für das erweiterte Spektrum der Klimasensitivität analysiert.

Seit dem Ende der 1970er Jahre verwenden Forscher traditionell die Gleichgewichtsklimasensitivität ECS (vom Englischen „Equilibrium Climate Sensitivity“) zur Bewertung der Sensitivität von Klimamodellen. Diese misst den Temperaturanstieg nach einer sofortigen Verdoppelung der atmosphärischen Kohlenstoffdioxidkonzentration gegenüber dem vorindustriellen Niveau nachdem das Klimamodell wieder einen Gleichgewichtszustand erreicht hat. Im Laufe der Jahrzehnte ist die Spanne der ECS-Werte bemerkenswert konstant geblieben –zwischen 1,5 und 4,5 °C – auch wenn die Modelle erheblich komplexer geworden sind. Beispielsweise wiesen die Modelle der vorangegangenen CMIP Phase des letzten Jahrzehnts (CMIP5) ECS-Werte im Bereich von 2,1 bis 4,7 °C auf. Die CMIP6-Modelle hingegen zeigen ECS-Werte zwischen 1,8 bis 5,6 °C, wodurch sich die Spanne von CMIP5 sowohl am unteren als auch am oberen Ende vergrößert hat.

Die Modellentwickler haben ihre Klimamodelle im letzten Jahr ausführlich analysiert, um zu verstehen, was diese Veränderung in der ECS ausgelöst hat. Viele Forschungsgruppen sehen die Antwort dazu in Wolken und Aerosolen. Wolkenprozesse geschehen auf sehr feinen Skalen, was es in der Vergangenheit schwierig gemacht hat, sie in globalen Klimamodellen genau zu simulieren. In CMIP6 haben viele Modellierungsgruppen jedoch komplexere Darstellungen dieser Prozesse in den Programmcode ihrer Modelle eingefügt. Diese Erweiterungen haben in einigen Modellen zu besseren Simulationen der Wolken geführt, die damit eine bessere Übereinstimmung mit Beobachtungsdaten zeigen. Allerdings stehen Wolken in einem komplizierten Zusammenhang mit der Klimaerwärmung – bestimmte Wolkentypen reflektieren an einigen Orten mehr Sonnenlicht und kühlen so die Oberfläche ab, während andere den gegenteiligen Effekt haben und Wärme einfangen können. Aerosole, die natürlicherweise von Vulkanen und anderen Quellen sowie durch menschliche Aktivitäten freigesetzt werden können, reflektieren ebenfalls das Sonnenlicht und haben einen kühlenden Effekt. Zusätzlich verändern Aerosole die Bildung und Helligkeit von Wolken und damit deren Fähigkeit, die Oberfläche zu erwärmen oder zu kühlen.

Viele Modellierungsgruppen haben festgestellt, dass sich das Hinzufügen dieser neuen komplexeren Darstellung von Wolken in die neueste Version ihrer Modelle auf die ECS auswirkt. Laut Gerald Meehl ist dies nicht überraschend. "Wenn man mehr Details in die Modelle einfügt, gibt es mehr Freiheitsgrade und mehr mögliche unterschiedliche Ergebnisse", sagte er. "Erdsystemmodelle sind heutzutage recht komplex und besitzen viele Komponenten, die manchmal auf unvorhergesehene Weise zusammenwirken. Diese Modelle zeigen Verhaltensweisen, die Sie in vereinfachten Modellen nicht sehen würden", sagte er.

Ein Grund dafür, dass Wissenschaftler die ECS weiterhin verwenden, ist dass diese ihnen ermöglicht, aktuelle Modelle mit den frühesten Klimamodellen zu vergleichen. Gleichwohl haben die Forscher aber auch andere Metriken für die Untersuchung der Klimasensitivität entwickelt, darunter die transiente Klimasensitivität TCR (vom Englischen „Transient Climate Response“) eines Modells. Um diese zu messen, simulieren die Modellierer einen Anstieg der atmosphärischen Kohlenstoffdioxidkonzentration im Modell um 1% pro Jahr, bis diese sich verdoppelt hat. Die TCR entspricht dann der daraus resultierenden Erwärmung im Modell. Auch wenn dieses Maß ebenfalls idealisiert ist, könnte es eine realistischere Sicht auf die zukünftige Temperatur der Erde vermitteln, zumindest auf kürzere Sicht, d.h. für die nächsten Jahrzehnte.

In der neuen Veröffentlichung vergleichen die Autoren auch, wie sich die TCR seit ihrer ersten Verwendung in den 1990er Jahren im Laufe der Zeit verändert hat. Die CMIP5-Modelle zeigten einen TCR-Bereich von 1,1 bis 2,5 °C, während die Spanne der CMIP6-Modelle mit 1,3 bis 3,0 °C nur leicht zunahm. Die Veränderung der TCR-Spanne ist kleiner als bei der ECS, was bedeuten könnte, dass die simulierter Temperatur der CMIP6-Modelle über die nächsten Jahrzehnte nicht so unterschiedlich zur Temperatur der CMIP5-Modellen ist.

Für die Berechnung der Klimasensitivitätsmetriken ECS und TCR verwendeten die Autoren der Studie das Earth System Model Evaluation Tool (ESMValTool), eine Open-Source-Anwendung die von einem internationalen Konsortium aus mehr als 80 Institutionen unter der Leitung von DLR-IPA entwickelt wird. Das ESMValTool ermöglicht eine umfassende und routinemäßige Evaluierung von Erdsystemmodellen, die dringend erforderlich ist um die Analyse der komplexen Modelle und großen Datenmengen im CMIP-Archiv zu erleichtern.

 

Abbildung 1. Klimasensitivität ausgedrückt als Gleichgewichtsklimasensitivität (ECS) und Transienten Klimasensitivität (TCR) über die Zeit. Blaue und rote Balken zeigen die Spanne beurteilt durch die verschiedenen Sachstandsberichte (ARs) des Weltklimarats IPCC. Für die ECS nahm die diese Spanne seit 1979 nicht ab (1,5 bis 4,5 °C). Orangefarbene und grüne Balken zeigen die simulierten Bereiche der Klimamodelle des Coupled Model Intercomparison Project (CMIP). Für CMIP5 und CMIP6 sind die ECS-Werte der einzelnen Modelle als schwarze Zahlen dargestellt. Im Vergleich zu CMIP5 ist die ECS-Spanne von CMIP6 am unteren und oberen Ende des Bereichs gestiegen. (Grafik erstellt mit ESMValTool: DLR, CC-BY3.0)

Referenzen


[1] Meehl, G. A., Senior, C. A., Eyring, V., Flato, G., Lamarque, J. F., Stouffer, R. J., Taylor, K. E., and Schlund, M. (2020). Context for interpreting equilibrium climate sensitivity and transient climate response from the CMIP6 Earth system models. Science Advances, 6(26), eaba1981.

[2] Eyring, V., Bony, S., Meehl, G. A., Senior, C. A., Stevens, B., Stouffer, R. J., & Taylor, K. E. (2016). Overview of the Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 (CMIP6) experimental design and organization. Geoscientific Model Development, 9(5), 1937-1958.

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