27. Juli 2023

Forschung zur Regeneration des menschlichen Herzens: Studie zeigt Potenzial von Hypoxie für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz

  • Gemeinsame Studie von DLR und University of Texas Southwestern (UTSW) Medical Center zur Regenerationsfähigkeit menschlicher Herzzellen nach einem Herzinfarkt oder einem anderen kardiovaskulären Ereignis
  • Sauerstoffarme Bedingungen können das Herz dazu bringen, sich selbst zu reparieren und verminderte Funktion nach Herzinfarkt zu verbessern
  • Publikation in der Zeitschrift Circulation Research mit den Ergebnissen der Studie

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes von 2022 sind fünf der zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland Herzerkrankungen zuzuordnen, die über 20 Prozent der jährlichen Sterbefälle verursachen. Eine gemeinsame Studie von DLR und dem University of Texas Southwestern (UTSW) Medical Center zur Regenerationsfähigkeit menschlicher Herzzellen nach einem Herzinfarkt oder einem anderen kardiovaskulären Ereignis zeigt vielversprechende Ergebnisse: In der vom DLR-Team geleiteten Studie am Menschen konnte die Hypothese gestützt werden, dass sauerstoffarme Bedingungen das Herz dazu bringen können, sich selbst zu reparieren und die verminderte Funktion nach einem Herzinfarkt zu verbessern. Die in der Zeitschrift Circulation Research veröffentlichten Ergebnisse könnten eine „neue Ära in der Herz-Kreislauf-Medizin“ einläuten, so Dr. Sadek (stellvertretender Direktor des Hamon Center for Regenerative Science and Medicine der UTSW), der die Vorläuferstudien an Mäusen leitete. „Im Gegensatz zum Dogma ist der Rückgang der Herzfunktion nach einem Herzinfarkt möglicherweise reversibel“ so Dr. Sadek. „Diese Studie ist ein herausragendes Beispiel, wie spezielle Expertisen und Infrastrukturen aus der Luft- und Raumfahrtmedizin eingesetzt werden können, um wichtigen medizinischen Herausforderungen auf der Erde zu begegnen“ sagt Prof. Jens Jordan (Direktor des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin).

Grundlegende Entdeckungen

Frühere Forschungsarbeiten der UT Southwestern haben mehrere molekulare Schlüsselwege identifiziert, die den Verlust der Regenerationsfähigkeit des Herzens durch eine erhöhte Herzbelastung und Sauerstoffzufuhr kurz nach der Geburt ausgleichen könnten. Die Forschung an Mäusen deutet darauf hin, dass einige dieser Schlüsselwege der Regenerationsfähigkeit durch länger anhaltende (2 Wochen), extrem sauerstoffarme Bedingungen wie sie etwa auf dem Mount Everest herrschen, reaktiviert werden könnten.

Um die Sicherheit und Machbarkeit am Menschen zu testen, rekrutierten Studienleiter Prof. Dr. Jens Tank (Leiter der Abteilung für kardiovaskuläre Luft- und Raumfahrtmedizin, DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin), und sein Team zusammen mit Kollegen des Uniklinikums Köln vier männliche Freiwillige, die einen Herzinfarkt erlitten hatten. Die Männer im Alter zwischen 54 und 63 Jahren sind Sportler in hervorragender körperlicher Verfassung und haben Erfahrung mit Höhentraining.

Studie in der Hypoxie-Kammer der Forschungseinrichtung :envihab am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin

Die Studie wurde in der Hypoxie-Kammer der Forschungseinrichtung :envihab am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in enger Kooperation mit den Kollegen der UT Southwestern, darunter Dr. Sadek, Dr. Benjamin Levine und Dr. Vlad Zaha, durchgeführt. Diese Anlage verfügt über eine 300 Quadratmeter große Kammer, in der Umweltbedingungen wie der Sauerstoffgehalt eingestellt und Probanden über längere Zeit recht komfortabel leben können. Hinzu kommt die Möglichkeit, Untersuchungen des Herzens mit modernsten Methoden der Bildgebung durchführen zu können wie z.B. Echtzeit MRT oder PET/MRT. In der Druckkammer wurde der Sauerstoffgehalt über zwei Wochen hinweg schrittweise auf Bedingungen gesenkt, die einer Höhe von etwa 4.500 Metern entsprechen. Die Männer verbrachten dann 4,5 Tage bei diesem Sauerstoffgehalt, bevor sie zu normalen Bedingungen zurückkehrten. Diese erste Studie an Probanden, die schon mal einen akuten Herzinfarkt erlitten haben und deren Herzmuskel eine Narbe aufweist, schließt an die vorbereitende Studie mit erfahrenen Profibergsteigern an und bahnt den Weg für weitere Studien in der Zukunft (Link zu der Vorläufer-Studie hier).

Während der gesamten Dauer der Studie wurden die vier Probanden regelmäßig körperlich untersucht und die Körperfunktionen engmaschig überwacht. Weitere Untersuchungen erfolgten nach dem Aufenthalt in der sauerstoffarmen Umgebung. Diese zeigten, dass sich sowohl die Größe als auch die Funktion des Herzens deutlich verbessert hatten. Insbesondere bei einem Probanden mit besonders schlechter Herzfunktion verkleinerte sich die zuvor deutlich vergrößerte linke Herzkammer und die Auswurffraktion stieg um 11 Prozent. Diese Verbesserungen nach einem relativ kurzen Aufenthalt in einer moderat sauerstoffreduzierten Umgebung waren langfristig stabil, so die Studienautoren: „Mit den allerbesten Medikamenten erreichen wir in der Regel nur eine Verbesserung von 2 bis 3 Prozent“, so Dr. Sadek. „Dieses Ausmaß der Verbesserung ist enorm.“ Die Studienleiter wie Prof. Dr. Jens Tank betonten, dass diese ersten Ergebnisse sehr vielversprechend sind und klar zeigen, dass die Forschungsinfrastruktur am DLR dafür bestens geeignet ist.

Veröffentlichung:

Jan-Niklas Hönemann, Darius Gerlach, Fabian Hoffmann, Tilmann Kramer, Henning Weis, Christine E. Hellweg, Bikash Konda, Vlad G. Zaha, Hesham A. Sadek, Antonius E. van Herwarden, André J. Olthaar, Hannes Reuter, Stephan Baldus, Benjamin D. Levine, Jens Jordan, Jens Tank and Ulrich Limper
Originally published 3 Apr 2023 https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.122.322334 Circulation Research. 2023;132:1165–1167

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